Kontrakturenprophylaxe - welche Kompetenzen hat die Pflege?

hartwig

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02.04.2006
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338
Beruf
Krankenpfleger
Akt. Einsatzbereich
Dozent, Stationäre Pflege
Moin, moin!

Die Kontrakturenprophylaxe ist eine Tätigkeit, die in der Praxis oft nur untergeordnete Bedeutung hat und gerne komplett an die Physiotherapie übergeben wird. Was kann Pflege im Rahmen dieser Prophylaxe tun, bis wohin geht Pflege und wann fängt Physiotherapie an? Ist Pflege hier nur ein verlängerter Arm der Physiotherapie oder hat sie auch eigenverantwortliche Aufgaben?
Wie sind da eure Erfahrungen?

Gruss Hartwig
 
Naja, bezüglich der Lagerung von bettlaegerigen Patienten wird ja auch darauf wertgelegt keine Kontrakturen entstehen zu lassen...

Oder bei Knie Op`s- dort haben die Pat. postOP zur schmerzlindernden Lagerung ein Kissen unterm Knie- wenn man nicht darauf achtet dann kann das nach einiger Zeit auch die Streckung beeintraechtigen...

Ohne die Physiotherapie haetten wir echt ein Problem- es mangelt einfach an der Zeit ausreichend Bewegungsübungen usw durchzuführen, anzuleiten...:weissnix:


LG
 
Um welche Art der Kontraktur handelt es sich denn?

Geht es um eine myogene (vom Muskel ausgehende) Kontraktur, um eine dermatogene (von der Haut ausgehende) Kontraktur, um eine fasziogene Kontraktur, um eine neurogene Kontrakturen, eine arthrogene (knöcherne) Kontraktur, eine psychogene Kontraktur oder eine schmerzbedingte Kontraktur?

Prophylaxe meint ja vorbeugen. Wenn man ewas vorbeugen will, muss man sowohl die Ursachen als auch die Pathogenese beachten.

Um eine suffiziente Bewegungstherapie, angepasst an die Ursachen, durchführen zu können braucht es Spezialwissen. Spezialwissen, wie es die Physiotherapeuten vorweisen können.

Und wo liegt das Problem? Der Doc weist uns auch an, diese oder jene ärztl Tätigkeit zu übernehmen. Ist eine PhysiotherapeutIn dazu nicht berechtigt?

Elisabeth
 
Um eine suffiziente Bewegungstherapie, angepasst an die Ursachen, durchführen zu können braucht es Spezialwissen. Spezialwissen, wie es die Physiotherapeuten vorweisen können.

Elisabeth

Dann ist die Kontrakturenprophylaxe also keine eigenständige pflegerische Tätigkeit?

Gruss Hartwig
 
Ich denke mal net. Hier brauchst viel zuviel spezielles Wissen um wirklich prophylaktisch aktiv werden zu können. Und dieses Fachwissen fehlt uns einfach. Es ist nunmal Bestandteil einer anderen Berufsgruppe.

Das heißt noch net, dass ich hier gar nix machen kann. Es verhält sich ähnlich wie bei der Thromboseprophylaxe. Da hast nen medizinischen Anteil= Antikoagulantien. Bei der Kontrakturprophylaxe gibst den physiotherapeutischen Anteil.

Ich hab in meinen Seminaren immer die These vertreten: die beste Kontrakturprophylaxe ist Kinästhetik. Damit hast ein gutes Konzept. Ähnlich wie der Staseprophylaxe. ... Dumm nur, dass Kinästhetik so wenig beliebt ist.

Elisabeth

PS Hat jemand eigentlich in seiner Ausbildung im Rahmen der Vermittlung zur Kontrakturprophylaxe Unterricht von einer Physiotherapeutin bekommen?
 
Hallo

Elisabeth Dinse schrieb:
PS Hat jemand eigentlich in seiner Ausbildung im Rahmen der Vermittlung zur Kontrakturprophylaxe Unterricht von einer Physiotherapeutin bekommen?

Ja, wir, ca. 10 Unterrichtsstunden.

Zum Thema:
Kontrakturenprophylaxe wird meiner Meinung nach von den meisten Pflegenden kompetent und mit Sachverstand durchgeführt. Allerdings ist dies nicht in dem Maße möglich, wie es die Physiotherapie kann. Dazu fehlt - zumindest auf unserer Station - ausreichend Zeit. Trotzdem beschäftigen wir uns mit den möglichen Entstehungsursachen einer Kontraktur und gehen dann prophylaktisch dagegen vor.
 
Darf ich fragen, was du unter Kontrakturprophylaxe verstehst?

Elisabeth
 
Ich denke mal net. Hier brauchst viel zuviel spezielles Wissen um wirklich prophylaktisch aktiv werden zu können.


Das deckt sich auch mit meinen Beobachtungen. Es fängt schon damit an, dass dieses Gebiet von der Pflegeforschung fast völlig ignoriert wird, Studien zu diesem Thema kommen fast vollständig von der Physiotherapie.
Die Frage ist aber, ob damit dieses Handlungsfeld fûr die Pflege verloren ist oder ob es Bereiche gibt, wo sich die Pflege noch eigene Kompetenzen aufbauen kann ohne in die Physiotherapie abzugleiten?
Gibt es hier keine Aufgaben für die Pflege, weil sie sich hier (noch) kein eigenes Wissen aufgebaut hat oder weil es hier prinizpiell für die Pflege kein Aufgabenfeld gibt (von der simplen Weiterführung der von der Physiotherapie begonnenen Übungen mal abgesehen)?

Gruss Hartwig
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe bei der Kontrakturenprophylaxe klar Verantwortung bei der Pflege. Gerade im Bereich der stationären Altenpflege. Viele sprechen noch von Kontrakturenprophylaxe, wenn beim Pat. bereits eine Kontraktur vorhanden ist, bzw. das Bewegungsausmaß eingeschränkt ist oder eine Spastik vorliegt. Dann muss nach physiotherapeutischen Befund ein Behandlungsplan erstellt werden, in den das Pflegepersonal ggfl. mit integriert wird, je nach Wissensstand.

Aber hier geht es um eine präventive Maßnahme, d.h. der Pat. hat KEINE Kontraktur ist aber z.B. aufgrund eines reduzierten AZ, einer OP, Apoplex oder was auch immer gefährdet. Da bin ich der Meinung kann auch eine Pflegekraft agieren. Auch als Krankenpfleger weiß man, wie man physiologisch ein Bein bewegt und VORALLEM wie ich den Pat. zu lagern habe, dass es erst gar nicht zu einer Kontraktur kommt. Es gibt viele Pat. die überhaupt nicht physiotherapeutisch betreut werden, aber gefährdet sind eine Kontraktur zu bekommen, hier sind kompetente Pflegekräfte gefragt...
 
Als Physiotherapeut kennst du bestimmt das Problem der Bewegung über den Schmerzpunkt hinaus und die folgen auf die Ausbildung/Verstärkung einer Spastiktendenz.
Als Physiotherapeut kennst du bestimmt die Triggerpunkte, die man net reizen sollte um eine Spastik zu vermeiden.
...


Es ehrt dich, dass du die Kompetenz deiner Kollegen so hoch einschätzt. Aber du solltest bedenken, dass du ein ganz anderes Hintergrundwissen aufzuweisen hast.

Elisabeth
 
Als Physiotherapeut kennst du bestimmt das Problem der Bewegung über den Schmerzpunkt hinaus und die folgen auf die Ausbildung/Verstärkung einer Spastiktendenz.
Als Physiotherapeut kennst du bestimmt die Triggerpunkte, die man net reizen sollte um eine Spastik zu vermeiden.

Da hast du schon recht, manche Dinge sind für mich mittlerweile selbstverständlich, die ich nach meiner Pflegeausbildung nicht wusste. Wenn mann das passiv/assistiv/aktive Bewegen mal außen vor lässt. Wie sieht es mit der Lagerung aus?
 
Lagerung- schöner Gedanke... wenn man sich von den Lagerungsvorschriften trennen kann und individuell vorgeht.

In einem BasStim-Seminar fiel Kollegen auf, warum manche Pat. gar net in einer klassischen 30°-Lagerung verharren können.
http://www.dekubitus.de/images/abb06-30lagerung-b200.gif ... bei dem Bild ist z.B. die Streckung bzw. Beugung der Beine vertauscht.
Kissen zwischen den Beinen- fiel auf, dass altere Kollegen erhebliche Schmerzen im Hüftbereich bekamen, wenn das Kissen zu dünn war.
"Fallhand" weil Hand net unterstützt. "Fallender Fuß" weil Lagerungshilfsmittel zu kurz. Krankheiten mit ztw. erhöhten Muskeltonus auf WDM gelagert. Hochzerren der Pat. indem man unter die Achseln greift und dann nach oben zieht. Rollen in die Handfläche bei beginnendem Beugemuster im Handbereich. usw., usw.

Quintessenz- wie eigentlich bei allem- es fehlt einfach an dem nötigen Fachwissen.

Elisabeth
 
Lagerung- schöner Gedanke... wenn man sich von den Lagerungsvorschriften trennen kann und individuell vorgeht.

Moin,

Welchen Effekt hat Lagerung eigentlich zur Kontraktruenprophylaxe?
Habe mich in den letzen Tagen etwas in der Literatur umgeschaut, mit dem Ergebnis: Es gibt kaum gesichertes Wissen zu diesem Thema.
Die deutschsprachige Pflegeliteratur ist sich zwar einig, dass die Kontrakturenprophylaxe eine wichtige pflegerisch Aufgabe ist, aber wenn es dann um Details geht, begibt man sich schnell auf dünnes Eis.
Selbst wenn man sich auf die - meiner Meinung nach - durch aus
berechtigte Formel "Prophylaxe:Pflege und Thearpie:Physiotherapeut" einigt, bleiben noch mehr Fragen offen, als die derzeige Forschung beantworten kann. Welche Risikofaktoren spielen Fûr welche Art der Kontrakturen wirklich eine Rolle?, Welche Diagnostik soll hier angewendet werden? Welche prophylaktische Massnahmen haben tatsächlich einen Effekt? Ethik und Kontrakturprophylaxe im Alter? Einfluss auf die Lebensqualität bestimmter Kontrakturen? usw
Fazit: Kontrakturenprophylaxe ist eine Tätigkeit, die definitiv in das Aufgabenfeld der Pflege gehört - zumindest theoretisch... In der Praxis fehlt es der Pflege/Pflegeforschung an überprüfbaren Wissen zu dieser Thematik. Es bleibt also noch einiges zu tun...

Gruss Hartwig
 

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