Trockensubstanzen auflösen

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Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege,

habe eine wichtige Frage:

Ist für euch folgende Situation ein Grund zum Durchfallenlassen eines Prüflings in der Krankenpflege?

Trockensubstanz-Antibiotikum wurde ins Infusionssystem angesteckt und dieses entlüftet, bevor die Trockensubstanz vollständig gelöst war. Wurde aber noch nicht an den Patienten angehängt. Prüfung wurde bereits in diesem Moment von den Prüfenden abgebrochen und mit "durchgefallen, da Patientengefährdung" begründet. Da halfen auch die Erklärungen des Prüflings "ich wollte es doch später anhängen" oder "alle machen das auf der Station so" nicht.

Kennt jemand verlässliche Quellen zum Nachlesen, die das Phänomen untersucht haben, dass sich die Trockensubstanz im richtigen Lösungsmittel im entlüfteten Infusionssystem bei längerem Stehenlassen ebenfalls vollständig lösen darf, ohne eine Gefahr darzustellen?

Ich bin über jede Antwort von euch froh, wenn diese mich weiterbringt. Ich will ja auch keine uralten Märchen nacherzählen, daran festhalten, oder sogar Auszubildende deswegen durchfallen lassen :cry:
 
Trockensubstanz-Antibiotikum wurde ins Infusionssystem angesteckt und dieses entlüftet, bevor die Trockensubstanz vollständig gelöst war. Wurde aber noch nicht an den Patienten angehängt. Prüfung wurde bereits in diesem Moment von den Prüfenden abgebrochen und mit "durchgefallen, da Patientengefährdung" begründet.

Wo wird da konkret eine Gefährdung gesehen?
Kennt jemand verlässliche Quellen zum Nachlesen, die das Phänomen untersucht haben, dass sich die Trockensubstanz im richtigen Lösungsmittel im entlüfteten Infusionssystem bei längerem Stehenlassen ebenfalls vollständig lösen darf, ohne eine Gefahr darzustellen?
Kann das jetzt nicht nachvollziehen.
Wird gemutmaßt, daß unaufgelöste Brocken des Antibiotikums in den Schlauch kommen? Glaub ich nicht.

Eher sehe ich die Gefahr, daß unaufgelöste Brocken noch an der Wand der Infusionsflasche kleben und der Patient dadurch nicht die volle Dosis erhält.
 
Im ersten Gedankenblitz kam mir die Idee, dass zunächst eine Lösung mit zu geringer, nach Auflösung der Reste mit zu hoher Konzentration infundiert wird. Möglicherweise könnte eine zu hohe Konzentration des Wirkstoffs schädliche Wirkungen zeigen.
Wo, wieso und warum, oder wie die vorgegebene Patientengefährdung denn nun stattdessen konkret aussah, würde mich aber auch interessieren. Was sagen die Prüfer dazu? Ihr werdet das ja sicher im Nachgang diskutiert haben.
 
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Eher sehe ich die Gefahr, daß unaufgelöste Brocken noch an der Wand der Infusionsflasche kleben und der Patient dadurch nicht die volle Dosis erhält.
Das denke ich auch. Je nach Antibiose bildet die Trockensubstanz einen "Wirkstoffkuchen", der sich auch durch einfaches Warten nicht auflöst, sondern nur durch Klopfen und Schütteln (und den Trick, die Lösung wie bei einer Sanduhr immer wieder von einer Flasche in die andere laufen zu lassen) auflöst.
Da halfen auch die Erklärungen des Prüflings "ich wollte es doch später anhängen" oder "alle machen das auf der Station so" nicht.
Verständlich. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung wird ja auch nicht dadurch relativiert, dass alle anderen an dieser Stelle auch zu schnell fahren.

Eine nicht vollständig aufgelöste Trockensubstanz verabreichen zu wollen (und davon geht man aus, wenn das Infusionssystem angeschlossen wird) ist ein Fehler. Abzugspunkte wären hier in jedem Fall angebracht. Bei uns hätte man wohl die Aufmerksamkeit angestoßen ("Schauen Sie sich die Infusion doch bitte nochmal an!"), ehe der Schüler durchgefallen wäre.

Ist "Abbruch" nicht eine Vorwegnahme des Prüfungsergebnisses und macht damit die Prüfung anfechtbar?
 
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Ist "Abbruch" nicht eine Vorwegnahme des Prüfungsergebnisses und macht damit die Prüfung anfechtbar?
Ich könnte mir vorstellen, dass dies im Fall einer potentiellen “Patientengefährdung“ möglich ist.

Diese Disskussion hatten wir im OP-Bereich (OTA-Prüfung) auch schon. Dort soll laut Prüfungsverordnung die Prüfung nicht unterbrochen werden und das Ergebnis erst im Rahmen der Gesamtprüfung genannt werden.
Ich würde als Prüfer im Fall einer potentiellen Patientengefährdung die Prüfung auch abbrechen. Das Patientenwohl steht für mich über der Prüfungsverordnung.

LG Einer
 
Ich würde als Prüfer im Fall einer potentiellen Patientengefährdung die Prüfung auch abbrechen. Das Patientenwohl steht für mich über der Prüfungsverordnung.
Himmel, natürlich, aber man hätte versuchen können, den Schüler "durch die Blume" auf seinen Fehler aufmerksam zu machen. Und falls er nicht drauf gekommen wäre, hätte man immer noch das Anhängen der Infusion verhindern und eine neue Antibiose richten lassen können.

Wenn der Schüler schon im Patientenzimmer neben dem Bett stand, wäre ich ihm auch in den Arm gefallen; im Richteraum wäre ich gelassener mit der Situation umgegangen.
 
Diese Disskussion hatten wir im OP-Bereich (OTA-Prüfung) auch schon. Dort soll laut Prüfungsverordnung die Prüfung nicht unterbrochen werden und das Ergebnis erst im Rahmen der Gesamtprüfung genannt werden.
Ich würde als Prüfer im Fall einer potentiellen Patientengefährdung die Prüfung auch abbrechen. Das Patientenwohl steht für mich über der Prüfungsverordnung.
Also m. W. muss im Fall einer Patientengefährdung seitens der Prüfer eingegriffen werden. Jedenfalls in der Pflege.
Wenn das in der Prüfungsordnung der OTA anders ist, dann finde ich das schon sehr verwunderlich.

Im vorliegenden Fall ist mir aber nicht klar, wo die Gefährdung liegen soll.
 
Die/der Patient*in könnte die falsche Dosis des Medikaments erhalten, wenn nur ein Teil der Trockensubstanz gelöst wurde. Damit wäre das Antibiotikum nicht oder nur eingeschränkt wirksam - jepp, da sehe ich ein Risiko.

Auch wenn z.B. Medikamente verwechselt werden oder die falsche Dosis gerichtet wurde, müssten die Prüfer*innen einschreiten, bevor das Medikament verabreicht wird.

Aber eingreifen - also hier: Schüler stoppen, falsch aufgelöste Infusion verwerfen und neu richten lassen - ist nicht gleichbedeutend mit einem Abbruch der Prüfung. Der Schüler dürfte bis zum Ende der Prüfungszeit weiter arbeiten. Möglicherweise besteht er nicht - das entscheidet bekanntlich die oder der Prüfungsvorsitzende anhand des Protokolls - aber erfahren wird er das erst nach Ablegen aller Prüfungsteile.
 
Nachdem ich nun immer und immer wieder (auch in diesem Forum) die Behauptung gelesen habe, ein Abbruch der praktischen Prüfung sei nicht erlaubt, da dies das Endergebnis der Prüfung vorwegnehme, ich aber schließlich nicht unter Halluzinationen leide - hier endlich schwarz auf weiß, Beispiel NRW:

"Wenn sich in der Prüfungssituation eine akute Bewohnergefährdung abzeichnet, ist die Prüfung unverzüglich abzubrechen. Unbeschadet von der Gesamtqualität der Durchführungsleistung besteht u.U. die Möglichkeit oder Notwendigkeit, dass die Prüferinnen oder Prüfer in die Prüfung eingreifen, i. d. R. ein Grund für einen Abbruch der Prüfung. Hierbei ist wichtig, „gefährliche Pflege“ von „schlechter Pflege“ zu unterscheiden. „Gefährliche Pflege“ ist in solchen Situationen gegeben, die mit einer „Gefahr für Leib und Leben“ des zu pflegenden Menschen einhergehen, in denen die Pflegeperson also gesundheitsgefährdendes oder lebensbedrohendes Handeln zeigt, etwa die Verabreichung falscher Medikamente oder Transfer des Klienten in einen ungesicherten / ungebremsten Rollstuhl. In solchen Situationen würde, im Gegensatz zur „schlechten Pflege“, ein gesundheitlicher Schaden folgen, wenn die Prüferinnen oder Prüfer nicht entsprechend einschreiten würden. Nur „gefährliche Pflege“, nicht aber „schlechte Pflege“ kann als Grund für einen Prüfungsabbruch gelten."

Quelle: https://www.mags.nrw/sites/default/...aden_teil_1_altenpflegeausbildung-09-2006.pdf S. 22

Und hier Beispiel Sachsen-Anhalt:

"3.4 Die Gefährliche Pflege Wenn sich in der Prüfungssituation eine akute Gefährdung der/des Pflegebedürftigen abzeichnet, ist die Prüfung unverzüglich abzubrechen. Unbeschadet von der Gesamtqualität der Durchführungsleistung besteht u. U. die Möglichkeit oder Notwendigkeit, dass die beiden Fachprüfer in die Prüfung eingreifen. Dies ist in der Regel ein Grund für den Abbruch der Prüfung. (...)
Eingriff mit Abbruch: Ist der Fehler so schwerwiegend, dass Verletzungs- oder Lebensgefahr für die/den Pflegebedürftigen besteht, wird die Prüfung abgebrochen. Der Abbruch darf erst erfolgen, wenn die Akutsituation nicht mehr abzuwenden ist (...)
Für die Bewertung der Prüfungsleistung bei Eingriff oder Unterbrechung gelten folgende Aspekte: - bei Abbruch gilt die Prüfung als nicht bestanden, unabhängig von allen vorher erbrachten Leistungen während der fachpraktischen Prüfun
g"

Quelle: https://www.bildung-lsa.de/files/ea68f3c10747da85e8f7005f7abf42d3/RGA_Altenpflege_neu.pdf S. 38f

Beispiel Hamburg:

"4.4.5 Verhalten in kritischen Prüfungssituationen Tritt während der praktischen Prüfung eine Situation auf, die eine Gefährdung für die Gesundheit bzw. das Wohlbefinden des zu Pflegenden darstellt, muss die Prüfung durch die Fachprüfer unterbrochen bzw. abgebrochen werden. (...)
Eingriff mit Abbruch Ist der Fehler so schwerwiegend, dass Verletzungs- oder Lebensgefahr für den zu Pflegenden besteht, muss die Prüfung zwingend abgebrochen werden. (...)
Bei Abbruch gilt die Prüfung als nicht bestanden und wird mit der Note „ungenügend“ bewerte
t."

Quelle: https://www.ausbildungsumlage-altenpflege-hamburg.de/Download/2014_Leitfaden_Altenpflege.pdf S. 20f

(Ist zwar Altenpflege, aber das ist wurscht. Und es ist jetzt auch auf niemanden speziell gemünzt, mich hat es nur gestört, daß immer wieder Gegenteiliges behauptet wird).
 
Zuletzt bearbeitet:
Oh, danke für die Infos. Interessant. Das heißt, unter bestimmten Umständen ist ein Abbruch der Prüfung möglich, aber leichtfertig darf diese Entscheidung nicht getroffen werden.

Insbesondere in diesem Zitat zu erkennen:

Der Abbruch darf erst erfolgen, wenn die Akutsituation nicht mehr abzuwenden ist (...)
Dies sehe ich in der beschriebenen Situation (so wie ich sie verstehe jedenfalls) nicht unbedingt gegeben. Beim Richten der Infusion kann man hier dem Schüler noch Zeit geben, seinen Fehler zu bemerken. Abbrechen dürfte man erst unmittelbar, bevor die Infusion an den Patienten angeschlossen werden soll.
 
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Dies sehe ich in der beschriebenen Situation (so wie ich sie verstehe jedenfalls) nicht unbedingt gegeben. Beim Richten der Infusion kann man hier dem Schüler noch Zeit geben, seinen Fehler zu bemerken. Abbrechen dürfte man erst unmittelbar, bevor die Infusion an den Patienten angeschlossen werden soll.
Genau, so seh ich das auch.