Erlebnisse mit Patienten

M!aren

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Gesundheits- und Krankenpflegerin
Ich empfinde es als Vorrecht mit hochbetagten Menschen arbeiten zu dürfen. Was haben sie nicht alles erlebt und es ist oft extrem interessant, was sie erzählen und berichten. Manches ist ja auch sehr lustig, was wir mit ihnen erleben.
Gibt es hier einen Thread wo man solche Erlebnisse teilen kann ?

zB letzte Woche klagte ein 93 jähriger Patient, er habe solche Schmerzen ...
Auf meine Frage seit wann er die habe ? (Ich wollte es für den Schmerzbogen erfassen)
antwortete er "seit 70 Jahren !"
Auf der einen Seite lustig, aber auch sehr sehr traurig. er mußte als 17 jähriger in den Krieg, geriet in Gefangenschaft und vegetierte dann monatelang in den Rheinauen. Dort waren sie unter freiem Himmel "untergebracht", es regnete viel und war sehr kalt. Sie schliefen im Schlamm.
Auf meine Frage was ihm denn helfe gegen die Schmerzen ? Bekam ich folgende Auskunft :
In einem nahegelegnen Dorf waren Zigeuner seßhaft gemacht worden. Sie waren sehr arm und hielten an manchen ihrer Gewohnheiten fest, zB Katzen zu verzehren. Von ihnen hat er eine sehr gut genähte ( wie er betonte) Unterdecke aus Katzenfellen gekauft. Ein paar Nächte darauf geschlafen und er hatte keine Schmerzen mehr. Aber heute bekommt man so was ja nirgends !
(Was wohl die Sachbearbeiterin von der AOK für ein Gesicht bei so einem Antrag machen würde ?!)

Oder eine andere Patientin, die erzählte, ihr Vater habe es geschafft, durch die Nazizeit zu kommen ohne den Hitlergruß zu machen.
Sie waren viele Kinder und wenn die Situation kam , dass er den Hitlergruß hätte machen müssen, nahm er wohl ganz schnell Kinder auf den Arm-

Habt ihr auch solche Erlebnisse erzählt bekommen ?
 
Jetzt nicht von den Patienten selber sondern von Kollegen.

2 Kollegen die ich während meiner Ausbildung kennen lernen durfte erzählten das sie im Kosovokrieg waren.
Beide wurden aktiv beschossen und extrem schlecht behandelt. Ich weiß nicht genau wer und wie. Aber sie gehörten Minderheiten an und wurden einfach genommen und wie Vieh behandelt um für andere den Krieg zu führen. Spurten sie nicht stand schon einer mit dem Gewehr im Anschlag das auf sie zielte. Entführungen von ihnen, der Familie und Landsmännern gehörte da zu Alltag.
Darauf hin sind sie nach Deutschland geflohen. Sie hatten beide Pflichtdienst und galten ab dem Moment als Fahnenflüchtig und wurden gesucht.

Beide haben bis zu 2 Jahrzehnte ihre Familie nicht sehen können bzw. kontakt aufnehmen weil sie gesucht wurden. Das endete erst mit ende des Kriegs.

Da läuft es mir kalt den Rücken runter. Beides sehr lebensbejahende Menschen und wirklich wundervoll Kollegen. Sehr sympathische Menschen die um andere Menschen sehr bemüht sind.

Ich finde es immer sehr eigenartig mit Menschen zu sprechen die Krieg miterlebt haben. Etwas wovor ich fürchterliche Angst habe und so froh bin das bis heute nicht selber erlebt haben zu müssen. Aber auch sonst führt mir der Job vieles vor Augen wofür ich sehr dankbar bin. Und das ist mein Freies Leben, Die Bildung, meine Gesundheit, die sichere Umgebung, Warmes Wasser, eine Toilette im Haus, genug zu essen und vieles mehr.
 
Ja, durch solche Begegnungen wird aus den abstrakten Informationen die wir so haben auf einmal ganz konkretes nahes Schicksal...

Man sagt doch aus so scherzhaft "Ich habe mir den ***** abgefroren..."
Ich hatte einen Patienten, dem ist das in Russland im Krieg wirklich so passiert. Das Leben lang
Schmerzen und Probleme mit der Haut in diesem Bereich.
 
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Der Kosovokrieg
2 Kollegen die ich während meiner Ausbildung kennen lernen durfte erzählten das sie im Kosovokrieg waren. (...)

Beide haben bis zu 2 Jahrzehnte ihre Familie nicht sehen können bzw. kontakt aufnehmen weil sie gesucht wurden. Das endete erst mit ende des Kriegs.
Da der Kosovokrieg keine anderthalb Jahre dauerte, kann da was nicht stimmen.
 
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Offiziell ja, nur was davor und danach war wird oft nicht wahrgenommen :(
Davor und danach ist ganz schön was abgegangen. Vor allem Dinge von denen nicht berichtet wurde. Eben wie die Verschleppung von Minderheiten.

Ganz genau bekomme ich das nicht zusammen. Da gab es ja auch sonst reichlich Unruhen.
Es ging um die gesamten Balkankonflikte.
 
Da der Kosovokrieg keine anderthalb Jahre dauerte, kann da was nicht stimmen.

"Jahrzehnte" werte ich als Tippfehler. Gemeint waren vermutlich "Jahre".
(Oder auch nicht ?!?)

Der Konflikt schwelt heute noch.
Es sind nicht nur politische, territoriale und ethnische Differenzen.
Da sind keine fremden Völker aufeinander losgegangen, sondern oft Nachbarn, Verwandte und Bekannte. Besonders die Vertreibung/ethnische Säuberung wird noch viele von der Heimkehr abhalten (So oder So:!:)
 
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"Jahrzehnte" werte ich als Tippfehler. Gemeint waren vermutlich "Jahre".
(Oder auch nicht ?!?)

Es sind tatsächlich Jahrzehnte. In Albanien/Kosovo ging es schon 1981 hoch her, wir aber noch nicht offiziell unter „Jugoslawienkrieg“ geführt. Offiziell ging es dann 1991 los und endete offiziell 2003, die Unruhen gibt es aber in einigen Teilen bis heute leider..

Das mit den Freunden und Nachbarn stimmt zu 100 %. Mein Vater erzählt immer wieder wie er und sein bester Freund sich über Funk unterhalten haben, dabei lagen sie in verschiedenen Lagern und warteten auf den Befehl sich gegenseitig angreifen zu müssen. Das Land, vor allem die Leute haben viel Leid gesehen. Mein Opa ist regelmäßig im Knast gelandet weil er irgendwelche Befehle verweigert hat.
 
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Ja, durch solche Begegnungen wird aus den abstrakten Informationen die wir so haben auf einmal ganz konkretes nahes Schicksal...

Man sagt doch aus so scherzhaft "Ich habe mir den ***** abgefroren..."
Ich hatte einen Patienten, dem ist das in Russland im Krieg wirklich so passiert. Das Leben lang
Schmerzen und Probleme mit der Haut in diesem Bereich.

Ich finde gerade der Krieg und auch die Nachkriegszeit hat unser Klientel geprägt.
Das dürfen wir nicht vergessen.
Meine Oma hat die schwersten Luftangriffe in Deutschland miterlebt. Gewitter fand die gar nicht lustig.
 
Patienten, die sich ihren schwäbischen Akzent bewahrt haben (ich nicht :-() fixen mich immer an und ich frag gern nach, sowieso wenn ich primär zuständig bin.
Da war also die verwitwete Dame aus einem sehr ländlichen Ort im benachbarten Landkreis - die normalerweise in einem anderen KH gelandet wäre.
In der Aufnahmenacht war sie noch klar, in der Folgenacht nicht mehr. Hauptbezugsperson - meine Kollegin.
Bin dann dazugekommen um zu helfen und noch geblieben. Hab die Patientin befragt wo sie denn ursprünglich herkomme/ "wo isch se denn au her?"
Sie kam aus dem Bodenseeraum. Nicht ganz mein Eck, aber immerhin - nicht gänzlich hoffnungslos.
...und wie es sie denn hierher verschlagen habe. Hat sie erzählt. Er hat sie in ihrem Umfeld getroffen und sie ist mit zu ihm gezogen. Das hat mir schon ordentlich Respekt abgenötigt. O.k., "Hot 'se dr Lomb midgnomma!" Der Lump (keineswegs nur negativ - wie hier) hat sie mitgenommen - worauf sie gelächelt hat. Prima! Also hab ich jeden möglichen Käse, nach bestem Wissen auf schwäbisch dahergschwätzt, um sie etwas abzulenken, zu beruhigen. Was auch was gebracht hat. Im Hintergrund (weit genug weg) hab ich meine Kollegin lachen hören, ob des verwunderlichen Dialektes....
Da wo sie herkam UND wo sie hinzogen ist: Obstanbaugebiet, da hat es viele Helfer gebraucht.
Mein falk Planer gibt dazu an, dass die Entfernung mit den heutigen Straßenwegen 365km sind. Nach früheren Maßstäben: Welten.
Viele Heimatbesuche waren da wohl nicht drin, wenn überhaupt :cry:. Mutige Frau.

Meine eigene Mutter war 3 als sie mit ihre vielköpfigen Familie aus Tschechien flüchten musste, sie selbst hat kaum Erinnerungen - aber meine Onkel, die da schon älter waren schon. Armut, Ängste - mündeten in der Vorsorge, z.B. bei uns in einem gerammelt vollen Vorratskeller, inkl. 2 (!) allzeit gut gefüllten, mannshohen Gefrierschränken.
Daran denk ich manchmal, wenn ich Nachttische ausräume und die gestopft voll sind, mit hartgewordenem Brot, ranziger Butter/ Wurst/ Käse, weiterem und es zu Protesten kommt, wenn ich das - berechtigt - entsorgen will. Man hat nix weggeworfen, es gab ja so wenig.

Die andere Gegebenheit ist weniger erfreulich.
Während einer Waschhilfe am Waschbecken auf der C in Zimmer 4 (sitzt noch) schwärmt mir der betagte Herr vor, wie toll die früheren Zeiten doch waren.
Er fängt an aufzuzählen, ja auch die Gesundheitsversorgung sei viel besser gewesen - wtf?
Ich hätt tief durchatmen sollen, raus gehen, was auch immer....statt dessen hab ich ihn im verschärften Ton gefragt ob er den ganzen Rest (...) denn auch gerne wieder hätte und gern wieder so leben würde wie zu DER Zeit. Darauf ist er richtig laut und stinkig geworden. Mir hat's auch gereicht. Der Mann war NICHT dement. Ich weiß nicht, was ihn dazu veranlasst hat, mir von der Nazizeit vorzuschwärmen. Von mir gab's dazu -definitiv-keinen Anlass.
 
Ja, das mit dem Horten kenne ich auch...
Mein Vater ist 96, hat die russische Kriegsgefangenschaft hinter sich ... und bei uns im Keller steht schon immer ein großes Paket mit Kerzen und eines mit Seife. Neben natürlich reichlichen Essensvorräten.

Eine Patientin, sie ist in den letzten Monaten so dement geworden, dass sie es mir jetzt nicht mehr erzählen könnte... berichtete,
Als die Amis in ihr Dorf einmarschierten, holte der Kommandant ihren Vater zu sich und zeigte ihm eine Liste. Nach der hätte er mit der ganzen Familie an dem Tag an dem die Amis kamen erschossen werden sollen.
Der Kommandant wollte eigentlich das Dorf erst am nächsten Tag erobern, aber entschloss sich dann doch noch dieses eine einzunehmen.
Das sind Erlebnisse, da
 

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