Rückfall in der Sucht: Sofortige Entlassung oder Aufarbeitung?

Polamidon

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09.09.2006
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7
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Düsseldorf
Beruf
Krankenpfleger (Psychiatrie / Sucht)
Funktion
Praxisanleiter, stellv. MAV-Vorsitzender
Hallo,

der Rückfall gehört zur Suchterkrankung, wie zur Arbeit mit suchtkranken Menschen dazu. Gerade in Entwöhnungsbehandlungen sind Rückfälle an der Tagesordnung und werden im entsprechenden Therapiesetting bearbeitet.

Aber wie sieht es auf Entgiftungsstationen aus? Unsere Station verfolgt in der Regel die Politik der sofortigen Entlassung, jedoch mit den Angebot, dass sich der Patient wieder melden kann, falls er zu einer erneuten Behandlung bereit ist, um so annähernd das Gefühl zu vermitteln, das Team ist nicht "sauer", u.ä. ist. Jedoch wird mit der sofortigen Entlassung signalisiert, dass eine Weiterbehandlung jetzt nicht möglich ist.

Wie sieht es in Euren Häusern aus? Gibt es eine strenge Rückfallregelung oder wird individuell entschieden?

Ich freue mich auf Eure Antworten!

Liebe Grüße,
Polamidon
 
Hallo,

habe auch mal auf einer Station für Alkohol- und Drogenentzug gearbeitet. Also bei uns wurden die Patienten, die rückfällig geworden sind sofort disziplinarisch entlassen, konnten sich aber auch jederzeit wieder für eine Entgiftung anmelden. Ausnahmen waren natürlich gesetzl. Unterbringungen u.Ä..
 
Hallo Polamidon,

in unserer Tagesklinik haben wir als Ausschlusskriterium Sucht- bzw. Missbrauch von Drogen, aber es passiert immer wieder, dass es trotz Vorgespräch zu Patientenaufnahmen kommt die diese Probleme haben.

Der Patient bagatellisiert oder verleugnet den Mißbrauch, bzw. die Abhängigkeit.

Bei uns ist auch allen anderen Patienten untersagt während der Behandlung zu konsumieren. Auch nicht nach der tagesklinischen Behandlung oder am Wochenende

Bei Patienten wo im Vorfeld klar ist, dass sie eine Entgiftung hinter sich haben und es eine Sekundärerkrankung ist, nehmen wir auch auf. Bei anderen verweisen wir auf unsere Tagesklinik für Suchterkrankungen.

Mit allen Patienten wo eine Suchterkrankung vorliegt machen wir einen "Suchtvertrag". Dieser beinhaltet, dass er in dieser Zeit auf den Konsum von bewusstseinsveränderten Drogen und auch anderen nicht stoffgebundenen Süchten z.B. Spielen verzichtet.

Dieser Vertrag zwischen uns und dem Patienten beinhaltet, dass wir gegebenenfalls Kontrollen durchführen und er zudem bereit ist eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Dieser Verstoss kann auch zur Entlassung führen, wobei im Einzelfall immer geschaut wird.

Patienten wo plötzlich eine Entzugssymptomatik auftritt werden natürlich auf unsere Suchtstation verlegt. Wobei das natürlich im Einverständnis mit dem Patienten geklärt wird. Ihm wird nahegelegt, dass eine Behandlung in diesem Rahmen dann in der Tagesklinik nicht erfolgen kann. Es kann dann auch durchaus sein, dass er dann nach der stationären Behandlung zu uns zurück kommt.

Dieser Vertrag hat sich sch oft bewährt, weil der Patient auch was in der Hand hat um dann den Verzicht besser durchzuhalten. Er hat dann auch das Gefühl, wenn der Suchtdruck kommt, es besser bei uns ansprechen zu können um über diese schwere Zeit zu kommen.

Es wird auch bei uns nicht unbedingt beim ersten Verstoss entlassen, sondern es wird geschaut.....was war los? Es wird immer individuell geschaut....Nur beim dritten Verstoss folgt unweigerlich die Entlassung. Wobei auch diser Patient nach einer Entgiftung dann wieder zu uns kommen kann.
Aujedenfall ist die Kontaktaufnahme mit einer Selbsthilfegruppe immer bei dem Erkrankungsbild eine Voraussetzung bei unserer Behandlung.

Warten wir mal auf die Antworten von unseren Kollegen der Suchtstationen.
Bin auch gespannt, auf ihre Antworten.

Liebe Grüße Brady
 
Hallo,
bei uns gilt folgendes Handling:
Bei jedem Rückfall wird nochmals die Aufnahmesituation (Motivation) ins Gedächtnis zurückgeholt. Bei rein fremdmotivierten Patienten (gerichtl. Auflagen, Arbeitsamt, ...) wird disskusionslos entlassen mit von euch schon genannter Option.
Bei eigenmotivierten Patienten wird der Rückfall einzeln mit dem Patienten besprochen und dann entschieden. Ist er am Folgetag da, wird der Rückfall in der Gruppe ausgewertet und Therapiebestandteil.
MfG
rudi
 
Hallo rudi09,

ein interessanter Aspekt, nach der Motivation zu schauen. Aber auch ein problematischer. Ist der Patient wirklich sooo eigenmotiviert, wie er angibt. Oder ist die Scham darüber zuzugeben, dass z.B. die Ehefrau mit Scheidung droht, wenn ihr Angetrauter nicht in die Klappse geht, nicht vielleicht größer... Aber das ist jetzt ein bißchen Off-Topic.

Diskussionslos entlassen? Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht falsch verstanden. Natürlich wird über den Teambeschluß, eine disziplinarische Entlassung durchzuführen, nicht diskutiert. Aber ein detailliertes Gespräch, warum jetzt die Entlassung erfolgt, hat jeder Patient "verdient". Egal ob fremd- oder eigenmotiviert, ob § 35er oder Abmahnung vom Chef. Was wir am wenigsten in der Sucht brauchen, ist eine Wertung. Auch ein fremdmotivierter Patient kann in einer Entzugs- u. Motivationsbehandlung viel Imput mitnehmen und umsetzen.

Die Idee den Patienten sofort zu entlassen, mit der Option am nächsten Tag "nochmal von vorn anzufangen", finde ich auch sehr interessant. Manchmal kommt es jedoch vor, dass ein Patient eine so hohe Promillezahl aufweist, dass er aus medizinischen Gründen gar nicht entlassen werden kann.

Liebe Grüße
 
Hast ja recht. War zu hart formuliert.
Ehefrau habe ich bei Fremdmotivation mit Absicht weggelassen. Das ist immer sehr schwierig und einzelfallabhängig.
Die Option "Wiederaufnahme am Folgetag" halte ich nicht für ehrlich und therapiefördernd. ("Heute sauf ich, morgen geh ich") Das ist was für Leute, die sich nur körperlich sanieren wollen für die nächste Runde.
Ich will mal den Arzt sehen, der Aufnahmen, Entlassungen für solche Kurzlieger machen muß. Der kann einem nur leid tun.
Bei > 2,5 Promille wird aber nicht diskutiert oder entlassen, sondern therapiert.
MfG rudi
 
Hallo,
auf der Suchtstation, wo ich gearbeitet habe, wurden die Leute bei Rückfall entlassen und durften sich erst nach 3 Monaten wieder auf die Aufnahmeliste setzen lassen. Unsere Entgiftung von illegalen Drogen hatte "draußen" den Ruf als drogenfrei und somit geschützte Entgiftung.
LG Miriam
 
ich arbeite auf einer suchtstation mit schwerpunkt alkohol ... bei rückfall kommen die leute in den wachbereich zurück ... bleiben dort bis sie auf 0,0 promille sind ... werden dann disziplinarisch entlassen.
 
Also schon allein zum schutz von anderen Pat. auf einer Entzugsstation sollten soie entlassen werden, aber mit der Möglichkeit sich direkt wieder anzumelden für die Warteliste.
 
Aber wie sieht es auf Entgiftungsstationen aus? Unsere Station verfolgt in der Regel die Politik der sofortigen Entlassung, jedoch mit den Angebot, dass sich der Patient wieder melden kann, falls er zu einer erneuten Behandlung bereit ist, um so annähernd das Gefühl zu vermitteln, das Team ist nicht "sauer", u.ä. ist. Jedoch wird mit der sofortigen Entlassung signalisiert, dass eine Weiterbehandlung jetzt nicht möglich ist.

Ich habe ja vor kurzen mein psychatrischen Einsatz gehabt und war dort auch auf einer entgiftungsstation...
da wurde das genauso, wie du beschrieben hast gemacht...sie hatten allerdings 4 Wochen speere, danach durften sie dann wiederkommen...
 
eine sperre bekommen die patienten bei uns dann, wenn die alkohol/drogen auf die station schmuggeln und dort konsumieren!!!

im ausgang der konsum von alkohol wird nicht mit sperre bestraft!
 
Bei uns wird auch nach einem Rückfall die meist übliche diszipl Entlassung praktiziert. Es folgt ein Entlassungsgespräch mit dem Team und der Pat. erhält eine Sperre. :knockin::nurse:
 
Ist so eine Sperre sinnvol bzw. durchführbar?
Auf der Entgiftungsstation (Alkohol/Medikamente), auf der ich gearbeitet habe haben wir niederschwellig gearbeitet, heißt Überwachung, "Sanierung für die nächste Runde". wie jemand so schön geschrieben hat und ein geringes Maß an Anbindung, aber hohes Maß an Beziehungsarbeit geleistet.
Eigentlich sollten die Pat. vor Aufnahme einen Termin vereinbaren (i.d. R. nächster Vormittag in der Woche) und bei Rückfall disziplinarisch entlassen werden mit der Möglichkeit, zu einem anderen Zeitpunkt erneut zu entgiften.
Schwierig war es häufig so, wenn Patienten kurzentschlossen entgiften wollten oder nicht in der Lage waren einen Termin zu vereinbaren, dann wurden sie ganz plötzlich akut suizidal wenn die Ärzte sie wegschickten oder sie kamen gleich mit Promillezahlen jenseits der 2,5, so dass die aufnehmenden Ärzte sie aufnehmen mußten wegen angeblicher Lebensbedrohung.
Da man aber seine Pappenheimer kennt haben wir dann immer individuell entschieden, das kam auch immer auf den Arzt an. Es gab sogar welche, die keinen Alkoholtest gemacht haben um die Grenze eben nicht angeben zu müssen.
Eine Sperre habe ich mir oft bei den Abbrechern gewünscht (die z.T. 20 oder mehr Entgiftungen im Jahr machten), da unser KH aber den Versorgungsauftrag für die Region hatte und wegen der o.g. Gründe war dies irgendwie nicht durchführbar. Natürlich auch häufig aus rechtlichen Gründen.
Jetzt arbeite ich in einer Therapieeinrichtung für Gebraucher von illegalen Drogen. Dort wird ein Rückfall umfangreich aufgearbeitet und dann individuell entschieden.
 
Hallo!
Bei uns wird bei jedem Rückfall ein „Rückfallgespräch“ geführt (mit Patient, Arzt, Suchttherapeut und Pflege) wo entschieden wird ob eine Weiterbehandlung Sinn macht oder nicht.
Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich bei einigen folgt die sofortige Entlassung bei null Motivation bzw. konsumieren auf Station.
Es gibt auch Patienten die trotz mehrerer Rückfälle nicht entlassen wurden zB. bevorstehende LZT oder Entwöhnungstherapie also bei Patienten die kaum oder nicht abstinentfähig sind aber ein Ziel haben und motiviert sind.

Die meisten Patienten werden nach dem zweiten Rückfall entlassen.

Wir gehen davon aus, wenn ein Patient nach einem Rückfall nicht freiwillig geht muss er ja noch ein Anliegen haben. (selbst wenn es für die Ehefrau ist)

Sperre gibt es bei uns nicht. Ist auch nicht realistisch, da 50% der Patienten über Notaufnahme kommen mit beachtlichen Promillezahlen.
 
bei uns findet in dem fall ein gespräch mit arzt und psychologen statt. darin werden mit dem patienten die auslösenden situationen sowie das weitere procedere besprochen. rücksprache mit dem pflegeteam -> arzt, danach wird im gesamten team entschieden, ob eine fortführung der behandlung zum aktuellen zeitpunkt möglich, sinnvoll etc. ist oder nicht.
 
Hallo ihr Lieben!
Ich arbeite auf einer Alkohol und Medikamente Entgiftungsstation.
Bei uns werden die Patienten erst nach dem dritten Rückfall entlassen.
Sie bekommen bei einem Rückfall einen Bogen den sie ausfüllen müssen, auf dem steht wie es passiert ist dass sie rückfällig wurden und was sie gefühlt haben und wie sie das beim nächsten Mal umgehen können. Die Konsequenz ist, dass sie an diesem Tag keinen Ausgang mehr haben, da sie ja alkoholisiert sind und ihren Rückfall in der Gruppe aufarbeiten können.
:nurse:
Gruß
Anna
 
Bei uns auf der Suchtstation gibt es eigentlich die Regel:
Wer auf Station konsumiert, der fliegt und landet auf der Sperrliste für drei Wochen. Danach kann er sich wieder melden und kommt auf die Warteliste.

In Einzelfällen wird von dieser Regel abgewichen:
hat eine LZToder eine Doppeldiagnose oder er zieht die Suizidkarte (wobei es sein kann, dass er dann auf die Geschlossene kommt)
 
Bei uns (auch Alkohol u. Medikamente) läuft es genauso, wie bei @anna772,...interessant, vielleicht ist sie ja sogar eine Kollegin von mir?! :hicks: Zufälle soll´s geben.
 

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