News Wer krank ist, muss nicht nachts arbeiten

Nein- ich meinte die Veröffentlichung beim Bundesarbeitsgericht. Bis dato gibt es lediglich "Interpretationen".

Elisabeth
 
Entweder hat der Arbeitgeber tatsächlich ein Problem bei der Besetzung der Nachtdienste bzw. wird in absehbarer Zeit bei zunehmender Überalterung der Belegschaft ein solches erwartet. Oder es gibt da mehr Gründe, warum man als Arbeitnehmer vor Gericht zieht.

Dieser Arbeitnehmerin wurde gekündigt, weil sie laut Betriebsarzt keine Nachtdienste mehr machen durfte. An ihrer Stelle hätte ich mir da auch einen Anwalt genommen.
 
Dieser Arbeitnehmerin wurde gekündigt, weil sie laut Betriebsarzt keine Nachtdienste mehr machen durfte. An ihrer Stelle hätte ich mir da auch einen Anwalt genommen.

Wie kommst drauf, dass ihr gekündigt wurde?
 
Weil es im Artikel auch drin steht?

Genau darum geht es doch - der Mitarbeiterin wurde deshalb gekündigt, weil sie dadurch nimmer arbeitsfähig war, fand der Arbeitgeber.
 
Naja "gekündigt" wurde ihr nicht in dem Sinne.

Sie wurde arbeitsunfähig beurteilt, durfte nicht arbeiten, ist dann aus der Lohnfortzahlung gefallen und hat Arbeitslosengeld bezogen...
 
Die Klägerin hatte hier alles richtig gemacht und sich nicht einfach nach Hause schicken lassen. Zu ihrem Glück lehnte die Krankenkasse die Leistung von Krankengeld ab, so dass sie gezwungen war, sich mit Erfolg gegen ihre kalte Kündigung zu wehren.
Hensche - Leidensgerechte Arbeit im Krankenhaus

Kalte Kündigung... Der Arbeitgeber zahlt nicht mehr und bringt den Arbeitnehmer dazu, zu handeln. Dem bleibt schlussendlich nur die Kündigung.

Gerne wird das in unserer Branche auch auf anderem Wege versucht- z.B. über Versetzungen in Bereiche in denen man über- oder unterfordert ist, Dauernachtwachen in Tagdienste, Dienstpläne hart an der Grenze zur Illegalität, usw., usw. . Es gibt viele legale Wege um ungeliebte, ältere und damit vor allem teure Arbeitnehmer los zu werden.

Vom Bossing wollen wir mal gar nicht erst anfangen. Wobei ich das Vorgehen des PD in dem Unternehmen durchaus dort ansiedeln würde. Gegen Mobbing/Bossing kannst dich nicht wehren. Die Kollegin hatte Glück. Sie hatte was greifbares zum klagen. Diese Möglichkeit ist vielen anderen verwehrt weil das Vorgehen des Arbeitgebers zu subtil ist.

Aber wie geschrieben- warten wir erst mal den originalen Wortlaut des Urteils ab. Bis dahin bleibt alles Interpretation- egal ob von den Medien oder von uns.

Elisabeth
 
Auch wenn sie Arbeitslosengeld bezog, nirgends steht was von Kündigung, man könnte es annehmen.

Sie ist ohne das von der Krankenkasse zu zahlende Krankengeld direkt beim Arbeitslosengeld gelandet. Weil die Krankenkasse, die nach der (vom Arbeitgeber für längstens 6 Wochen zu zahlenden) Entgeltfortzahlung eigentlich weiter hätte zahlen sollen, diese Leistung abgelehnt hat; keine Arbeitsunfähigkeit erkennen konnte; befunden hat: Sie ist voll und uneingeschränkt arbeitsfähig mit der geringfügigen Einschränkung - kein Nachtdienst.

Da erst hat die Kollegin dann auf Zahlung dieses Annahmeverzugs-dingens geklagt und war damit sowohl beim BAG als auch in beiden Instanzen erfolgreich (Arbeitsgericht Potsdam und Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg). Erfolgreich deswegen, weil sie ihre Arbeit ordnungsgemäß angeboten hatte, der Arbeitgeber diese aber nicht angenommen hat.

Erfolgreich deswegen, weil eine Krankenschwester auch dann noch alle dem Arbeitgeber schuldende Tätigkeiten erbringen kann, wenn sie keinen Nachtdienst mehr machen kann.

Erfolgreich deswegen, weil es dem Arbeitgeber zuzumuten war, auf das gesundheitliche Defizit in der Dienstplangestaltung Rücksicht zu nehmen. Damit begründet das BAG in seiner Pressemitteilung sein Urteil und schließt sich den Vorinstanzen an.

siehe: Pressemitteilung BAG, 09.04.2014
http://www.diag-mav.de/images/aktuelles/BAG-Pressemitteilung- 16-14.pdf
 
Wieso hat sie erst geklagt, als die 6 Wochen um waren? War sie krank geschrieben? Hat die Kasse ein Gutachten angestrebt und die Arbeitsunfähigkeit als ungültig erklärt? War ihr erst dann klar, dass da was nicht richtig sein kann?

Es bleiben sehr viele Fragen offen die sich erst mit dem genauen Wortlaut des Urteils klären dürften.

Elisabeth
 
Diese Fragen wird dir nur die Klägerin beantworten können.
 
Ich bin mir sicher, dass der Wortlaut des Urteils hier Klarheit bringen wird.

Elisabeth
 
Ich hatte das Thema hier nicht gesehen und es im Rechtsforum noch mal eingestellt. Auf der BAG Seite hab ich übrigens nichts dazu gefunden.

Was in dieser Angelegenheit auch ein relevanter Punkt ist: Die Finanzen der betroffenen Arbeitnehmerin.

Die Frau hat 6 Wochen Lohnfortzahlung bekommen, danach ALG1. Wäre sie richtig krank gewesen, hätte sie nach der Lohnfortzahlung Krankengeld bekommen.

Der Unterschied Gehalt - Krankengeld - ALG1 ist erheblich.

Bei mir sah das so aus (2008):

Mein Netto lag etwa bei 1.350 EUR bei zwei Schichten. Mein Krankengeld dann etwa bei 1.150 EUR. Mein ALG1, nachdem ich ausgesteuert wurde, bei 810 EUR (+ 30 EUR Wohngeld). Beim Krankengeld spielte mein Weihnachtsgeld mit, das hatte ich einen Monat vorher bekommen.

Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmerin in eine nicht zu rechtfertigende finanzielle Notlage gebracht. Fast auf die Hälfte des vorherigen Einkommens zu verzichten, ohne sich darauf vorbereiten zu können (günstigere Wohnung, Verträge kündigen, Lebenshaltung anpassen), ist nicht zu kompensieren. Wohngeld ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn hier sind keine Heizkosten enthalten - die Energiepreise steigen aber munter weiter. Hier sammeln sich sehr schnell hohe Schulden an.

Es kommt noch hinzu, dass der Anspruch auf ALG1 unabhängig von der vorherigen Dauer der Berufstätigkeit, bei maximal einem Jahr liegt. Dieser Anspruch ist quasi abgelaufen, obwohl eine Kündigung unter normalen Umständen (also ohne diese spezielle Regelung mit Nachtdiensten im Krankenhaus), niemals durchgegangen wäre oder ihr zumindest einige 10.000 EUR Abfindung gebracht hätte. Sollte die Frau es in naher Zukunft also "tatsächlich" benötigen, ist es erstmal nicht verfügbar und es heißt direkt "Hartz IV". Und ob die Dame je wieder für den Arbeitgeber arbeiten wird, darf bezweifelt werden. Solche Gerichtsprozesse führen gewöhnlich nicht dazu, dass man wieder zusammenkommt. Es werden eher die Weichen für einen finanziellen Ausgleich durch den Arbeitgeber gestellt. Prozess gewonnen, Arbeitgeber muss zahlen. Das bringt den Job nicht zurück. Und eine Abfindung wiederum ist Vermögen oder sogar Zufluss in Sinne des SGB II, das heißt, dass davon nichts gespart werden kann, es wird aufs ALG I und II angerechnet und man darf dann auch noch seine Krankenversicherung selbst zahlen. Und in dem Alter gibts auch schwer einen neuen Job, v.a. wenn sich die diversen Krankenhauschefs untereinander kennen. Resultat: Hartz bis zur Rente.

Rein vom Kollegialen her, da hat das ganze vielleicht zwei Seiten, nur wie extrem man in einer solchen Situation sozial fallen kann, das wird gar nicht bedacht.
 
Touhy schrieb:
... nur wie extrem man in einer solchen Situation sozial fallen kann, das wird gar nicht bedacht.

Ich denke doch, vielen ist sehr wohl klar: Prozess gewonnen und der Rest ist bekannt.
Obwohl der Arbeitgeber den Prozess verloren hat, hat er gewonnen. Egal wie, der Arbeitgeber ist den bewussten, unbequemen Arbeitnehmer los und die Kosten sind für den Arbeitgeber ein Pillepalle, weil sie wissen wie sie diese Kosten wieder herein bekommen. Deshalb schweigen auch so viele und wer kann geht, "still" und leise. Darauf ruhen sich auch einige Arbeitgeber aus.

Recht haben und recht bekommen ist gut und schön, aber unter dem Strich kommt die Gerechtigkeit insgesamt zu kurz.

Schauen wir mal was wir noch zu lesen bekommen, gut ist schon mal das Richter genauer hinschauen.

L.G.
Claudia B.
 
Danke für die Info! :wavey:
 
Und nun stelle ich mir ein Team vor bei dem alle berechtigtes Interesse daran haben, so wenig als möglich Nachtdienste leisten zu müssen. Wie man da wohl darauf reagiert, wenn eine Kollegin nicht mehr Nachtdienst machen kann. Schon jetzt ist man bekanntlich sehr darauf bedacht, dass alle gleich behandelt werden.

Welche Medikamente muss man eigentlich immer zur selben Zeit am Abend nehmen und die bewirken, dass man einschläft. Sowas suche ich schon lange.

Elisabeth
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das Problem wäre nicht so groß, wenn sie wieder Dauernachtwachen einstellen würden und nicht von jedem Mitarbeiter das Dreischichtsystem verlangen würden. Aber das ist ja zu teuer…
 
Und nun stelle ich mir ein Team vor bei dem alle berechtigtes Interesse daran haben, so wenig als möglich Nachtdienste leisten zu müssen. Wie man da wohl darauf reagiert, wenn eine Kollegin nicht mehr Nachtdienst machen kann. Schon jetzt ist man bekanntlich sehr darauf bedacht, dass alle gleich behandelt werden.
Schätze, genauso, wie bei Kolleginnen, die schwangerschaftsbedingt keinen Nachtdienst machen dürfen. Würdest Du Dein ungeborenes Kind aufs Spiel setzen, nur damit der Kollege nicht motzt? Na also.

Es geht ja ohnehin nur um einen Rechtsanspruch auf weitere Beschäftigung. Auf eine Beschäftigung im gleichen Team hat keiner einen Anspruch. Insofern könnte man (theoretisch) die Nachtdienst-Möger und die Nachtdienst-Weniger-Möger bzw. die Nicht-Nachtdienst-Dürfer gerecht im Haus verteilen. :D

Das Problem wäre nicht so groß, wenn sie wieder Dauernachtwachen einstellen würden und nicht von jedem Mitarbeiter das Dreischichtsystem verlangen würden.
Inwiefern nützt das was? Auch die Dauernachtwache kann doch durch eine Krankheit beeinträchtigt werden und müsste dann eben nicht mehr nachts arbeiten.