Altersdurchschnitt in verschiedenen Bereichen

EstivalArts

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Hey Leute,

mich würde mal interessieren, wie der Altersdurchschnitt der Patienten in verschiedenen Bereichen
bzw. Stationen aussieht.
Klar, das kann man nicht pauschal sagen, es ist von Klinik zu Klinik und von Zeit zu Zeit unterschiedlich,
doch ich konnte bei meinem BFD auch schon folgendes feststellen:
Auf dem unfallchirurgischen Teil meiner Station war ein Großteil der Patienten zwischen 70 und 80. 60-70 auch noch relativ oft,
aber z.B unter 40 war es fast schon eine Rarität. Auf dem allgemeinchirurgischen Teil wiederum waren die Patienten eher im
mittleren Alter, 30-60.

Wie sieht das denn in anderen Bereichen aus? Vor allem wie das so auf der Intensivstation aussieht würde mich mal
interessieren:)
 
Die pädiatrischen Bereiche sind da wahrscheinlich nicht ganz so interessant. Wir haben in allen Bereichen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von Geburt bis Anfang 20 (meine älteste Patientin einer Kinderstation in der Ausbildung war zweieinhalb Jahre älter als ich).

Einziger Unterschied, den ich in der Ausbildung feststellen konnte: der Altersdurchschnitt in der Allgemeinpädiatrie ist niedriger als in der Kinderchirurgie. Erklärt sich auch ganz einfach durch die Krankheitsbilder. Kleinkinder haben öfter Atemwegsinfekte, die bei schwereren Verläufen häufig stationär überwacht werden müssen (Allgemeinpädiatrie), während Kindergarten- und Grundschulkinder häufiger Spielunfälle haben (Kinderchirurgie). Ganz vereinfacht dargestellt. In den anderen Bereichen (auch bei Kindern gibt es genau wie bei Erwachsenen Kardiologie, Nephrologie, Onkologie etc.) hab ich keine wesentlichen Unterschiede bemerkt.

In meinem jetzigen Bereich (Neuropädiatrie) sind eben auch Patienten von 0 bis Anfang 20 (bisher war die älteste 24). Der Altersdurchschnitt auf Station ist aber auch phasenabhängig. Es gibt Phasen, da haben wir viele Babys und Kleinkinder und Phasen, da sind mehr Schulkinder und Jugendliche da, und manchmal eben auch eine gute Mischung mit "von allem etwas".

Frage zu eurer unfallchirurgischen Station... Seid ihr reine Unfallchirurgie oder Orthopädie und Unfallchirurgie (ist ja häufig zusammen)? Ich könnte mir vorstellen, dass der Altersschnitt sinkt, wenn auch orthopädische Patienten dabei sind.
 
@Neuromaus Uii, ich dachte immer, man darf nur bis 17 Jahre in die Kinderklinik (außer man wird während der Behandlung 18).
Wir sind Orthopädie und Unfallchirurgie zusammen, also haben wir auch sehr viele Patienten mit Knie-/Hüft-TEPs. Die sind oft (ganz grob) 60-75 Jahre alt. Aber die TEPs sind, glaub ich, die einzigen orthopädischen Eingriffe bei uns (wir sind ne kleine Klinik).
 
ich dachte immer, man darf nur bis 17 Jahre in die Kinderklinik
Ja, das denken sehr viele. Ist auch der Regelfall, zumindest wenn es um "kleinere" Dinge bei normal entwickelten 18-Jährigen geht (Blinddarm-OP, operative Versorgung bei Fraktur, stationäre Abklärung von Schwindel, Synkopen etc.). Aber gerade wenn es um langfristige Behandlungen (wie z.B. auch Reha) geht, kommen zumindest die jungen Volljährigen, die noch zur Schule gehen, öfter mal noch auf die Kinderstation, weil die Organisation mit der Klinikschule dann einfacher ist. Und Patienten mit Entwicklungsstörungen kommen sowieso häufig länger auf die Kinderstation.

Und das mit dem Volljährigwerden während der Behandlung ist auch so eine Sache. Bei kurzzeitigen Behandlungen ist es in der Regel kein Thema, dass man dann die paar Tage noch auf der Kinderstation bleiben kann. Schwieriger ist es bei Patienten mit Entwicklungsstörungen, Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, die von Kind an in einem Krankenhaus, einem SPZ, einer Reha behandelt werden und dann dort "rauswachsen". Die sogenannte Transitionsmedizin, die Jugendliche und junge Erwachsene bei dem Übergang von der Kinderklinik in die Erwachsenenmedizin begleitet, ist leider noch nicht so gut ausgebaut. Bei chronischen Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus bei normal entwickelten Patienten ist der Übergang in der Regel nicht so "schlimm". Wirklich schwierig ist es bei den Patienten, die schwerst mehrfachbehindert sind, körperlich schwerstbetroffen, keine selbstständige Fortbewegung (auch nicht selbstständig Rollstuhl fahren), kognitiv entwicklungsverzögert, keine Lautsprache etc. Die fallen durch das Raster des deutschen Gesundheitssystems. Krankheitsbild und Persönlichkeit des Patienten passen in die (meist Neuro-)Pädiatrie, aber vom Alter her gehört er in die Erwachsenenmedizin. Wohin mit diesem Patienten? Häufig ist es so, dass die Eltern (die meist die Betreuer sind) lieber in die Kinderklinik wollen, weil sie und ihre Kinder das so kennen, sich da gut aufgehoben fühlen usw. Und bis Anfang 20 wird das dann oft auch genehmigt. Und irgendwann kommt dann der große Krach.
Beispiel: Bei uns stand letztens die Mutter eines 23-Jährigen (o.g. Gruppe schwerst mehrfachbehinderter Patienten), der seit seinem 3. Lebensjahr regelmäßig bei uns war, in Tränen aufgelöst auf Station. Was war passiert? Er war zur Reha auf eine Erwachsenenstation gekommen, und dort konnten Ärzte und Therapeuten nichts mit ihm anfangen (während das Pflegepersonal da nicht so Probleme hatte, die pflegerische Versorgung war wohl in Ordnung). Das Patientenklientel dort auf Station waren wohl knapp 90% ältere Menschen nach Apoplex. Da passte er natürlich überhaupt nicht rein. Sie wollte von uns, dass er zu uns verlegt werden kann. Antrag gestellt. Von der Krankenkasse abgelehnt. Argument: Kinderklinik ist teurer, das zahlen wir nur für Kinder, ihr Sohn kann froh sein, dass er das bis zum 21. Lebensjahr noch bekommen hat, aber irgendwann ist Schluss.
Und tatsächlich ist es so, dass das Gesundheitssystem eigentlich diesbezüglich dringend reformiert werden müsste. Mit den Fortschritten in der Neonatologie, die Frühgeborene schon ab der 22. Woche oder in Ausnahmefällen noch drunter überleben lässt, steigt die Zahl der Kinder, die zwar überleben, aber schwere Komplikationen davontragen und dadurch schwerwiegende Behinderungen bekommen. Und diese Kinder werden erwachsen, ebenfalls eine Folge des medizinischen Fortschritts. Das heißt, die Zahl der Erwachsenen, die unter solche Einschränkungen haben, steigt auch, ebenso die Lebenserwartung dieser Patienten. Es ist also ganz klar, dass diese Patienten auch in der Erwachsenenmedizin adäquat betreut und behandelt werden müssen. Und das ist momentan in vielen Einrichtungen (Gott sei Dank nicht in allen) noch sehr schwierig.
Das war jetzt viel Text. Zusammenfassung: Schwerbehinderte junge Volljährige werden häufig in der Kinderklinik betreut, weil das Gesundheitssystem ihnen noch keinen Platz in der Erwachsenenmedizin eingeräumt hat (kein Fehler, derer, die in der Erwachsenenmedizin arbeiten!!!, sondern ein Systemproblem).
 

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