Das Bild vom anderen

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Brady

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Das Bild vom anderen

Der erste Eindruck

Der erste Kontakt mit einem Menschen ist sehr prägend. In der Regel wird im Bruchteil einer Sekunde eine Einschätzung vorgenommen.
Sie wird beeinflusst durch Wahrnehmungen über die Person, die uns gegenüber steht. Im Fokus stehen dabei:

Physiognomie (Gesamterscheinung)
Mimik
Gestik
Körperbau
Körperhaltung
Gang
Kleidung
Stimme
Sprache
Sprechart

Diese Informationen werden durch den Eingangskanal Augen oder Ohren
aufgenommen und gelangen ins Gehirn. Im Zwischenhirn werden sie mit
früheren Erfahrungen verglichen und unterlegt.

Stellen wir Z.B.ein hervorstechendes Merkmal bei einem Neuling fest, das wir von einem uns sympathischen Bekannten her bereits kennen, dann werden wir positiv eingestellt sein. Hat der Neuling einen Dialekt, den wir in Verbindung mit einem früheren, gehassten Lehrer, in Verbindung bringen, dann wird er einen negativen Eindruck auf uns machen. Viele Menschen sind davon überzeugt, dass der erste Eindruck der richtige ist.

Abgesehen davon, dass wir mehr oder weniger gute Erfahrungen mit
Menschen gesammelt haben, ist der erste Eindruck oft ebenso falsch oder richtig wie der zweite!

Dass der erste Eindruck falsch sein könnte, gestehen wir uns aber nicht gerne ein.

Nur in krassen Fällen, in denen wir eines besseren belehrt wurden und unsere Meinung sich radikal verändert hat, ist uns die Fehleinschätzung bewusst. Meist ändert sich unsere Meinung so langsam, dass wir es gar nicht merken und zum Schluss von uns selbst glauben, "den hab ich schon immer richtig erkannt".

Der erste Eindruck wird begleitet von sogenannten Wahrnehmungsfiltern. Einige typische Wahrnehmungsfehler werden im Folgenden beschrieben.


Gegenseitige Beeinflussung
Man wird, wie man vom Partner gesehen wird

Der Mensch verhält sich so, wie er glaubt, dass es seine Umwelt von ihm erwartet. D.h. er nimmt die Vorurteile, die ihm entgegengebracht werden, bzw. Eigenschaften, die ihm nachgesagt werden, an und verhält sich entsprechend. Jemand, der glaubt als leistungsschwach oder unmotiviert gehalten zu werden, traut sich selbst auch nur Aufgaben mit geringem Anspruch zu. Auf Dauer wird dann die vorhergefasste Vermutung bestätigt und nur die Dinge wahrgenommen, die das negative Bild von dem Menschen unterstützen.
Bei pessimistischen Menschen wird dies besonders deutlich: "Das kann ich nicht, das hab ich schon immer gewusst" sind Aussagen die ein Scheitern" vorprogrammieren".

Selektive Wahrnehmung
Es wird nur wahrgenommen, was wir wahrnehmen wollen

Die menschlichen Sinne sind auf Auslese angelegt. Die vielen Millionen Eindrücke, die über den Eingangskanal Auge das Gehirn erreichen, hätten verheerende Folgen, würden nicht alle für uns oder die Situation unwesentlichen Signale selektiert.
Der Nachteil ist, dass die Wahrnehmung so subjektiv wird und u.U. wichtige Informationen verloren gehen.

Übertragung
Frühere Erlebnisse und Erfahrungen werden auf die aktuelle Situation
übertragen.

Der Wahrnehmende stellt einen Vergleich her zu dem, was ihm bekannt ist und dem, was er aktuell wahrnimmt. Dabei werden dem Neuen viele bekannte Dinge hinzugefügt, obwohl die Hinzufügungen in der aktuellen Situation überhaupt nicht wahrnehmbar sind.
Bei der Einschätzung von Menschen führt dieser Filter dazu, dass nur wenige Eindrücke zu einem kompletten Bild einer Person führen.
Beispiel: Weil ein früherer Vorgesetzter ihn ungerecht behandelt hat, misstraut der Mitarbeiter jedem Vorgesetzten.

Rolle und sozialer Status

Wir sehen den Gesprächspartner nur in seiner augenblicklichen Rolle z.B. als Patient

Alle anderen Rollen, die ein Mensch in seinem Alltagsleben einnimmt, werden hierausgeschlossen.

Sympathiefehler (Halo Effekt)
Halo =Hof Sympathie oder Antipathie überstrahlen andere Eigenschaften

Der Halo-Effekt beschreibt, dass ein bestimmter Eindruck alle weiteren Eindrücke dominiert.
Die Dominanz eines Eindrucks kann von anderen Personen als völlig normal wahrgenommen werden.

Dieser Filter hängt mit den eigenen Werthaltungen des Wahrnehmenden zusammen.
Ich sehe dann nur Ausschnitte einer Person, die mir aus unterschiedlichen Gründen besonders wichtig erscheinen.
Beispiel: Der sympathische Kollege "ist zum Glück kein Pedant", der unsympathische "kann keine Ordnung halten".

Kategorisierung
Es genügt ein Merkmal, um einer Person eine bestimmte Rolle zuzuschreiben

Wir schließen aufgrund von Äußerlichkeiten, z.B. Kleidung auf das Verhalten oder auf die Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen.

Einfrieren

Es wird angenommen, dass einmal vorhandenen Anlagen oder Verhaltensweisen von Mitmenschen sich nicht mehr ändern.

Beispiel: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht..."


Projektion

Übertragung eigener Fehler auf andere

Beispiel: Fehler die der Mitarbeiter bei sich selbst entschuldigt, werden bei einem Vorgesetzten nicht akzeptiert "Wie kann man sich nur so verhalten."

Vermutungen

Sind eigene Persönlichkeitstheorien

Sie sind ebenso häufig wie falsch. Da wir in keiner Situation lückenlose Informationen haben, sind wir auf Vermutungen angewiesen. Es kann aber gefährlich sein, Vermutungen als Fakten anzusehen.

Beispiel:
Der Patient lehnt die angebotene Mahlzeit ab.
Vermutung: Er hat keinen Appetit
Mögliche Wirklichkeit: Er verträgt keine Möhren

Die Patientin grüßt mich nicht.
Vermutung: Sie hat was gegen mich
Mögliche Wirklichkeit: Sie ist mit eigenen Sorgen beschäftigt.
 
Hi Brady,

es ist gut, sich dessen immer wieder bewusst zu sein - dass nicht immer der erste Eindruck der Richtige ist...... und welche Gegebenheiten unsere Wahrnehmung prägen... und das nicht nur in Zusammenhang mit unseren beruflichen Kontakten ;-)

LG
 
Hallo Zusammen!

Einen schönen Link, der sich mit der Wahrnehmung (und möglicher Fehler) beschäftigt, findet Ihr hier (auch mit einem "Selbsttest"):

Psychologie der Personalbeurteilung - ein Lernprogramm

Da geht's zwar um Personalbeurteilung, aber die Inhalte lassen sich auch gut auf Pflegesituationen übertragen.


Schönen Gruß, Gego.
 

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