Thema Zwangsmedikation

Franksander

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09.08.2013
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Hallo werte Kollegen und Kolleginnen, kurze Falldarstellung bieten möchte: Pat. mitte 30, stationär untergebracht, Mischdiagnose. -Pat. wird seit einiger Zeit, sprich 3 Monaten nach richterlichem Beschluss mit Einbezug des Betreuers zwangsmediziert im vollfixierten Zustand. -Pat. bekommt eine Depot-Medikation -nun jedoch ist die richterliche Anordnung der Zwangsmedikation ausgelaufen, wurde also nicht schriftlich verlängert, da sie jedes Mal nur für 6 Wochen gültig ist -da Depot-Medikationen in genau Zeitfolge verabreicht werden muß drängt die Zeit des schriftlichen richterlichen Neu-Beschlusses -Richter kommt auf Station - gibt mündlich sein "ja" , Beschluss soll folgen -der behandelnde Arzt weißt das Pflegepersonal an diese Depot-i.m. zu verabreichen -i.m. befugtes Pflegepersonal lehnt dies jedoch mit Hinweis auf den fehlenden schriftlichen richterlichen Beschluss ab da das Pflegepersonal sich bei deren Ausführung ohne schriftlichen richterlichen Beschluss einer Körperverletzung strafbar macht Vor dem Gesetz muß sich jeder für sein eigenes Handeln verantworten, egal ob Pflegekraft, Arzt oder Pflegedirektor. Niemand wird einen da Rückendeckung geben - man ist auf sich allein gestellt ! Nun meine Fragen dazu: -kann das Pflegepersonal arbeitsrechtlich Aufgrund der nichtbefolgten Anordnung belangt werden ? -in wie weit kann ein Arzt "alles" anordnen ? -wo ist die Grenze zwischen legaler Anordnung und hauseigenen Machenschaften ? Die Pflegekraft ist speziell in diesem Fall der ausführende Part, wie schaut es da aus wenn es zu Komplikationen kommt, bzw. ein Rechtsanwalt bzw. Betreuer des Pat. eine Anzeige gegen diese verabreichte Zwangsmedikation startet ? Reicht denn wirklich ein verschleiertes "ja" eines Richters aus um einen Menschen mit Zwang medizieren zu lassen ohne schriftliche Anordnung - bzw. den Spruch: Sie wird schon nachgereicht, bzw. wird das Thema "Zwangsmedikation", die nun seit März diesem Jahres wieder im Einzelfall beschlossen werden kann und als letztes Mittel zur Wahl steht, wirklich richterlich so lapidar gehandhabt ? Vielen Dank im vorraus FS
 
Ich denke das kann dir niemand mit Sicherheit beantworten. Es gibt immer irgendwo Übergangssituationen, wo die Rechtssicherheit nicht sofort gegeben ist.
Für mich ist der Beschluß schon erfolgt, er ist nur noch nicht schriftlich dokumentiert. Der Richter könnte z.B. handschriftlich dokumentieren, dass er mündlich sein Ja gegeben hat und der Beschluss umgehend zugesendet wird. Außerdem sollte solch eine Aussage immer durch das Vorhandensein von Zeugen abgesichert sein.

Ansonsten besteht aus Sicht der Pflegekraft bestimmt auch die Möglichkeit, aufgrund der Rechtsunsicherheit, die Medigabe zu verweigern. Soll der Arzt sie in diesem speziellen Fall selbst durchführen. Wenn ich die Durchführungsverantwortung habe, kann ich darauf bestehen, dass die Situation maximal abgesichert ist, also der schriftliche Beschluss vorliegt.
 
Ich bin auch nicht tief genug drin (wird hier wohl kaum jemand sein) um eine 100%ige Aussage zu treffen. Also Mutmaßung:

Aufgrund der Unsicherheit wird sich die Pflegekraft sicher rauswinden können. Leider.

Ich stehe hier auf der "anderen Seite". Der Beschluss ist erfolgt, mündlich. Es wird auf die schirftliche Fiyierung gewartet, der Arzt ordnet an, die Pflegekraft weigert sich. Arbeitsverweigerung. Arzt ist anordnungs/weisungsbefugt...

Komplikationen hat der Anordnende zu verantworten, es sei denn es liegt an der Ausführung, dann haftet die pflegekraft, klar - liegt aber an deren Kompetenz-
 
Danke Euch erst mal für die Antworten, in wie weit ist ein Arzt anordnungs- bzw. weisungsbefugt ohne dass er die legalen juristischen Grenzen überschreitet ? Eben bei diesem heiklen Thema der "Zwangsmedikation", gerade wenn der Ausführende, die Pflegekraft, sich damit auch in eine juristische Grauzone begibt und NUR um dies zu vermeiden diesen Arbeitsschritt ablehnt. Das kann doch nichts mit Arbeitsverweigerung zu tun haben, denn alle Bediensteten sind ethisch und juristisch verpflichtet ihr Handeln nach dem Gesetz zu gestalten und nicht nach Wohlwollen eines Arztes bzw. eines schwammigen "ja" eines Richters ohne dessen schriftlichen Beschlusses. Es handelt sich hier um einen aktuellen brisanten Fall, wahrscheinlich einzigartig in Deutschland in dem der Arbeitgeber, ein Ministerium, es nicht um Öffentlichkeitskenntnis ankommen lassen möchte und schon gar nicht auf eine gerichtliche Verhandlung - von daher droht der Pflegekraft erst mal gar nichts. Aber es muß doch in solchen Fällen eine klare Gesetzeslage geben ! Zwangsmedikation sind in der Psychiatrie eh immer schon an der Tagesordnung, da brauchen wir unsere Augen nicht verschließen - nur die gesetzliche Absicherung in solchen delikaten Fällen wie im Startpost beschrieben scheint juristisch sehr mangelhaft. Wenn ich weiß, dass der Arzt einen juristischen Fehler begeht und ich da als Ausführender mich zum Mithelfer mache bin ich doch selbst juristisch belangbar...oder nicht ? Ich persönlich finde Zwangsmedikation in bestimmten Einzelfällen !!! als gut, das kann den Pat. zu mehr Lebensqualität verhelfen, jedoch die gesetzliche Lage ist für mich absolut unverständlich schwammig. Schreibt mal Eure Meinungen zu diesem Thema. Was ich noch anbringen wollte ist, zu DDR zeiten war es so, erst den Befehl ausführen und danach beschweren...ist das heut immer noch üblich, kann man sich denn erst im Strafvollzug darüber beschweren nachdem man eine Dummheit begangen hat ???
Soll der Arzt sie in diesem speziellen Fall selbst durchführen. Wenn ich die Durchführungsverantwortung habe, kann ich darauf bestehen, dass die Situation maximal abgesichert ist, also der schriftliche Beschluss vorliegt.
...genau so denke ich auch !!!
Aufgrund der Unsicherheit wird sich die Pflegekraft sicher rauswinden können. Leider.
...das hat doch sicher nichts mit rauswinden zu tun, es handelt sich um eine persönlich juristische Absicherung ! VG FS
 
Da Du vom mündlichen "Ja" des Richters weißt - es scheint ja Zeugen dafür zu geben - dürfte rechtlich alles in Ordnung sein. Mündliche Aussagen, Zusagen, Verträge sind genauso bindend wie schriftliche. Mit dem Unterschied, dass Du die schriftlichen auch noch lange Zeit später zweifelsfrei belegen kannst.

Zweifelst Du daran, dass der Richter in diesem Fall seinen Beschluss schriftlich fixiert? Weshalb? Hast Du so etwas schon mal erlebt?
 
Hallo Claudia, vielen Dank für Deine Antwort, das mündliche "ja" dieses Richters war kein absolutes "ja" - wörtlich, der Richter: "ich werde den Beschluss der Zwangsmedikation Ihnen zufaxen" das war alles auf was sich die Station berufen kann - ist bis heut noch kein schriftl. Beschluss dahingehend eingegangen !!! Zudem möchte ich anmerken, dass die betreffende Pflegekraft keine Information darüber erhalten hat ob ein Beschluss vorliegt oder nicht - um genau dessen geht es - Der Ausführende, der sich unwissentlich von rechtswegen einer Körperverletzung auf Anweisung eines Arztes strafbar macht ist meines erachtens genauso haftbar, zudem bei Komplikationen, sei es Einwand eines Rechtsanwaltes bzw. Betreuers, der Job auf dem Spiel steht. Wir leben heut auch nicht mehr in der Zeit, wo man Anordnungen eines Arztes wie Befehle ausführen muß sondern schon aus eigener Sicherheit hinterfragen sollte, zumal wenn es den Anschein macht dass nicht alle Rechtssicherheiten klar sind !!! Zweifel sollte man immer haben, egal ob es nun ein Richter ist oder nicht, verlassen sollte man sich da auf keinen Fall ! Was mich in diesem speziellen Fall ärgert ist, dass so lapidar mit diesem Thema "Zwangsmedikation" umgegangen wird - es handelt sich schließlich um einen tiefen Eingriff in das Leben eines Menschen. VG FS
 
Oben schriebst du "mündlich sein ja".

Der beschriebene Patient befindet sich in einer Threapie mit laufender (zwangs)medikamentöser Behandlung. Es geht "nur" um die Verlängerung des Beschlusses um die Therapie fortzuführen.
Der Richter bestätigt das mündlich, der Arzt ordnet es an.

Du (oder die Pflegekraft) gefährdest mit deinem Handeln das Therapieziel, unterbrichst die depotmedikamentöse Behandlung und gefährdest somit aktiv den Patienten durch unterlassen der angeordneten Maßnahmen!
 
Vielen Dank für Deine schnelle Antwort, oben schrieb ich ein von einem schwammigen "ja", die Aussage des Richters Zitat "ich werde Ihnen den Beschluss der Zwangsmedikation zufaxen" den man auslegen kann wie man möchte - wenn er nicht eindeutig ja gesagt hat, man geht nur davon aus, dass der Richter ja gemeint hat. Das Therapieziel gefährdet doch in erster Linie der Arzt der sich um eine Fortführung bzw. Verlängerung dieser Zwangsmaßnahme kümmern muß, wenn er Kenntnis davon hat dass der Beschluss ausläuft ! Aso, ich bin nicht die betreffende Pflegekraft, ich schreibe aus einem kürzlich selbst erlebten Fall. VG FS
 
Wenn ein erwartetes Fax net ankommt, dann gehe ich davon aus, dass es eine Ablehung ist? Komisch. Der noramle Mensch kümmert sich doch darum, wo es denn bleibt? Denn erst durch Augenscheinnahme kann er sicher sein.... in beide Richtungen. In dem Falle bleibt dioch eigentlich nur: erst mal aufrechterhalten der Therapie und unverzügliches Eintreiben der Aussage.

Elisabeth
 
Elisabeth ich habe das Problem so verstanden, das es um die Zeit geht, zwischen mündlicher Aussage und Ankommen des Faxes. Solche rechtsunsicheren Lücken gibt es leider immer wieder. Wie ich schon gesagt habe, der Richter hätte auch handschriftlich dokumentieren können, das er einen Beschluß mit einem "Ja" zusenden wird.
Es geht hier dann vermutlich um eine einzige Aktion in diesem Zeitraum und da bricht sich ein Arzt auch nix ab, wenn er dann ausnahmsweise mal selbst eine Injektion macht. Immer alles auf die Pflegekräfte schieben, egal wie rechtsunsicher die Situation ist, ist einfach grenzenlos unfair.

Ich denke, man hat das Recht dazu in so einer unsicheren Situation eine Arbeit zu verweigern. Sollte der AG dafür kein Verständnis haben, wäre das auch nicht mein AG.
 
Ich danke Euch !!! Eine Klärung wird es sicher hier nicht geben, da ist der Fall zu direkt als Einzelfall anzusehen und nicht der Standart - hoffen auch dass es ein Einzelfall bleibt ! Der Arbeitgeber ist übrigends das Sozialministerium, keine private Klinik. Ärzte bzw. OÄ spritzen nur sehr selten mal i.m. (wenn man da nachfragt, haben sie ihren Kittel vergessen oder solche Sprüche), führen auch nur sehr selten eine BE durch, das wird vom Grunde her dem Pflegepersonal überlassen welches die AO aus dem Dienstprogramm erhält. VG FS
 
Es lag kein Beschluss vor (was mündlich gesagt wurde, ist rechtlich erstmal nicht von Bedeutung und nicht bindend). Da die Pflegekraft die handelnde Person und damit verantwortlich für die "Tat" ist (Durchführungsverantwortung- und Haftung), kann sie die Durchführung - allein schon aufgrund bis dahin zweifelhafter Rechtslage weil kein Beschluss vorlag - natürlich zunächst ablehnen. Der Stationsarzt ist auch nur in begrenztem Maße weisungsbefugt. Die Weisungsbefugnis beschränkt sich maximal auf den medizinischen Bereich - nicht unbedingt aber auf die Zeit der Durchführung. Da man davon ausgehen kann, dass ein Telefax mit Beschluss vom Amtsgericht unverzüglich erfolgt, kann im Rahmen einer Abwägung der Verhältnismäßigkeit selbstverständlich erstmal die Durchführung der angeordneten Maßnahme ablehnen. Da es sich letztlich um eine Körperverletzung ohne Einverständnis des Patienten handelt, ist die Abwägung von der durchführenden Pflegeperson zu treffen; im "Notfall" hat auch der Arzt die Möglichkeit, die Maßnahme selbst durchzuführen. Ich halte juristische oder disziplinarische Vorgehen gegen eine Pflegekraft, die sich wie im Beispiel entsprechend verhielt, für absolut hoffnungslos. Damit würde sich der Arbeitgeber selbst ans "Bein pinkeln" (vor allem auf Grund der momentanen Rechtslage).

LG Ben
 
Hallo, was ist aus der Zwangsmedikation I.M. Depotspritze geworden? I.M. darf nur mit Zustimmung des Patienten gespritzt werden. Ansonsten ist ein Gerichtsbeschluss von Nöten. Liegt dieser Beschluss nicht vor, darf der Arzt und das Pflegepersonal diese Spritze nicht verabreichen. Auch die Zwangsunterbringung in einer Psychiatrie berechtig den Arzt nicht zur Zwangsmedikation I.M. Spritze ohne gültigen vorliegenden Gerichtsbeschluss. Das Pflegepersonal ist verpflichtet den Anweisungen des Arztes eben nicht zu folgen und eben die Verabreichung dieser I.M. Spritze zu verweigern. Diese Hürden sind nicht umsonst. Der Arzt hat die Möglichkeit, den beauftragten Richter erneut zu benachrichtigen und einen Beschluss zu erwirken. Dies dauert nicht mal einen Tag. Liegt der Beschluss dennoch nicht vor, kein Beschluss - keine Zwangsmedikation. Dies dient dem Schutz des Patienten.
 

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