Prophylaxen in der Pflegegeschichte

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Ommmmmm... hier wollte ich auf die Pflegegeschichte und die Prophylaxen schauen und net dem Akdademiker gegen das Scheinbein treten. *aufdiefingerklopf* ... und zurück zum Thema.

Wer hat das Eisen und Fönen in die Pflege gebracht? Welche konkrete Studien wurden dafür durchgeführt. Warum hat man sich von der Druckentlastung entfernt und dafür Öle u.ä. verlegt?

Elisabeth
 
Man verzichtete doch nicht auf die Druckentlastung, man ergänzte um weitere Prophylaxemaßnahmen (von denen ein Teil ja auch sinnvoll ist):

Im "Juchli"-Lehrbuch von 1983 Die Prophylaxe besteht aus

- "Druck ausgleichen oder aufheben durch Weichlagerung und Umlagerung im Wechsel 30° rechte Seite - Rücken - 30° linke Seite"
- "Blutzirkulation fördern durch das erwähnte Eisen & Fönen, Einreibungen z.B. mit Kampfer, Kamillebäder u.ä.m."
- "Haut schützen durch einwandfreie Körperpflege, sorgfältige Mobilisation ohne Reißen und Zerren, da Scherkräfte schädigen"
- und "saubere, trockene, weiche Wäsche."

Ganz abgesehen davon, dass man ja eine Druckentlastung durchführen musste, um mit Eis und Fön an die druckgefährdete Stelle zu kommen. Angeblich hat die Sache ja genau deswegen funktioniert.

Ich habe noch die Hautpflege mit PC 30 V zur Dekubitusprophylaxe gelehrt bekommen. War ein paar Jahre später out.
 
Ich dachte schon, dass man nur noch geeist und gefönt hat.

Hat Frau Juchli Eisen und Fönen eingeführt?

Elisabeth
 
lt. "Krankenpflege" 4. überabreitete und erweiterte Ausgabe 1983 von Schwester Liliane Juchli ... @calypso, da haben wir wohl die gleiche Ausgabe:flowerpower:

(bei der Gelegenheit gerade wieder entdeckt: wer kennt noch die Glühlichtbögen???)

Zumindest kann man sagen, dass sie es publiziert hat. Im Vorwort bedenkt sie"zeitgenössische Vertreter von Krankenpflegetheorien" wie Roper, Herndersen etc. Hätte sie nun den einzelnen Kapiteln Fußnoten anhängen sollen, was sie von wem hat? Wäre sicherlich wissenschaftlicher gewesen - aber was nützt uns das jetzt?
 
Mal was anderes: Dekubitusprophylaxe 1968:

Zweimal tgl. Abreiben der Haut mit 50% Alkohol zur Trocknung und Härtung, besonders nach dem Bad. Das Einreiben wirkt außerdem als Massage und fördert die Durchblutung in den gefährdeten Hautbezirken. Die Laken müssen immer glatt sein, die Haut muß trocken bleiben. Deshalb wird reichlich Puder (Zink, Borsäure, Talkum) verwendet. Inkontinente Patienten müssen dauernd nachgesehen undbei geringster Verschmutzung mit Wasser und Seife gereinigt werden; anschließend Alkoholabreibung und Einpudern. Gerötete Hautstellen werden mit Zinksalbe bestrichen. Wasserkissen, Luftring und Dekubitusmatratze (eine Abbildung einer Matratze mit elektischer Pumpe, die die Längsrippe der Matratze abwechseln rhythmisch aufbläst ist zu sehen) helfen, das Aufliegen an den gefährdeten Stellen zu verhindern.

(Lehrbuch für Krankenschwestern und Krankenpfleger Band II Krankheitslehre, Fritz Beske, Thieme Verlag)

da wurde nix gefönt..

oder:
Wundliegen
Um das Wundliegen, namentlich bei hageren Kranken, zu verhüten, legt man sie auf Wasserkissen oder auf ein gegerbtes Rehfell, das mit einem weichen, leinenen Bettuch bedeckt wird; unmittelbar auf den Rücken legt man einen mit Hirschtalg betrichenen Lappen.
Ist der Kranke schon wund geworden, so nehme man Wund- und Heilsalbe.

Bewährte Ratschläge der Frau Amalie Appel zur Behandling von Krankheiten aller Art , 1930 herausgegeben. Mme Appel hatte in Hamburg einem Arzt jahrelang assistiert, hätte, wenn sie männlich gewesen wäre, studieren können, ist dann mit ihrem Wissen aufs Land, wo die Ärzte dünn gesät waren (oha, kommt die Situation wieder??) und praktizierte aus ihrer Erfahrung.
 
Nachtrag: Hab gerade mit meiner Mutter telefoniert, die 1963 ein FSJ im Krankenhaus absolviert hat. Die kannte Eisen und Fönen nicht und ist sich recht sicher, dass sie noch wüsste, wenn sie Patienten mit dem Fön hätte am Hintern herumfuhrwerken müssen.

Merchurochrom bekam ich in den 1970er, 80er Jahren ständig auf aufgeschlagene Knie gepinselt. Wurde wohl bevorzugt bei Kindern angewandt, weil es nicht brennt. (Es gab auch Jod, aber das tut weh.) In dieser Zeit oder etwas später bekam ich aber auch Amalgam in die Zähne; bei beidem hat sich kein Mensch Gedanken um das Quecksilber gemacht.

meine mutter hat ihre ausbildung in den 80ern gemacht und kennt eisen und föhnen auch nicht mehr. wird merchurochrom eigentlich gar nicht mehr angewandt? kenne das auch noch von den aufgeschlagenen knien, aber das war ab mitte der 90er - anfang 2000er...

Wer hat eigentlich in seiner Ausbildung neben dem Fönen und Eisen auch die Kennzeichen eines Deku Gr.I kennengelernt: Rötung, Schwellung, Schmerz?

lernt man das nicht heute immer noch?? hab ich zumindest.
auch waschwasserwechsel hab ich noch gelernt...
 
merchurochrom eigentlich gar nicht mehr angewandt? kenne das auch noch von den aufgeschlagenen knien, aber das war ab mitte der 90er - anfang 2000er...
Off-topic: Wie man sich bei dem Namen "Mercurochrom" eigentlich hätte denken, können, enthielt das Zeug geringe Mengen Quecksilber und wurde deshalb in dieser Zusammensetzung vom Markt genommen. Ohnehin gibt's aber heute farblose Desinfektionsmittel, die die Beurteilung der Wunde leichter möglich machen, weswegen es wahrscheinlich ohnehin seltener angewandt wurde.
 
ah ja okay. meine mutter hat mir irgendwann mal erzählt dass man das mittlerweile nicht mehr benutzt. aber wie schon geschrieben kenn ich das auch noch aus meiner kinderzeit, die ja nun noch nicht ewig lange zurückliegt, und da hab ich mich grad arg gewundert dass das bei uns doch noch so lange verwendet wurde..
 
Ich finde es spannend, was sich alles aus der Geschichte der Pflege rausholen lässt, wenn man den Blick mal in Richtung Prophylaxen wendet.

Mein Favorist ist bis jetzt immer noch die "halb aufgeblasene Ochsenblase". *g* Erfinderisch waren sie- unsere Vorfahren.

Bin gespannt auf weitere Zitate.

Zum Eisen und Fönen- das setzt voraus, dass der Fön erfunden sein muss und Massenware ist. Wan war das?

Elisabeth
 
Bin heute zufällig mit meiner Abteilungsleitung drauf gekommen. Sie habe 1989 Examen gemacht und noch Eisen und Fönen gelernt. (Zehn Jahre später war mein Examen und das Ganze grottenfalsch.)
 
Von 1985-1987 habe ich ein Pflegepraktikum in einem Altenpflegeheim absolviert,...damals war ich naive 17-19 Jahre alt. Das Heim wurde bis Mitte 1986 von Katholischen Ordensschwestern geführt, welche für die Organisation und Durchführung der Pflege zuständig waren. Ich habe Dekubiti bis zum Steißbein Knochen gesehen,faustgroß. :( Diese alten Menschen wurden lediglich zur Nacht auf einen Gummiring gelagert,am Morgen zum Waschen erst wieder gedreht. Tags glaube ich schon, daß sie gelagert wurden, aber keines Falls ausreichend, Der Wundrand wurde geeist,geföhnt,mit Mercurochrom versorgt und die Wunde mit Traubenzucker ausgefüllt,dann mit Kompressen und Pflaster verschlossen,dies wurde 1x täglich erneuert.Ich erinnere mich auch,dass eine alte Dame mit einer solchen Wunde gebadet wurde und dabei starke Schmerzen hatte.
Dieses eisen+föhnen+Mercurochrom wurde in den ersten Jahren meiner Ausbildung auch noch angewendet,bevor es endlich verschwand.
 
Sicherlich aus dem gleichen Grund, wie auch Honig in die Wunden geschmiert wurde, was immer wieder belebt wird...
Begründung damals wg. Honig: die Enzyme würden die Wunde reinigen. Eine alte Schwester meinte damals, sie hätte gute Erfolge erlebt, was ich nicht beobachten konnte. Für mich fiel das unter die Abteilung, Wunden heilen manchmal trotz hartnäckiger Behandlung.
 
Die Erklärung war so etwas wie "das die Wunde Zucker zum heilen brauche"
 
Zucker in der Wunde kenne ich auch noch aus den 1990ern. Läuft aber nicht unter Prophylaxe.
 
Sicherlich aus dem gleichen Grund, wie auch Honig in die Wunden geschmiert wurde, was immer wieder belebt wird...
Begründung damals wg. Honig: die Enzyme würden die Wunde reinigen. Eine alte Schwester meinte damals, sie hätte gute Erfolge erlebt, was ich nicht beobachten konnte. Für mich fiel das unter die Abteilung, Wunden heilen manchmal trotz hartnäckiger Behandlung.

Das kenne ich nur aus Fallbeispielen, wo die betagten Herren ihren Ehefrauen Honig (oder Niveacreme) auf den Deku grad 4 schmieren "um die Wundheilung zu fördern" :D
 
Welcher Mensch kennt aus der Häuslichkeit Wunden die tiefer gehen? Den meisten dürften Eperdimusläsionen bekannt sein. Und da dürfte man ev. auch mit Honig ausgekommen sein. Und ist es net heute auch noch so, dass man net fragt: wie wirkt das?- sondern sich nach der Erfahrungen der anderen erkundigt?

Zucker wirkt hygroskopisch. Wurde ev. versucht, dass Exsudat aufzunehmen?

Eisen und Fönen... wurde das Eisen benutzt um die Hyperämisierung zu reduzieren und das Fönen um die Haut zu trocknen? Eine duch Feuchtigkeit mazerierte Haut ist anfälliger für weitere Schädigung.

Vielleicht sollten wir weniger auf die vollmundigen Werbungen der Firmen hören sondern mehr drüber nachdenken: wie funzt das und ist dies naturwisschenschaftlich gesehen überhaupt möglich?

Elisabeth
 
Vielleicht sollten wir weniger auf die vollmundigen Werbungen der Firmen hören sondern mehr drüber nachdenken: wie funzt das und ist dies naturwisschenschaftlich gesehen überhaupt möglich?

....und dann?
Irgendwie frage mich die ganze Zeit, wozu Du die Infos sammeln möchtest. Es ist ja schön und gut, denkend zu arbeiten und das eine oder andere zu hinterfragen, aber der Sinn erschließt sich mir hier nicht.
Geht es darum, generell zusammen zu tragen, was gab's denn früher oder speziell ums Eisen und Fönen? Und wenn ja ist es mir eigentlich auch wurscht, ob es wissenschaftlich möglich ist - es war unangenehm und hat sich somit disqualifiziert. Und das hat nichts mit Firmenwerbung zu tun.
 
Woher weißt, dass es unangenehm war? *g* Wir hatten ja schon bei anderen Themen festgestellt, dass das mit der Eigenerfahrung so ein Ding ist. Es ist die eigene Erfahrung und nie übertragbar auf alle.

Hinterfragen? Warum nicht. Wir verurteilen das Eisen und Fönen ohne eigentlich zu wissen, wer es mit welcher Intention eingesetzt hat. Vielleicht ging es denjenigen gar net um die Prophylaxe sondern um die Linderung des "brennenden Schmerzes" bzw. das trocknen der Haut.

Wir glauben zu wissen, dass man damit die Durchblutung anregen wollte. Wo steht das? Das interessiert mich. Ich gewöhn mir das Denken ind den Kategorien "Schwarz-Weiß" abzugewöhnen.

Fazit aus 39 Posts. Es scheint im Moment so, als wenn keinerlei Ursprungsquelle bekannt zu sein scheint. These: Man hat eine Methoe einfach umgewidmet. Aus Schmerzlinderung und Trocknen wurde- gemäß dem Zeitgeist- Anregung der Durchblutung.

Fällt mir ein- wann gab es eigentlich den Paradigemnwechsel "Weg von der Durchblutungsförderung". Oder geht man bei den modernen Methoen nicht doch wieder in die Richtung? Low-Airloss-Matratze mit Pulsation.

Elisabeth
 
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