DNR: Was darf ein Arzt?

divinoo

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14.10.2013
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Hallo,

ich habe folgende Frage:

Es ist sicherlich allen der Begriff DNR - Do not resusciate, 'Nicht Reanimieren' ein Begriff. In meinem Krankenhaus ist es immer öfter der Fall, dass ein Arzt, vorwiegend Internist, ein DNR 'anordnet', der Patient aber weder eine Verfügung hat, noch mit ihm oder seinen Angehörigen darüber gesprochen wurde.

Für mich erstmal total unbegreiflich und zuersteinmal in die Kategorie Euthanasie/Mord/Sterbehilfe einzuordnen.

Jetzt ist es aber doch so, dass sofern von mir eine Reanimation begonnen wurde, der Arzt entscheiden darf, wann diese abzubrechen bzw. wie weiter vorzugehen ist.

Obliegt ihm deshalb auch die Freiheit zu sagen: 'Wir reanimieren garnicht mehr?', also ein DNR anzuordnen.

Ich bin persönlich nämlich der Meinung, dass ein Arzt doch nicht einfach per DNR-Anordnung bestimmen darf, wer lebt und wer nicht?


Vielen Dank für die Hilfe.
 
Zuerst einmal: Eine Entscheidung darüber, ob reanimiert wird oder nicht, ist nicht gleichbedeutend mit der Entscheidung, ob jemand lebt oder stirbt. Nicht jeder Patient wird reanimationspflichtig, und nicht jede Reanimation ist erfolgreich. Diese Entscheidung trifft eine höhere Instanz...

Abgesehen davon fände ich eine solche Anordnung ohne Information von Patient oder Angehörigen ebenso befremdlich wie Du. Bei einer solchen Anordnung sollte doch eine infauste Prognose vorliegen, die den Sinn einer Reanimation in Frage stellt - und der Patient hätte ein Recht darauf, dies zu erfahren.

Auf meiner Palliativstation wird grundsätzlich kein Patient reanimiert - aber das erfahren die Patienten. Und in dem Stadium wollen dies auch die wenigsten. (Und die, die es doch wollen, lassen sich nicht bei uns aufnehmen.)

Habt Ihr mal mit dem Arzt über sein Vorgehen gesprochen? Warum klärt er die Patienten nicht auf?
 
Hallo,


Es ist sicherlich allen der Begriff DNR - Do not resusciate, 'Nicht Reanimieren' ein Begriff. In meinem Krankenhaus ist es immer öfter der Fall, dass ein Arzt, vorwiegend Internist, ein DNR 'anordnet', der Patient aber weder eine Verfügung hat, noch mit ihm oder seinen Angehörigen darüber gesprochen wurde.

Für mich erstmal total unbegreiflich und zuersteinmal in die Kategorie Euthanasie/Mord/Sterbehilfe einzuordnen.

Bei uns immer eine Oberarzt/Stationsärzte/Patienten/Angehörigen "zusammen" Festlegung. Der Hinweis,das darüber gesprochen werden sollte,kommt nicht selten vom Pflegepersonal. Der Wunsch nicht reanimiert zu werden und nicht beatmet werden zu wollen,(das kann auch eine Verlegung auf die Intensiv Station ausschließen) von den Patient/innen.Ich beziehe mich hier auf Schwerst-bzw Unheilbar-Krebskranke.
Ein Festlegen nur durch einen Stationsarzt undenkbar.
 
DNR... wenn ich diese 3 Buchstaben schon höre, dann muss ich mein Handeln immer wieder stark hinterfragen.

In deinem Fall: Wiederbeleben oder nicht? Absaugen oder nicht? Beatmen oder nicht? Lebensrettende Medikamente geben oder nicht?... das ist schon schwierig genug!

Schlussendlich hat de Arzt das Sagen, aber wir Pflegenden haben eine "Garantenpflicht", denn: Würde dieser Arzt das bei einer 30-jährigen Patientin machen, was dann? Er spricht nicht mit den Angehörigen, nicht mit dem Team und vorallem nicht mit dem Patienten, er verhält sich maximal unprofessionell. sucht das Gespräch, fragt nach seinen Beweggründen, die sicherlich triftig sein werden. Du brauchst Informationen.

Aber ich versthee Menschen,die nicht wiederbelebt werden wollen. Das ganze ist wider der Natur. Natürlich stehen die Heilungschancen nicht schlecht, aber dem Risiko einer Reanimation würde ich mich persönlich (später) auch nicht aussetzen lassen wollen :P
 
Wie ich deinem ersten Post hier im Forum entnehmen konnte, hast du vor wenigen Wochen dein Examen bestanden und sofort auf der Intensiv eine Stelle gefunden.

Du solltest dringend das Gespräch suchen und deine Sichtweise mit der Stationsleitung besprechen. Ich finde deine Aussage " Kategorie Euthanasie/Mord/Sterbehilfe" sehr bedenklich. Es scheint, als wenn du von solchen Entscheidungen überrannt wirst, man dir Informationen vorenthält und du somit zu einer falschen Einschätzung der Situation kommst.

Elisabeth
 
Aber ich versthee Menschen,die nicht wiederbelebt werden wollen. Das ganze ist wider der Natur. Natürlich stehen die Heilungschancen nicht schlecht, aber dem Risiko einer Reanimation würde ich mich persönlich (später) auch nicht aussetzen lassen wollen :P
Wenn du auf ITS unter laufendem Monitoring einen Herzstillstand hast, bin ich als Pfleger nach spätestens ner halben Minute am Bett und kann professionell drücken, im besten Fall noch unter Blutdruckkontrolle und paar Sekunden später ist jemand da mit Maske bebeutelt. Das ist eine ganz andere Situation als z.B. im Alltag oder auf Normalstation, wo ja meist sehr viel mehr Zeit vergeht, bis jemand mit Drücken anfängt. Das heisst, bei uns sterben erstmal keine Gehirnzellen ab, selbst wenn wir ne halbe Stunde reanimieren, kannste sowas ohne neurologische Schäden überstehen, weil wir ja nur ne halbe Minute lang die Hirnzellen nicht versorgt haben.
Im optimalen Fall ist man innerhalb von paar Sekunden am Bett und drückt sofort los. Dann springt das Herz meist sofort wieder an, ist wie ein warmer Motor. Ich hatte schon Reanimationen, da drückte ich nur 10-15Sekunden und dann war der Kreislauf wieder da. 2 Minuten später war der Patient wieder putzmunter und fragte war los war: "Ihr Herz war wieder stehen geblieben." - "Ach, schon wieder." - " Sie nehmen das ja ziemlich locker." - "Na Sie haben mir doch gesagt, ich bin hier in guten Händen". :D

EDIT:

Nochmal zur Frage, klar darf ein Arzt das alleine festlegen. Allerdings ist es halt immer sehr heikel, die meisten scheuen sich. Machen bei uns eigentlich nur Oberärzte, und wenn es Assistenzärzte machen müssen, dann machen die ne kurze Rücksprache mit einem Mitglied der Ethikkommission, welches ständig erreichbar ist. Wir haben auch schon bei Patient 94J mit Kleinhirnblutung die Behandlung verweigert und sind palliativ vorgegangen, gegen den Willen der Angehörigen, da wurde allerdings kliniksintern heftig rumtelefoniert. Bis jetzt keine Konsequenzen.
 
Als die Patientenverfügung noch kein Thema war, wurde sowas vom Arzt entschieden und m.E. lief das gut. Heute gilt die (schriftliche) Willenserklärung des Patienten und wenn´s keine gibt, wird eben reanimiert. Und dann reanimierst Du auch den multimorbiden Neunzigjährigen.
Ich habe es oft erlebt, daß Angehörige es nicht wahrhaben wollen, daß ihr Vater/Opa/Mann sterben könnte. "Herr Doktor, machen Sie alles. Er hat doch noch so aktiv am Leben teilgenommen."
Und dann guckst Du in die Anamnese und fragst Dich: Wie?
Patienten- und Angehörigenwünsche FÜR intensivmedizinische Maßnahmen sind, wie mir mehrere Ärzte sagten, nur zu beachten, falls sie ethisch vertretbar sind. Sie nicht zu beachten, ist aber riskant, denn die Hinterbliebenen könnten klagen.
In einem alten (achtziger Jahre) Lehrbuch über Reanimationen, das ich kürzlich entsorgt habe, stand sinngemäß: Eine Reanimation wird begonnen, wenn der Tod zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten war.
Davon sind wir inzwischen ganz weit weg. Wer sich nicht wehrt, wird reanimiert; egal, wie alt er ist.
Wir verschaffen Lebensjahre, nicht unbedingt Lebensqualität.
 

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