Das hätte schief gehen können

carmen

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22.07.2002
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Hi,

vorige Woche Samstag, um 11.55 Uhr, hatten wir mal wieder einen klassischen Notfall.
Natürlich passieren Notfälle meist, wenn das wenigste Personal auf Stat. arbeitet. Wir waren 3.,ein Schüler 3. Kurs und 2 langjährige KS.
Eine Pat. sollte wegen anhaltender Schmerzen 50mg Dolantin s.c. erhalten.
Wie angeordnet, so getan.
10 min nach dem Spritzen kam die Tochter der Pat., welche zum Glück gerade bei der Pat. war, auf den Flur und sagte mir, dass es ihrer Mutter irgendwie nicht so gut ginge.
Also RR Gerät geschnappt und rein zur Pat.
Auf den ersten Blick war zu sehen, dass die Pat. in einer absoluten Krise steckte.
Alarm ausgelöst, uber den Flur Notfall geschrien und dann ging Alles ganz schnell. Die Mitpat. wurden aus dem Zimmer geschickt, ebenfalls die Tochter der Pat.
Aber, was war nun mit der Pat.?
Sie war ohne RR, dafür Tachycard, dyspnoeisch, nicht ansprechbar mit Nystagmus und kaltschweißig. Das EKG ergab, dass sie im Kammerflimmern war. Der behandelnde Arzt, rief das Notfallteam an, da wir 3 Pflegekräfte nicht abkömmlich waren.
Haben nach Anordnung Medis aufgezogen, 02 geholt, Infusionen angeschlossen, etc. pp.
Das Notfallteam brauchte so um die 5 min, bis sie da waren, weil die ITV in einem ganz anderen Gebäude als unsere Stat. liegt.
Sehr sinnig, wie ich mal bemerken möchte.
Jedenfalls war es dann so, dass alle Beteiligten die Pat. wieder stabil bekamen, sie einen Narloxanperfusor erhielt (Antidot von Dolantin) und Sitzwache durch den Schüler. Natürlich laufende Vitalzeichenkontrollen und Händchen halten. Zum Glück ist unser Schüler auch Rettungsassistent.
Die Pat. erholte sich zusehends und Alle waren froh.
Dann ging es daran, die Tochter der Pat. zu beruhigen und auch die Mitpat.
Das gesamte Stationspersonal war für mehr als 1h mit der Notfallsituation beschäftigt.
Wir sind so froh, dass die Tochter der Pat. die Veränderung ihrer Mutter registrierte und Bescheid sagte. Wäre das nicht der Fall gewesen, würde die Pat. nicht mehr leben.
Sie hatte auf das Dolantin mit einem anaphylaktischen Schock der schlimmsten Sorte reagiert.

Und stellt Euch vor, natürlich sind während des Notfalls sehr viele Klingeln runter gegangen, doch wir konnten uns um nix weiter kümmern, als der Pat. das Leben zu retten.
Als meine Koll. und ich wieder frei waren, um die Klingeln abzuarbeiten, bekamen wir pures Unverständnis von den klingelnden Pat., denen die Zeitung runter gefallen war oder das Kissen neu aufgeschüttelt werden sollte, die Brille geputzt werden müsse und sowas.
Doch meine Koll. und ich blieben freundlich und ruhig zu den Pat., welche uns da so "dringend" brauchten, als wir nicht abkömmlich waren.

Was wir allerdings dachten, das möchte ich lieber nicht schreiben :wink:

Carmen
 
Hat dieser Beitrag irgendetwas mit dem heutigen Datum zu tun? 8O
Eine derart heftige Reaktion auf 50 mg Dolantin kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen :wink: :wink:
 
Hi KaTo,

kann nur das schreiben, worauf die Ärzte tippten.
Nämlich auf einen anaphylaktischen Schock auf diese 50mg Dolantin s.c.
Ein Mediziner bin ich nicht und deshalb muß ich den Diagnosestellungen der Ärzte vertrauen.

Carmen
 
Hi Carmen
ich bin und bleibe auch Wärter und kein Mediziner, aber Naloxonhydrchlorid ist eindeutig ein Opiatantagonist. Bei einer anaphylaktischen Reaktion würde ich Corticosteroide und H1- ; H2 - Blocker erwarten, deshalb meine Skepsis.
 
carmen schrieb:
Jedenfalls war es dann so, dass alle Beteiligten die Pat. wieder stabil bekamen, sie einen Narloxanperfusor erhielt (Antidot von Dolantin) und Sitzwache durch den Schüler. Natürlich laufende Vitalzeichenkontrollen und Händchen halten. Zum Glück ist unser Schüler auch Rettungsassistent.
Die Pat. erholte sich zusehends und Alle waren froh.

Hallo Carmen!

Drucklose Patientin im Kammerflimmern wird von euch 1 Stunde notfallmäßig bearbeitet, erhält danach einen Naloxonperfusor und Sitzwache durch einen Schüler.
Klingt tatsächlich nach einem Aprilscherz, KaTo.

Carmen, ich hoffe, du löst das auf! Wenn ich dir unrecht tue, dann entschuldige ich mich schon jetzt! :wink:

Gruß,
Trine
 
Wenn ich das so lese, bin ich einfach mal nur wieder froh, nicht mehr im KH zu arbeiten...(zumal wir im ambulanten Bereich GANZ ALLEIN beim Pat. sind, aber es klingelt sonst niemand und will irgendwas...)!
Ich kenne solche Notfälle, ich erinnere mich auch an einen Fall, als ich noch im KH tätig war: ein Pat. kam per Einweisung zur Hämorrhoiden-OP für nächsten Tag. Ist ja ein relativ kleiner Eingriff, braucht keine grössere Vorbereitung und der Pat. war fit und mobil.
Wir waren zu dritt im Spätdienst, der Pat. hatte ein Dreibettzimmer, der eine Mitpat. war ans Bett gebunden mit TVT am Heparinperfusor, der andere ebenfalls bettlägrig.
Wir teilten gerade das Abendessen aus, als die Kollegin aus diesem Zimmer Alarm klingelte und "Notfall" schrie. Unsere Stationsleitung teilte gemütlich das Essen weiter aus und guckte nur dumm...das mal nur nebenbei, sie hat erst etwas später gemerkt was los war...ich rannte sofort hin und sah dass der besagte Pat. eingekeilt in der Toilette zw. Klo und Wand lag und meine Kollegin das nur mit bekam weil sein Hörgerät pfeifte. Seine Mitpat. haben gar nichts mitgekriegt. Es wurden sofort alle Massnahmen eingeleitet, der Pat. wurde verlegt in eine spezielle Klinik wo er auch starb. Er hatte eine subdurale Blutung! Und er war noch bei der Aufnahme absolut unauffällig bzw. nach solchen mobilen Pat. schaut man ja auch nicht unbedingt so nach wie bei anderen. Nachmittags war auch noch alles okay! Jedenfalls haben die Mitpat., die das offenbar nicht so ganz verstanden was da los ist, nichts besseres zu tun gehabt als uns irgendwelche Aufgaben zu übertragen: Bettpfanne, Tee, Schmerztablette etc., und die haben auch Mordstheater gemacht wenn wir nicht gesprungen sind. Wir haben uns dann kurzfristig abgesprochen, das zwei beim Notfall helfen und einer die Station macht. Ich weiss wie das ist, Carmen, nur dieser Pat. hat es leider nicht geschafft.
LG
Trisha
 
Hallo Carmen !

Solche Reaktionen auf vergleichsweise geringe Dosen sind schon heftig.
Sie war ohne RR, dafür Tachycard, dyspnoeisch, nicht ansprechbar mit Nystagmus und kaltschweißig
Pethidin ist ja ein Opiat, von daher sind vagotrope Symptome (Vasodilatation, Hypotonie usw.) typisch.
Reflextachycardien (als folge eines "Nullblutdrucks) sind dann auch nicht unüblich, können aber auch Zeichen der anticholinergen Wirkung sein.

aber Naloxonhydrchlorid ist eindeutig ein Opiatantagonist. Bei einer anaphylaktischen Reaktion würde ich Corticosteroide
hmm ... bei einer anaphylaktischen Reaktion ist - egal um welchen Stoff es sich handelt - oberstes Gebot, den Allergieauslösenden Stoff zu eliminieren.
Dies gelingt am ehesten mit Naloxon (andere sind : Levallorphan oder Nalorphin), und ist somit bestens geeignet zur Therapie dieses Zustandes.

Im übrigen ist eine Überdosierung auch mit den geringen Mengen möglich.
Bei Leberzirrhose kann die Halbwertszeit verlängert werden, bei Niereninsuffizienz kommt es zu Akkumulation insbesondere des Metaboliten Norpethidin. Dies kann zu Symptomen der Überdosierung fuehren.
Kompendium der Schweiz

Liebe Grüsse
Dirk
 
Äh, geht es jetzt um die Reaktion auf Dolantin oder um die von Carmen geschilderte Situation an sich? Vielleicht sollte man einfach das Thema ins Forum "Pharmakologie " verschieben, wenn es hier um Medikamenten(-neben)wirkungen geht...
Trisha
 
Sorry .. natürlich geht es um die Situation !

Habe nur in diese Richtung ausholen wollen, da ja unter anderem auch über die winzig kleine Menge des Medikamentes diskutiert wurde.

Bin da ein wenig vom Thema abgekommen - Sorry

Dirk
 
Hallo Carmen!
Ich finde es toll, daß es euer Patientin wieder gut geht. In einer solchen, seltenen Situation läuft immer alles anders und man ist froh wenn es vorbei ist. Leider hat man meist keine Möglichkeit von seinem Adrenalinspiegel langsam wieder runter zu kommen. Alles was dann als vermeintlich nebensächliche Dinge ablaufen sind einem dann zu viel oder nicht verständlich. Man ist nur froh ein Leben gerettet zu haben. Und ich denke das sollte euch auch den Schub geben die restlichen Aktionen als Unwichtig abzutun.
Viel Glück und Toll gemacht

Axel
 
Dirk schrieb:
Hallo Carmen !


hmm ... bei einer anaphylaktischen Reaktion ist - egal um welchen Stoff es sich handelt - oberstes Gebot, den Allergieauslösenden Stoff zu eliminieren.
Dies gelingt am ehesten mit Naloxon (andere sind : Levallorphan oder Nalorphin), und ist somit bestens geeignet zur Therapie dieses Zustandes.

Im übrigen ist eine Überdosierung auch mit den geringen Mengen möglich.
Bei Leberzirrhose kann die Halbwertszeit verlängert werden, bei Niereninsuffizienz kommt es zu Akkumulation insbesondere des Metaboliten Norpethidin. Dies kann zu Symptomen der Überdosierung fuehren.
Kompendium der Schweiz

Liebe Grüsse
Dirk
Hallo Dirk, bevor wir jetzt wieder auf die Situation von Carmen eingehen, die mir etwas merkwürdig vorkommt, nur noch zwei Anmerkungen

  • Ad eins,
    bei solcher Form der Anaphylaxie muss ich doch zuerst symptomatisch therapieren, dh. mit H1 und H2 -Blocker, Cortikosteroiden etc,denn es handelt sich um absolut lebensbedrohliche Zustände! Oder hast Du schon mal erlebt, das jemand bei einem Bienenstich oder einer Erbeerallgie zuerst das Insektengift, bzw, die Erdbeersamen aus dem Körper eliminiert hat 8O In solchen akuten Fällen dominieren die Reaktionen des Körpers, nicht die Auslöser!

    Das zweite wäre nur eine kurze fachliche Anmerkung. Naloxonhydrochlorid gibt es seit ca 26 Jahren auf dem deutschen Markt, und so lange arbeite ich auch schon damit. Du bist der erste, der behauptet, es würde Opiate eliminieren. Bisher haben Pharmakologen und Hersteller stets davon gesprochen, Naloxon würde nur die Rezeptorenbindung des Opiates aufbrechen und das auch nur für kurze Zeit, weshalb man in diesem Zusammenhang auch gerne von einem rebound - effekt spricht. Aber ich lerne gerne dazu :wink:

@Carmen,
kommt Dir das nicht selber spanisch vor, einen Patienten, den man eine Stunde notfallmässig therapiert hat, NICHT zur Überwachung auf die ITS zu legen??? Ich hätte als Schichtleitung da ganzschöne Bauchschmerzen!
 
Du hast vollkommen recht - ich hätte statt Elimination Antagonisierung schreiben müssen
tut mir leid
 
Hallo Leute,

jetzt zerfetzt Euch hier mal nicht. :?
Mittlerweile ist der Notfall mit der o.g. Pat. von den Ärzten nochmals untersucht worden.
Aber nochmal zurück zum Notfall.
Narloxan erhielt die Pat. schon vor dem Perfusor Ampullenweise i.v.

Nun zum Ergebnis der Diagnostik nach dem Notfall, also 2 Tage später, da war nämlich Montag und das Haus brummte wieder mit allen Angestellten des Hauses.
Die Pat. bekam alle, ihrer Situation entsprechenden Untersuchungen.
Und was kam raus?
Die Ärzte entschieden sich dafür, dass die Pat. eine verzögerte Reaktion auf ihre kurz vor dem Notfall verabreichte Chemo hatte.

Mehr kann ich dazu nicht sagen, weil wir diese Auskunft von den Ärzten erhielten.
Unser Personal meint, möglich ist das, doch entspricht es auch den Tatsachen?
Tja, mit dieser Frage müssen wir eben leben.

Der Pat. geht es vom AZ her besser. Sie ist zwar noch recht schlapp, doch wieder neuen Mutes. Hoffentlich darf sie über Ostern nach Hause, sie wünscht es sich so sehr.

Schönes WOE
 
Hallo zusammen..

Auch wenn nur kleine Mengen eines Arzneimittels gegeben werden, reicht das aus, um eine Anapylaxie oder etwas anderes hervorzurufen.

Wir hatten eine Pat. mit Z.n. Patellafraktur, der in der Ambulanz eine Amp. Novalgin 1 mg als Kurzinfusion bekam.

Auf der Station wurde er auch kaltschweissig, hyperventilierte, der RR rauschte etwas ab..

Ich hab nur ein einiziges Mal auf Novalgin jemanden derart hyperventilieren sehen..

Aber es gibt nichts, was es nicht gibt.

@Carmen..
Diesen Pat. hätte ich wahrscheinlich höchstpersönlich auf ITS gebracht oder hätte die Docs damit beauftragt (ich möchte die Verantwortung nicht auf mich laden, falls ein erneuter Zwischenfall auftreten sollte).

Bei uns wäre so ein Pat. mindestens im Wachzimmer mit Monitoring und allem drum und dran gelegen..
 
Hallo Sisternic !

Ich mag ja nicht kleinlich erscheinen .. und Du hast garantiert recht, dass auch kleinste Mengen eines Medikamentes gefährliche Reaktionen hervorrufen kann.
Aber wie bitte habt Ihr 1 mg Novalgin gegeben ???? und weshalb genau diese Menge ???
Verabreichen wir doch im Schnitt die tausendfache Menge Als Kurzinfusion, und haben derartige Reaktionen bislang nicht erleben müssen.

Liebe Grüsse

Dirk
 

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