Immer mehr "Pflege" auf onkologischen Stationen? Weniger Chemos?

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DrCox

Gast
Arbeite jetz seit 2 Jahren auf einer onkologischen Station und beobachte immer mehr die Tendenz,dass wir immer mehr Pat. mit sehr schlechtem AZ, wo nur noch eine palliative Richtung angestrebt wird, bekommen. Die Chemos werden immer weniger und die Krebs-Pat., denen noch wirklich geholfen werden kann, bekommt man gar nicht mehr wirklich mit, da die alle in eine ambulante Therapien gehen (was ja auch verständlich ist), hab ich so das Gefühl.. Größtenteils haben wir auf Station fast nur noch A3 Pat., wo kaum einer noch aufstehen kann, etc.
Beobachtet ihr Ähnliches? Wenn ja, wie geht Ihr mit dieser Entwicklung um?
Freue mich über Antwort(en) :)
 
Viele Zytostatika-Therapien werden heute ambulant in onkologischen Praxen durchgeführt. Um eine solche Therapie (mit curativem Ziel) überleben zu können, ist ein einigermaßen stabiler AZ Voraussetzung, damit entfällt aber gleichzeitig die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme.

Ungefähr 80% aller derzeit eingesetzten Zytostatika- und Bestrahlungstherapien sind ohnehin palliativ (für diese Zahl habe ich leider keinen Link, aber sie wurde auf dem Hamburger DGP-Kongress 2006 genannt, auch persönlich befragte Onkologen und Allgemeinmediziner bestätigen diese Zahl), eine curative Wirkung ist bei vielen Zytostatika gar nicht erwiesen. Der manchmal bewusste Einsatz von Therapeutika, deren Wirksamkeit nicht belegt ist, geschieht oft aus Hilflosigkeit der Behandler, um noch eine - wenn auch trügerische - Hoffnung anbieten zu können.

Studien weisen inzwischen nach, dass die pharmakologische Krebsbehandlung in den letzen Jahren keine bedeutenden Fortschritte gemacht hat (böse Zungen behaupten, dass die Wirtschaft an der Heilung von Krebs gar kein Interesse habe, da sonst ein riesiger Markt zusammenbrechen würde).

Und wo sollen alle die Patienten hin, die durch ihre Erkrankung und den Behandlungsmarathon am Ende ihrer Kräfte angelangt sind? Die "Onko" ist vom Personalschlüssel und Fachwissen her wenigstens besser ausgestattet, um den hinfälligen Menschen mit ihren zahlreichen Beschwerden einigermaßen angemessen helfen zu können, außerdem kennt "man" sich durch lange vorangegangene Aufenthalte.

Es gibt eben immer noch zu wenig Palliativstationen und Hospize - und nicht nur Behandler scheuen sich, jemanden dorthin zu überweisen, auch die Patienten und deren Angehörigen werten den Schritt dorthin als Aufgabe des "Kampfes".
 
"Vor 20Jahren wäre die Hälfte der Patienten schon 10Jahre tot gewesen",mein eigenes Zitat.
Viele unserer Patienten sind nach jahrelanger Therapie dort angelangt,wo eigentlich nichts mehr geht-oft sind die Verwandten diejenigen,die einen dringenden Therapiewunsch verfolgen,weil es ja irgendwie immer weitergeht...
manche scheinen nur noch in unserer Maximalversorgung überlebensfähig.
"Sie bekommen meinen Mann wieder hin"ein Zitat einer Angehörigen.
Der Vorschlag in ein Hospitz/Palliativstation zu gehen wird als eine Art "abschieben"empfunden.
Patienten scheinen teilweise nur noch in unserer Maximalversorgung überlebensfähig.

als Pflegende/r sitzen wir zwischen den Stühlen.
Waren die Jahre die der Patient durch die Therapie"gewonnen"hat nicht sehr wertvoll?Können Patienten am Anfang einer Diagnose und auch mitten in Therapie überhaupt abschätzen,welcher Behandlungsmaraton da auf sie zurollt??
Ich bin da ständig mit mir und meiner Arbeit im Gespräch und am grübeln.
Im operativen-Fach ist es einfacher:Krebs wird gefunden und rausgeschnitten-fertig.(so wird es dem Patienten"verkauft")
Monate später findet sich der Patient dann bei uns wieder :Rezidiv oder Metastase ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass heute mehr Menschen mit Krebserkrankungen länger leben oder sogar geheilt werden können als vor 20 Jahren, liegt nicht unbedingt an besseren Therapien, sondern daran, dass Tumore durch verbesserte Diagnostik schon in frühen Stadien entdeckt werden können. Außerdem nehmen mehr Menschen an Vorsorgeuntersuchungen teil als früher. Dadurch entsteht aber auch der Eindruck, dass immer mehr Menschen an Krebs erkranken.

Die Medizin"gläubigkeit" ist ebenso gewachsen, deshalb erhoffen sich viele auch im fortgeschrittenen Stadium von der Aufnahme auf die Onkologie noch die Rettung in letzter Sekunde, oder deren Angehörige, wie Teilzeitschwester schon sagte. Aber auch das Misstrauen ist gestiegen, einem Kranken würde eine hilfreiche Therapie vorenthalten - das ist allerdings mein persönlicher Eindruck.

Habt ihr das auch erlebt, dass sich diese Patienten irgendwelche teuren Wundermittel "aus Amerika" haben kommen lassen - die sich dannaber als vollkommen nutzlos erwiesen?
 

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