Gewalt in der Pflege

th.giese

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29.09.2007
Beiträge
93
Ort
Saarland
Beruf
ehemaliger Fachkrankenpfleger Operationsdienst und Endoskopie, Hygienebeauftrager in der Pflege
Akt. Einsatzbereich
Allgemeinchirurgie, Urologie, Gefäßchirurgie, Gynäkologie, Unfallchirurgie
Funktion
Datenschutzbeauftrager
ist ganz sicher kein unbekanntes Thema. In fast schon regelmäßigen Abständen kann man Schlagzeilen in der Boulevardpresse lesen: Pflegerin lässt alte Frau hungern! Krankenpfleger schlägt alten Mann! usw. Dies kennen wir sicher alle.
Doch nahezu nie ist von Gewalt in die andere Richtung zu lesen. Dennoch ist die Gewalt die von Patienten oder Heimbewohnern auf Pflegekräfte ausgeübt wird gegenwärtig. Mal wird man gezwickt, dass man aufschreien möchte. Ein Zug an den Haaren ist auch keine Seltenheit. Ein Tritt in den Bauch ist bei weitem keine solch eine Lapalie, wie sie von Leitungen oder Kollegen oft abgetan wird.
Bereits vor etwa drei Jahren habe ich mich schon einmal mit der Thematik beschäftigt. Damals war es eher noch schwer an Informationen zum Thema Gewalt gegen Pflegkräfte zu finden.
Meine Idee ein Seminar zum Thema Deeskalation und Verteidigungsmöglichkeiten, wurde hier im Forum teilweise als unsinnig und überflüssig abgetan. Selbst schuld, wenn du nicht aufpasst. Die Menschen sind krank, du darfst dich nicht wehren
Das hat sich zum Glück nun etwas gewandelt. Es wird thematisiert, man spricht darüber.
Es ist nun einmal Tatsache, dass die Paragraphen 32 StGB uns 227 BGB nicht an der Pforte zum Krankenhaus aufhören zu exitieren oder ungültig werden. Auch eine Pflegekraft oder ein Mitarbeiter im Rettungsdienst haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und dürfen sich bei einem rechtswidrigen gegenwärtigen Angriff aus sich oder andere zur Wehr setzen.
Aktuell ist es in unserer Klinik im Nachtdienst in der ZPA (eine Pflegefachkraft alleine) zu einem tätlichen Übergriff gekommen, was mich wiederum veranlasst hat, bei unserer inzwischen neuen PDL vorzusprechen und ein Seminar zum Thema Deeskalation und Selbstverteidigung an zu bieten.
Da das Thema Gewalt gegen Pflegende immer öfter thematisiert wird, würde mich nun interessieren, wo was wieoft abgeboten wird und von wem.
Was hat der Arbeitgeber nach Übergriffen unternommen, hat sich etwas geändert bei euch?
Es gibt natürlich Bereiche in der Pflege, da muss man immer irgendwie mit Übergriffen rechnen, wie auf Akutpsychiatischen Stationen, Neurologischen Stationen oder Pfelgeheime, oder auch Abteilungen mit hohem Publikumsverkehr wie Ambulanzen oder Patientenaufnahmen.
Mich interessieren in erster Linie normale Stationen und Bereiche. Was erlebt ihr dort und wie geht ihr damit um. Die allgemeine Hemmschwelle Gewalt auszuüben ist in unserer Gesellschaft leider gesunken und diese Entwicklung macht auch nicht vor den Türen unserer Arbeitsplätze halt.
Ich freue mich über jede Antwort oder Erfahrungsbericht.

Viele Grüße
Thomas
 
du beklagst im ersten teil deines beitrags die relativierung von gewalt gegen pflegekräfte, aber benützt diese selbst im letzen teil deines postings - das nur by the way....

ich habe durchaus schon einige male körperliche gewalt, ausgeübt von patienten7bewohnern gegen pflegekräfte, aber auch gegen ärzte, psychologen, ergotherapeuten und andere angestellte im dunstkreis psychiatrisch erkrankter erlebt.

das wolltest du aber nicht wissen, eher auf " normal " -stationen: da kann ich nur von einem fall aus der ambulanz während der ausbildung berichten: besoffener wird eingeliefert weil er sich beim holzhacken das beil in`s knie geschlagen hatte und beginnt dann, auf der krankenbahre liegend, wie wild um sich zu schlagen. beruhigte sich auch wieder. Wie damit umgegengen wurde ging im allgemeinen dienststress irgendwie unter.....
 
du beklagst im ersten teil deines beitrags die relativierung von gewalt gegen pflegekräfte, aber benützt diese selbst im letzen teil deines postings - das nur by the way.....
Hier kann ich Dir leider nicht ganz folgen. Worauf beziehst Du Dich da?
ich habe durchaus schon einige male körperliche gewalt, ausgeübt von patienten7bewohnern gegen pflegekräfte, aber auch gegen ärzte, psychologen, ergotherapeuten und andere angestellte im dunstkreis psychiatrisch erkrankter erlebt.
Nun dort ist Gewalt gegen Pflegekräfte irgendendwie schon immer ein Thema gewesen. Dort gibt es ja auch schon konkrete Mechanismen im Präventiven Bereich und die Mitarbeiter aller Berufsgruppen sind in Intervenierungstechiken geschult
Das ist auf Normalstationen in der Regel nicht der Fall. Dort herrscht ja leider immer noch das Bild vom armen Patienten, der nicht weiß was er tut und dem man unter allen Umständen helfen muss.
Nachdem es nun bei uns in der Klinik zu einem Übergirff im Nachtdienst in der ZPA auf eine Pflegefachkraft gekommen ist, sind auch diverse Diskussionen in allen Berufsgruppen entstanden. Aussagen wie Hausverbot sind schon mehrfach gefalllen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Aggressor nach dem Übregriff stationär behandelt wurde und dazu noch über einen Anwalt an die Klinikleitung herangetreten wegen Schmerzensgeld, weil der Pfleger sich auch noch gewehrt hatte....
 
Hallo
Gewalt an Pflegekräften auf Station wird bei uns leider nicht groß thematisiert. Ich versuche schon seit langem für die Nachtwachen einen sog. Panikruf zu bekommen. Unsere PDL blockt.Erst war es, weil technisch nicht möglich, als das Gegenteilt nachgewiesen wurde, wie soll das Personell gehen, inzwischen -aussitzen. Ich habe festgestellt dass einige Pflegekräfte stark gehäuft von dementen Patienten attakiert werden, andere hingegen sehr selten. Für mich liegt das oft in der Person der GKP begründet. So einige Situationen könnten schon im Vorfeld entspannt werden. Wenn jedoch das Wissen fehlt, wie dies zu tun ist, dann eskaliert es eben. Wenn es zu tätlichen Übergriffen kommt, gibt es einfache Mittel um sich selber zu schützen, ohne den Patienten zu verletzen. Dazu bräuchte es aber Fortbildungen zur Deeskalation und ein stetiges Üben der Selbstverteidigungstechniken. Denn einmal zeigen und nachmachen bringt gar nichts.
Daß eine geschlagen GKP durchaus traumatisiert sein kann, geht in viele Köpfe gar nicht rein. Da muss man eben durch, das ist halt so usw. usw. Ich bekomme das ko.... wenn ich so was höre. Auf der anderen Seite sind Fortbildungen über Deeskalation bei uns schlecht besucht, weil " das bringt ja eh nichts". Oder es gibt nur eine im Jahr, und das empfinde ich als sehr dürftig. Ich habe mich privat weitergebildet, trainiere meine Selbstverteidigung und bin schon viele Jahre nicht mehr in eine Situation gekommen in der ich körperlicher Gewalt seitens Patienten ausgesetzt war.
Alesig
 
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Hallo
Gewalt an Pflegekräften auf Station wird bei uns leider nicht groß thematisiert. Ich versuche schon seit langem für die Nachtwachen einen sog. Panikruf zu bekommen. Unsere PDL blockt.Erst war es, weil technisch nicht möglich, als das Gegenteilt nachgewiesen wurde, wie soll das Personell gehen, inzwischen -aussitzen.

Ihr habt auf der Nachtwache doch sicher Mobiltelefone. Eine brenzlige Situation für eine KollegIn rechtfertigt das Auslösen eines Rea-Alarms! Und wenn es dann irgendwann mal einen Paniktuf geben sollte, dann bitte auch sicherstellen, dass die Kollegen den Sender auch mitführen in der Nacht. Sonst macht das leider keinen Sinn.

Ich habe festgestellt dass einige Pflegekräfte stark gehäuft von dementen Patienten attakiert werden, andere hingegen sehr selten. Für mich liegt das oft in der Person der GKP begründet. So einige Situationen könnten schon im Vorfeld entspannt werden.

Da kann ich Dir uneingeschränkt zustimmen.Leider ist es so, dass demente Patienten gerade im Krankenhaus sehr schnell aggressiv und handgreiflich werden. Sie werden aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen, finden plötzlich neu Gesichter um sich herum und sind daher verunsichert und können die Situation nicht einsortieren. Dann ist die teilweise knappe Personaldecke auf Station alles andere als dienlich. Die Pflegkraft steht unter Zeitdruck und ist hecktisch. Das überträgt sich sehr schell. Irgendwann knallt es dann. Andere stehen unter dem gleichen Druck, können nach aussen aber Ruhe ausstrahlen, dort passierten dann Übergriffe seltener. Der Sparwahnsinn beim Pflegepersonal hat leider Folgen in unterschiedlichen Ausprägungen.

Wenn jedoch das Wissen fehlt, wie dies zu tun ist, dann eskaliert es eben. Wenn es zu tätlichen Übergriffen kommt, gibt es einfache Mittel um sich selber zu schützen, ohne den Patienten zu verletzen. Dazu bräuchte es aber Fortbildungen zur Deeskalation und ein stetiges Üben der Selbstverteidigungstechniken. Denn einmal zeigen und nachmachen bringt gar nichts.

Einmal zeigen und nachmachen bringt gar nichts, sagst Du? Das trifft für Schutztechniken zu für den Fall, dass es zu einer Eskalation kommen sollte. Diese muss man in der Tat regelmäßig üben (nur wann ist die Frage)
Die Schutzmechanismen beginnen aber schon deutlich früher, nämlich dann, dass ich das Wissen vermittele Situationen im Vorfeld zu erkennen und gleich deeskalierend einzugreifen. Ein Beispiel für den Umgang mit dementen Menschen habe ich oben bereits geschrieben. Als "Erstmaßnahme" muss man in diesen Situationen dafür sorgen, dass sich die Hektik eben nicht überträgt. Natürlich steht die AG-Seite ebenso in der Pflicht auf längere Sicht, dafür zu sorgen, dass eben keine Hektik durch Personalmangel entsteht. Doch das ist eine Berufspolitische Geschichte, deren Brisanz man inzwischen aber erkannt hat. Im Saarland wird ein Tarifvertrag Entlastung angestrebt, der für mehr (gegenfinanziertes) Personal sorgen soll. Aber das ist ein anderes Thema.
Andere kleine Tipps, wie ich mich zum Patienten positioniere, damit ich nicht unmittelbar erreicht werden kann, sind sehr hilfreich. Ich versuche in meinem Kurs bei den Kollegen einfach ein Umdenken zu erreichen sich anders zu verhalten. Das ist ein Prozeß, den jeder für sich durchlaufen muss. Damit kann man von vorne herein schon für Entspannung sorgen. Wenn dann noch endlich personelle Entlastungen dazu kommen wie z. B. keine Nachtwache mehr alleine, dann haben wir einiges erreicht. Für den "normalen" stationären Betrieb

Daß eine geschlagen GKP durchaus traumatisiert sein kann, geht in viele Köpfe gar nicht rein. Da muss man eben durch, das ist halt so usw. usw. Ich bekomme das ko.... wenn ich so was höre. Auf der anderen Seite sind Fortbildungen über Deeskalation bei uns schlecht besucht, weil " das bringt ja eh nichts". Oder es gibt nur eine im Jahr, und das empfinde ich als sehr dürftig.

Dass viele in Führungsebenen so denken liegt meines erachtens daran, dass gerade Pflegedienstleitungen teilweise viel zu lange weg von der Front sind. Die denken in anderen Sphären. Der Besuch von Fortbildungen zur Deeskalation muss einfach gesteuert werden. Meist liegt es nicht in der Hand der PDL alleine, jemanden für eine Fortbildung Deeskalation einzuladen. Die verlangen richtig Kohle, denn das Thema ist aktueller denn je.
Ich bin als Fachkrankenpfleger im OP bei uns in der Klinik beschäftigt und betreibe seit fast 40 Jahren Kampfsport. In meiner Freizeit habe ich für unseren Verein Selsbtverteidigungskurse für Frauen durchgeführt, unter anderem auch zwei bei uns in der Klinik. Dort habe ich das Thema Gewalt in der Pflege gegen Pflegekräfte erst so richtig wahr genommen. Die Kolleginnen sind mit Fragen wie was kann ich bei Patienten anwenden, die mich festhalten. Denen kann ich natürlich nicht in den Unterleibtreten oder die Nase zu Brei schlagen. Diese Fragen und die Tatsache, dass meine Ehefrau in einer Pflegeinrichtung mit demantiell erkrankten alten Menschen arbeitet, haben in mir erst einen Denkprozess in die diese Richtung ausgelöst. Die Thematik war mir ebenso unbewusst wie der PDL, die seit 25 Jahren auf ihrem Stuhl saß.
Eine Trainerausbildung mit dem Profil Gewaltprävention, die ich inzwischen durchlaufen habe, hat mir die notwendigen Hintergrundinformationen vermittelt. Ich bin dann von 3 Jahren erstmals zu unserer PDL und habe ihr meine Idee vorgetragen. Und trotzdem wäre dieser Kurs damals beinahe nicht zustande gekommen, weil die PDL nicht zu 100% dahinter stand.
Inzwischen haben wir seit einem halben Jahr eine andere PDL (die Vorgängerin ist in Rente). Ein erstkürzlich vorgefallener Übergriff in der ZPA in der Nacht auch eine Pflegkraft. Hat mich dann wieder auf den Plan gerufen und ich habe eine Wiederholung des Kurses vorgeschlagen. Und plötzlich ging alles wieder ganz schnell.
Vielleicht sind aktuelle Vorfälle einfach der Aufhänger solche Kurse und Trainings regelmäßiger einzufordern. Sicher, es hat nicht jede Einrichtung das Glück aus eigenen Reihen ein Angebot dieser Art zu machen. Aber einfordern kann man so etwas durchaus. Wenn es erst kürzlich ein Vorfall gab, dann ist dieser meist in den Köpfen aller Präsent und es wird leichter a) die PDL und Geschäftsleitung davon zuüberzeugen, dass ein Angebot dieser Art notwendig ist (macht sich übrigens auch in diesen Zertifizierungsgeschichten ganz gut ;-) ) und b) Pflegkräfte davon zu überzeugen, dass es eben doch sinnvoll ist und etwas bringt einen Kurs dieser Art zu besuchen.

Ich habe mich privat weitergebildet, trainiere meine Selbstverteidigung und bin schon viele Jahre nicht mehr in eine Situation gekommen in der ich körperlicher Gewalt seitens Patienten ausgesetzt war.

Und was trainierst Du da genau? Nur Schutztechniken oder auch Deeskalationsstrategien? Vielleicht liegt die Tatsache, dass Du schon lange keine Gewalt mehr erlebt hast, darin begründet, dass Du durch Dein Training nach aussen etwas ausstrahlst, was schon deeskalierend wirkt. Schon einmal daran gedacht? Vielleicht hat Dein Training eben genau das Umdenken bei Dir erwirkt, was ich weiter oben schon beschrieben habe.
 
Hier kann ich Dir leider nicht ganz folgen. Worauf beziehst Du Dich da? (...)

ja, Thomas, manchmal kann ich mir selbst nicht immer ganz folgen....

ich bezog mich mit meiner aussage, die keinesfalls als kritik angedacht war, auf einen vermeintlichen widerspruch, den ich glaubte, beim ersten lesen deines postings endeckt zu haben.

Bereits vor etwa drei Jahren habe ich mich schon einmal mit der Thematik beschäftigt. Damals war es eher noch schwer an Informationen zum Thema Gewalt gegen Pflegkräfte zu finden.
Meine Idee ein Seminar zum Thema Deeskalation und Verteidigungsmöglichkeiten, wurde hier im Forum teilweise als unsinnig und überflüssig abgetan. Selbst schuld, wenn du nicht aufpasst. Die Menschen sind krank, du darfst dich nicht wehren

diese aussagen erweckten in mir den eindruck, dass du dich durchaus kritisch auf das verschweigen, bagatellisieren/verharmlosen und relativieren von gewalt gegen pflegekräfte stellst.

Für ich wirkte dann aber folgende textpassage in deinem posting eben selbst wie eine relativierung:

"Es gibt natürlich Bereiche in der Pflege, da muss man immer irgendwie mit Übergriffen rechnen, wie auf Akutpsychiatischen Stationen, Neurologischen Stationen oder Pfelgeheime, oder auch Abteilungen mit hohem Publikumsverkehr wie Ambulanzen oder Patientenaufnahmen."



die tatsache, dass ich in bestimmten bereichen eher mit gewalt rechnen muss als in anderen, macht die sache per se nicht besser, denn die annahme, dass durch die gehäufte und damit einhergehende erwartung dieser situationenen die damit konfrontierten leute automatisch besser geschult, trainiert und vorbereitet werden, bestatigt sich ( mir !!! ) nur zum teil.
das gilt nun überwiegend für norwegen, wo ich nun mal den allergrässten teil meines bisherigen (pflege)berufsleben zugebracht habe.
Aber auch in deutschland habe ich beispielsweise währende des psychiatrie-einsatzes während der ausbildung keinerlei training zur handhabe von konflikt- und/oder gewaltsituationen erfahren.
Bereits am ersten tag wurde ich als schüler wie selbstverständlich zur alarmsituation auf eine andere station geschickt, um den dort anwesenden pflegekräfte bei der überwältigung und fixierung eines hochgradig psychotischem randalierenden patienten zu helfen.
wahrschlich dachten alle beteiligten, dass ich als grosser und kräftig gebauter mann " dass schon irgdenwie hinbekomme" und etwaige blessuren dann auch problemlos wegstecke - was soweit auch zutraf - zielführend ist sowas allerdings nicht.....
 

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