Handfixierung bei intubierten/sedierten/etc. Patienten

Bei uns auf der Herzchir. Intensiv werden auch alle Patienten die aus dem OP kommen und noch beatmet sind,mit "Freundschaftsbändchen" fixiert,bis diese wach bzw. extubiert sind.

Das dient aber auch lediglich dem Schutz des Pat.,da die teilweise doch etliche Schläuche und Kabel an und in sich haben.

Wenns bei unseren dann ins Weaning geht und die Pat. am wach werden sind,erklärt man ihnen auch,dass sie zum Schutz die Hände noch fixiert haben usw. Nach Extubation werden die Fixierungen dann aber entfernt.

Kann allerdings sein,dass kurzfristig wieder auf Handfixierungen zurückgegriffen werden muss,wenn Pat. postoperativ Durchgängig werden und eine selbstgefährdung nicht auszuschließen ist.Das erfolgt dann aber auch immer in Rücksprache mit unseren Ärzten / Betreuern etc. oft probiert man bei uns die Pat. durch Pharmakologischen Support in die Spur zurück zu bringen um eben auf Fixiermaßnahmen verzichten zu können.
 
Hallo zusammen,
ich habe auch in der Psychiatrie gelernt, und kenne von daher verschiedenste Methoden, die "Freiheit" von Patienten einschränken.
Seit mehr wie 10 Jahren bin ich nun in der Intensivpflege zu Hause.
Es bedrückt mich ein wenig, wenn ich überwiegend lesen muss, dass wir Zwangsmassnahmen aufgrund von Personalmangel anwenden müssen.
Ganz davon abgesehen, haben solche Zwangsmassnahmen verschiedene Nebenwirkungen.
Zum einen stelle ich mir die Frage, wovor genau wir Angst haben, vor der Selbstextubation ??
Dazu muss man wissen, dass das Risiko einer Selbstextubation mit verschiedenen Faktoren steigt. So führt die Fixierung an sich schon zu einem 3.11 mal höherem Risiko einer Selbstextubation (http://ajcc.aacnjournals.org/content/17/5/408.short). Und was ist denn, wenn sich ein Patient selbst extubiert ?
Studien zeigen, dass bis zu 89% der Patienten, die sich selber extubieren nicht mehr intubiert werden müssen (https://www.researchgate.net/profil...e_20012002/links/00b4952d4a60c6b4a0000000.pdf). Bei einem relativ geringem Risiko einer Selbstextubation (8,7% siehe link oben), und einem steigendem Risiko um den Faktor 3.11 bei einer Reintubationsrate von 11% glaube ich sollte man sehr gründlich überlegen, ob darunter potentiell viele Patienten leiden sollten. Auch muss man sich die Frage stellen, ob ein fixierter Patient nicht per se einen höheren Personalaufwand ausmacht (rein zur Sicherheit des Patienten). Wenn ich mir vorstelle, dass ein Patient fixiert wird, und sich somit nicht mehr "verständigen" kann, dann ist dies in irgendeiner Form mit einer Art von Folter gleichzusetzen (ich überlege mir einfach, was ich machen würde, wenn meine Nase juckt, und ich nicht dran komme, wenn ich Durst habe, und ich mich nicht melden kann).
Was man auch nicht aus den Augen verlieren darf, ist die Tatsache, dass eine Fixierung an sich bereits prodelirogen wirken kann. Eine Untersuchung zeigt etwa, dass das Risiko eines Delirs knapp 34 mal höher ist, wenn der Patient vor Entstehung des Delirs fixiert wurde (Critical Care)
Interessant dazu ist auch noch folgender Text : Physical Restraint in Critical Care Settings: Will They Go Away? - Europe PMC Article - Europe PMC
Weitere Folgen einer Fixierung sind in dieser Arbeit beschrieben : Nurses' Use of Physical Restraints in Four Turkish Hospitals - Demir - 2007 - Journal of Nursing Scholarship - Wiley Online Library
Dort spricht man von 9 Todesfällen infolge von Fixierungen .... was mir sehr zu denken gibt (aber auch die Verletzungen an Handgelenken, und Schulter).
und zu guter letzt noch die vielzitierte PRICE-Studie : http://efccna.org/downloads/Present...use in ICUs across Europe-the PRICE study.pdf

Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, Patienten zu fixieren, wo es wirklich notwendig ist. Jedoch sollte man viel sensibler mit dem Thema umgehen, wie es augenblicklich passiert.

Liebe Grüsse
 
Danke! Sehe ich ähnlich ... Gerade deswegen sollte man über die Verwendung des Begriffs "Freundschaftsbändchen" auch nochmal selbstreflektieren, ich würde niemanden als Freund bezeichnen der mich einfach festbindet ...