Fragen zu Burnout in der Palliativpflege

Lisa55

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18.11.2008
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Hallo ich bin 24 Jahre alt und bin auf dieses tolle Forum gestoßen.

Ich schreibe gerade eine Diplomarbeit über Burnout in der Pflege.(genauer: auf der Palliativstation) Die Theorie ist fertig, jetzt brauche ich noch ein bißchen eure Praxiserfahrung.

Es wäre schön von Euch, wenn ihr mir eure Erfahrungen mitteilen würdet?

Meine konkreten Fragen lauten:

1) Ist es der Pfleger / Patientkontakt ein Einseitiges Geben?

2) Wie ist eure Zufriedenheit / Unzufriedenheit in eueren Beruf?

3) Was sind die Werte eines Pflegers?

4) Welche Auswirkung auf Euch hat es wenn ein Patient stirbt?

Vielen Dank im Vorraus.
Lisa
 
Ist es zu schwer zum Antworten?
Schade dass sich keiner meldet....
 
Hi Lisa bin gerade mal so über dein Thema gestolpert und ich denke du weißt um den Umstand: "Die Kälteelipse nach Adorno" (oder "Cooldown im Pflegealltag)" - nachzulesen in: Negt, Oskar, Kältestrom, Goettigen 1994, S.13. Wobei ich dazu sagen muss das Informationen zur Kälteelipse nur sperlich im Internet zu finden sind.

Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine Studie die sich mit den Bewältigungsstrategien im Pflegealltag beschäftigt, nämlich die Alternative zum Burn- Out- Syndrom. Inhaltlich jetzt alles wiederzukäuen wäre etwas viel, aber vlt. hilfts dir ja weiter, wenn du die Studie noch nicht kennst.

Zu deinen Fragen kann ich folgendes sagen:

1) Ist es der Pfleger / Patientkontakt ein Einseitiges Geben?
Pauschal ist diese Frage meiner Meinung nach nicht zu beantworten, da die Standardisierung in der Pflege zwar eine große Rolle spiel, jedoch jeder Patient als Individuum gepflegt wird* (kann man ja auch in jedweder Pflegetheorie nachlesen, ob im Juchlie-, Roper-, Handerson- Komplex o. Bedürfnistheoretisch bei Maslow).
Geben als Pflegekraft finde ich ist auch vom Schweregrad der Erkrankung abhängig, da ich mal gelernt habe, das man einen Patienten da abholen muss wo er sich befindet nach dem Sprichwort:

"Wer weniger gibt als nötig ist ein Dieb;
Wer mehr gibt als nötig ist ein Mörder"


* Demnach ist auch die Reaktion des Patienten in der außergewöhnlichen Lage "Krankenhausaufenthalt" und überhaupt, erkrankt sein mit der Folge eines Krankenhausaufenthaltes, individuell (Bezug: Coping- strategien u. Sence of chherence nach Antonovski). Damit will ich auch sagen, das mit zunehmender Pflegebedürftigkeit und schwere der Erkrankung (pauschal) auch die Pflegeintensität steigt (zeitlich teilweise nichtmal zu bewältigen ist) und somit wiederum die Herausforderung effizient zu pflegen.

Zusammengefasst will ich damit sagen:
- Wir als Pflegekräfte (das beinhaltet die Frage ja schon) geben ohnehin
- Ob der Patient uns hingegen etwas gibt (z.B. Anerkennung: "Das Gefühl etwas Gutes getan zu haben bzw.") ist abhängig davon ob wir den Patienten "da abgeholt haben wo er sich befindet" - sprich: Gute Pflege geleistet haben (Ausnahme: Patienten die man nicht erreichen kann)
- Es ist demnach auch immer von der Pflegekraft selbst abhängig, ob Pflegen ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist (unter Berücksichtigung der strukturellen und wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Institution sowie der Zielsetzung selbiger [Bezug: z.B. Hospiz gegenüber einer chirurgischen Abtl. im KKH])

Puu... hab jetz schon soviel geschrieben ich geh jetzt nochmal schlafen ^^, vlt. konnte ich ja etwas zu deinen offenen Fragen beitragen

P.s.: Es handelt sich bei der Schilderung um meine persönlichen Empfindungen > Diskurs von daher zwecklos :mrgreen:
 
Prof. Dr. phil. Karin Kersting

„Coolout im Pflegealltag“, in: Pflege & Gesellschaft, 3/1999, S. 53-60

„Die ethisch legitimierte Verwaltung des Mangels in der Pflege“ , in: Pflege & Gesellschaft, 3/2000, S. 67-75

„Vom Ausbrennen und Kaltwerden“, in: Pädagogische Korrespondenz. Zeitschrift für kritische Zeitdiagnostik in Pädagogik und Gesellschaft, Heft 27 Frühjahr 2001, S. 74-93

„Moralische Desensibilisierung im Pflegealltag“, in: Tagungsband 3rd International Conference Nursing and Nursing Science, Nürnberg April 2001

„Berufsbildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Eine Studie zur moralischen Desensibilisierung“, Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen 2002



Prof. Dr. Andreas Gruschka

Wie lernt man, kalt zu werden?



Gruschka, Denecke, Heinrich, Pollmanns

Forschungsprojekt
Bürgerliche Kälte und Gesellschaft

Elisabeth
 
Hallo Lisa,
ich möchte Dir auf deine Fragen antworten, ich arbeite seit 24 Jahren auf Kinder- und Frühgeborenenintensivstationen. Wir haben viele Palliativbetreuungen, die natürlich selten als solche genannt werden.

1.Es verändert sich im Laufe der Betreuung.Zu Anfang ist es oft ein Geben von der Pflege( Akutphase).In der Sterbephase, sogar schon früher, fällt man als Pflege in die einzelnen Trauerphasen. Der eine mehr, der andere weniger oder ich würde sogar sagen, der eine zeigt es, der andere eben nicht. Oft erfährt man dann Trost von den Patienten oder Angehörigen.
Auf jedenfall ist es immer ein Geben und Nehmen, selbst die Wut, Angst und auch der Hass auf das Unabänderliche.

2.die Zufriedenheit ist bei mir hoch,vorallen was die Patienten betrifft.Da gäbe es viel zum Schreiben.
..die Unzufriedenheit liegt viel in den Denkweisen und Organisationsstrukturen.
Stationsleitungen die sich hauptsächlich mit den finanziellen Dingen rum schlagen müssen - die dann keine Energie mehr für ihre Mitarbeiter haben- nur eine schnelle Schwester/Pfleger ist eine gute Kraft.

3.der Patient und seine nahen Bezugspersonen(Eltern,Geschwister und Freunde) sind der Mittelpunkt, ihn da abholen wo er steht und bereit ist mit zu machen(NOTsituationen ausgenommen).
Sicheres und ethisches Arbeiten(keine Gewalt, nicht krank arbeiten gehen) Weiterbildung,
und der Erhalt meiner Arbeitskraft und nebenbei meine Lebensfreude.


4. obwohl ich die Last immer wieder spüre und jetzt nach den vielen Jahren, immer öfter grade von der Intensiv wegmöchte. Die für mich klare Phase der Palliativsituation finde ich unbelastender, als der Zeitdruck/ der Arztstress in den Akutphase.
Manchmal empfinde ich unendliche Traurigkeit vorallen für die Eltern u.a.,
manchmal die Erleichterung. Leben müssen- geht manchmal an die Grenzen der Belastbarkeit.
Wenn Ärzte in der Sterbephase mit aushalten, fühle ich mich wohler,der Patient ist dann ein ganzes, mit der Hoffnung die war und der Gewissheit die geht. Ich will nicht nur Handlanger sein und die Ärzte sollen alle Wege mitgehen.
Manchmal empfinde ich nichts, da habe ich kein Mitgefühl für die Angehörigen, egal wie sie weinen.
So ein Verhalten würde mich sorgen, wenn es öfter wäre.
Nur gut das ich weiss, das wir Pflegende alle Arten von Trauer in uns haben.

hoffentlich schreiben dir noch mehr über ihre Erfahrungen,
kurz kann man so ein Thema nicht wirklich machen

liebe grüsse madlen
 
1) Der Pflege-Patientenkontakt (ich würde hier auch noch den Part der Angehörigen mit hinein nehmen) ist in den meisten Fällen ein beidseitiges Geben. Ich bekomme viel vom Patienten zurück: Freundlichkeit, Wertschätzung, Dankbarkeit, Erfolgserlebnisse... Es gibt auch mal Patienten oder Angehörigen, die nur fordern können, die nie zufriedenzustellen sind, aber ich behaupte, dass Du solche Problempatienten in jedem Bereich finden kannst.

2) Ich arbeite seit meinen Examen im Palliativbereich und habe - nachdem sich die Atmosphäre bei meinem alten Arbeitgeber verschlechtert hatte - auf eine zweite Palliativstation gewechselt. Beantwortet das deine Frage, ob ich in dem Bereich zufrieden bin?

Gerade das patientenzentrierte Arbeiten, dass auf Palliativstation besser als auf Normal- oder gar Intensivstationen möglich ist, bewirkt die hohe Zufriedenheit bei mir. Unzufriedenheit und Frust entstehen wesentlich häufiger durch nicht-patientenbezogene Probleme wie Überstunden, Überlastung, Ärger mit Ärzten oder PDL - was wieder nicht spezifisch für eine Palliativstation ist.

3) Ich kann nur sagen, was meine Werte sind. Lebensqualität und Patientenautonomie kommen bei mir an erster Stelle.

4) Das kommt sehr auf die Situation an, ob ich den Patienten kannte oder nicht, ob ich anwesend war, wie das Sterben ablief. Besonders belastend sind für mich immer noch (nach neun Jahren!) Patienten, die plötzlich und unerwartet versterben. Für die Patienten ist das möglicherweise angenehmer, aber ich kann besser damit umgehen, wenn sich das Sterben ankündigt.
 

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