ach ja, sterbebegleitung... ich weiß noch, bevor ich meine ausbildung angefangen hab, hab ich zivildienst im transportdienst gemacht, keine ahnung von nix, hatte erst frisch meinen schulabschluß. jedenfalls gehörte dazu auch der transport von verstoebenen von der station zur leichenhalle, wofür ich erst jedoch nicht vorgesehen war. erst, als der zuständige krank und sein vertreter im urlaub war, bekam ich den schlüssel für die pathologie, und gleich zu anfang "durfte" ich jemanden an die bestatter "ausgeben". das war gruselig, gesprochen hat mit mir da auch keiner, wobei ich mich aber auch hart gegeben hab. in der ausbildung selbst hatten wir das thema in ethik, haben auch ein hospiz besucht. die pastorin, bei der wir unterricht hatten, war auch sehr bemüht, aber pädagogisch unfähig, von da her hätten wir uns das auch sparen können. auf station war das eher unpersönlich, nebensache. wobei ich da auch weniger das pech hatte, das in meiner schicht jemand starb.
jedenfalls kann ich mich nur an zwei sterbefälle erinnern, bei denen ich anwesend war, und das war nach dem examen. ich habe zwei jahre in der hämatologie gearbeitet, die liegezeiten waren teilweise lange, betreuung in einem zeitraum von manchmal einem jahr, mit kleinen pausen wo die patienten nach hause durften.
der erste war ein mann um die 50, und hatte eine freundin um die 30, von ihm schwanger, eine australierin die er auf seinen reisen kennengelernt hatte. jedenfalls wirde bei ihm eine leukämie diagnostiziert, welche genau weiß ich nicht mehr. er hatte die chemo gut vertragen und die blutwerte besserten sich, bis es ihm plötzlich schlechter ging, ohne ersichtlichen grund, späte entwickelte sich ein ikterus, die leberwerte explodierten, aber immernoch ohne gefundene ursache. er konnte nur noch im bett liege, teils apathisch, teils erweckbar, aber immer freundlich und mit einem lächeln, die freundin war auch immer da. heiraten wollte sie ihn erst, wenn er aus dem krankenhaus raus ist, das sollte sein ziel sein. nach ein paar wochen wurde klar, das er es nicht mehr schaffen würde, und es wurde ein hochzeitstermin auf station gemacht, der zuerst platzte, weil er wieder somnolent wurde. beim zweiten anlauf hat es dann geklappt, leider war ich nicht dabei, ich hatte nachtdienst. kurz darauf platze bei ihr die fruchtblase, als sie bei ihm zu besuch war und sie gebar seine tochter. auch sie war immer mit dabei, die frau schlief auch bei ihm mit im einzelzimmer. plötzlich hörte er auf zu atmen, reanimation zwecklos, die frau außer sich, das kind schreite. meine kollegin und ich haben dann auch geweint und drüber gesprochen, die situation war furchtbar, das sterben dauerte mehr als drei monate.
der andere war so alt wie ich, "damals" 24 oder 25. er hatte schon einen langen leidensweg hinter sich und war oft bei uns auf station, inklusive knochenmarkstransplantation mit GvH. ich kannte ihn auch über wochen, man hat sich viel erzählt, er erzählte mir auch persönliche dinge, die er den schwestern nicht erzählte (ich war der einzige pfleger auf der station). jedenfalls wollten seine nieren nicht mehr, ständig war besuch da, er wurde immer pflegeabhängiger. ich weiß noch, wo ich mal wieder nachtdienst hatte, wurde mir übergeben, das er sich seit 2 tagen nicht mehr waschen lassen wollte. da er eh immer abends/nachts lange wach war, hab ich ihn gefragt, ob er nachts nicht duschen wolle, mit meiner hilfe. ich hätte nicht gedacht, das er darauf eingeht, aber er fands toll, also waren wir nachts um mitternacht duschen. wie gesagt, geschlafen hatte er um die zeit eh nie. das haben wir dann in meinem ganzen törn so gemacht, eigentlich war ich der einzige, der ihn so sehen durfte, abgemagert bis auf die knochen, gebrechlich und pflegeabhängig, man kann sagen, ich durfte ihn als einziger nackt in all seiner schwäche sehen. außerdem war er ein sehr sympathischer mensch, witzig, teils sarkastisch und mit schwarzem hunor, aber immer nett in seiner art. ich weiß nicht, wie meine stationsleitung ihn als schwierig bezeichnen konnte, aber sie war halt auch ein drachen. jedenfalls starb er dann, friedlich, und wieder hatten meine kollegin vom vorigen fall und ich dienst, wieder haben wir beide geweint, wir haben ihn fertiggemacht und ihm ein kleines kuscheltier zwischen die hände gelegt, das er von seiner freundin bekommen hatte (sie hat ihn trotz allem in den zwei jahren des dahinsiechens nicht verlassen!), er wollte es so, das hat er mir gesagt. dafür bekam ich noch einen anschiß von meiner leitung, jedenfalls hat sie es versucht. soweit ich weiß, ist er auch mit dem kuscheltier bestattet worden.
so richtig gesprochen hab ich darüber nur mit der einen kollegin, die auch direkt betroffen war, und noch mit ein paar anderen, das team war intakt, nur die leitung nicht. aber das ist ein anderes thema.
also zusammengefaßt: in der ausbildung wars nicht so dolle, als ich dann das krankenhaus nach dem examen wechselte, wars gut, ich hätt auch supervision machen können, aber das wollte ich nicht. andere sterbesfälle gingen mir komischerweise nicht so an die nieren, das waren im grunde die beiden einzigen, wo ich richtig betroffen war, bei anderen habe ich mich fast gefreut, das ihr leiden vorbei war...