Umgang mit Halluzinationen

magunda

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11.12.2012
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26
Ort
Landkreis Harburg
Beruf
Krankenschwester
Akt. Einsatzbereich
ambulante Pflege
Immer wieder neu stelle ich mir die Frage, ob man denn nun einsteigen soll auf optische Halluzinationen;
oder nicht?
Gibt's dazu ne fachliche Meinung oder "gute" Erfahrungen?
"Mein kleiner Opi" hat heftige optische Erscheinungen,
die ihn zum Teil sehr aufregen.
Dann gibt's Tage, wo er vollkommen orientiert ist.
Es sind Dinge in seinem Zimmer oder draußen vorm Fenster.
Die Familie spielt nicht mit,
widerspricht seinen Erscheinungen, was ihn zur Weißglut bringt.
Ich bewege mich irgendwo dazwischen, stoße aber auch an meine Grenzen,
wenn ich "was" wegräumen soll ... und es einfach nicht ... finde.
 
In der Neuro hatten wir öfters Patienten, die aus verschiedensten Gründen halluziniert haben. Ganz präsent ist mir noch eine Patientin aus einer Praxisanleitung, multimorbide, Parkinson- & Alzheimerdemenz, ich versuche mal aus dem Gedächtnis unser Gespräch wiederzugeben.
(bei der Grundpflege)
Patientin (P): Ich muss heute noch backen.
Ich als Schülerin (S): Was wollen Sie denn backen?
Praxisanleiterin (PA) nickt mir zu.
P: Einen Kuchen, ich hab schon alles eingekauft. Da im Schrank, da ist Zucker und Mehl. (deutet auf ihren Schrank)
S: Und Sie möchten ganz allein backen? Oder wollen wir gemeinsam backen?
P: Das ist mir egal.
S (ich schaue in den Schrank): Ja, ich sehe hier Zucker und Mehl, und Eier haben Sie auch gekauft.
P: Jaja, hab ich alles gekauft.
S: Ich mach den Schrank mal lieber wieder zu, damit keine Mehlkäfer reinkommen.
P: Jaaa, jaa, Mehlkäfer, die hatten wir in den Kriegsjahren auch immer, wir hatten ja nicht mal Mehl, aber Mehlkäfer... (beginnt einen langen Monolog über ihre Kindheit in den Kriegsjahren)

Ich habe daraus gelernt, dass es, im Rahmen der Validation, nichts bringt, meine Realität als wahr durchzukämpfen. Für den Patienten ist seine Halluzination real. Es stünde Meinung gegen Meinung, wer gibt nach? Ich begebe mich lieber auf Ebene der Patienten, übernehme ihre Vorstellungen von Raum und Zeit, steige in ihre Situation ein und spiele das Spiel mit. Vor allem in Fällen, wo demenzielle Erkrankungen schon weit fortgeschritten sind, bringt ein Orientierungstraining nur noch mehr Angst, Verwirrtheit und Abwehr.

In Fällen, wo der Patient mir unbedingt seine Halluzinationen als glaubhaft vermitteln will, kann ich ihm nur antworten, dass ich ihm glaube, dass er das sieht, aber ich selbst kann es nicht sehen, was aber nicht heißen muss, dass es nicht da ist. Die Patienten verstehen dann zwar, dass nur sie diese Dinge sehen und kein anderer, aber sie fühlen sich ernstgenommen und verstanden. Würde ich krampfhaft gegenargumetieren (Aber hier ist nichts, sehen Sie?), würde ich ihm seine eigene Wahrnehmung negieren. Das erzeugt Abwehr, mit der ich nicht arbeiten kann.
 
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Meine Erfahrung ist auch, dass man sich am besten nach dem Gegenüber ausrichtet.
So hab ich z.B. auch schon Tiere von der Wand gefegt und somit jemanden beruhigen können.
Da zu erklären, dass da nichts ist, hätte in dem Fall keinen Sinn gemacht.

Ein inzwischen verstorbener Familienangehöriger von mir hatte auch Halluzinationen und es hat
überhaupt nichts gebracht, dem zu widersprechen.
Ich hab das dann jeweils zur Kenntnis genommen, bin aber nicht näher darauf eingegangen weil es da nicht nötig war.

In anderen Fällen hab ich erlebt, dass ich direkt gefragt wurde von Leuten, ob das, was sie wahrgenommen haben, eine
Halluzination war. Das hab ich dann bestätigt und damit war es gut.

LG
Antje
 
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