News Welt-online: Wenn Pillen die Pflege ersetzen

  • Ersteller Ersteller mary_jane
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Naja,
ich komme ja aus dem Bereich der Intensivmedizin. Und da ist ja weniger das Problem Altersdemenz im Vordergrund, sondern mehr das Intensivdelir. Und hier in Dänemark werden Patienten ja nach Möglichkeit nicht sediert und bekommen so gut wie nie Benzos.

Was hier aber täglich zweimal gemacht wird ist: CAM-ICU und RASS scoring und ganz oft die Evaluierung des Schmerzstatus. Und anhand dieser SCORES wird dann entschieden, ob ein Patient eine Behandlung mit Psychopharmaka benötigt, oder ob die Unruhe vielleicht auf Schmerzen beruht. Die Behandlung wird dokumentiert und regelmäßig evaluiert.

Und jetzt meine Frage zur Verabreichung von Psychopharmaka in Altenheimen:
Werden dort die Patienten regelmäßig auf Spuren von Alterdemenz und/oder Psychose anhand von objektiven SCORES oder Test untersucht und wer macht das und wie oft?

Wie wird dort der subjektive Endruck, dass mit dem Patienten was nicht stimmt, objektiviert? Gibt es da so Richtlinien? Das interessiert mich jetzt wirklich!
 
Völlig off-topic (schätze ich), aber weiß noch immer nicht, was PONV ist... :verwirrt:
 
PONV = Postoperative Übelkeit und Erbrechen - hat nix mit Ponyhof zu tun.
 
Thanks, narde!

Ich kenne Haldol nicht nur post-operativ als Antiemetikum.
 
Mich würde mal interessieren, wer hier mitdiskutiert und tatsächlich Erfahrungen in der stationären Altenpflege hat.

Ein paar Fakten: der Nachtdienst dauert 10h, der Demenzanteil in den Heimen liegt oft bei 70%; der Pesonalschlüssel liegt meist bei 1/50. So, jetzt kommt die Preisfrage: Was ist jetzt wohl die Indikation für Melperon oder Riperdal zur Nacht? Richtig: den Schlafbdarf von vielleicht 6 oder 7 h auf 10h zu verlängern, damit zwei Mitarbeiter mit der Versorgung von 100 BewohnerInnen irgendwie zurecht kommen.

Leider ist Herr Glaeske ein einsamer Rufer. Standard ist die Argumentation von baum: ich finde immer ein Beispiel, warum auch Neuroleptika durchaus sinnvoll sein könnten und rechtfertige damit die 95% der Fälle, wo tatsächlich unzureichende Personalschlüssel die Indikation darstellen.

Besonders ans Herz gewachsen sind mir die KollegInnen, die den Ärzten immer mit der Unruhe der BewohnerInnen in den Ohren liegen, bei der Frage nach dem Einsatz von Neuroleptika aber reflexartig darauf hinweisen, dass die ja die Ärzte verordnen.

Und Sprüche wie: Der treibt mich in den Wahnsinn. oder Ich habe doch keine Zeit, ihr den ganzen Tag hinterher zu laufen, höre ich merkwürdigerweise täglich. Aber wahrscheinlich stimmt was mit meinen Ohren nicht.
 
@thorstein- würdest du bitte genauere Angaben zu deiner Einrichtung machen? Sind deine Bewohner auch den ganzen Tag über "Zombies"? Oder wie muss ich mir das vorstellen?

Fundstellen zu Neuroleptika:

Gerd GlaeskeChristel Schicktanz
BARMER GEK Arzneimittelreport 2011
...
Langwirksame Schlafmittel (z.B. Flurazepam, Flunitrazepam, Nitrazepam u.a., z.B. in Flunitrazepam-Generika oder Radedorm®) können noch am nächsten Morgen zu Hang-Over- Effekten und insbesondere bei älteren Menschen zu Stürzen und schlecht heilenden Knochenbrüchen führen. Es ist daher dringend zu empfehlen, auf diese Schlafmittel bei älteren Menschen zu verzichten und andere Arzneimittel (z.B. sedierende Antidepressiva oder niedrig
potente Neuroleptika wie Melperon® )in Erwägung zu ziehen, wenn keine der bekannten unerwünschten Wirkungen dagegen sprechen.
...
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass einer ohnehin stark morbiditätsbelasteten Patientengruppe Arzneimittel verordnet werden, die ein erhöhtes Mortalitätsrisiko aufweisen, deren Wirksamkeit zum Teil nicht belegt ist oder nur moderat ausfällt, deren Folgen auf die Kognition nicht gänzlich geklärt sind und deren Auswirkungen bei einer Langzeitgabe nicht hinlänglich bekannt sind; viele dieser Mittel werden also „off-label“ (außerhalb der zugelassenen Indikation) eingesetzt. Umso wichtiger ist es, Demenzerkrankte erst dann mit Neuroleptika zu behandeln wenn alle nichtmedikamentösen Maßnahmen nicht ausreichend wirken. Die Behandlung sollte dann nur über einen kurzen Zeitraum, in geringen Dosen und unbedingt unter stetiger Wirksamkeits- und Verträglichkeitskontrolle erfolgen.
...
BARMER GEK Arzneimittelreport 2011 (Bitte selbst ergoogeln da net verlinkbar)
Auch Herr Glaeske scheint zu wissen, dass es ganz ohne Neuroleptika net geht und das diese auch als Schlafmittel eingesetzt werden sollen. Ich möchte nochmal auf die Leitlinie Demenz verweisen. Hier wird eindeutig festgelegt, was- wann- wie. Diese Leitlinie gilt bis Ende 2012.

Neuroleptika- wohldosiert- können ein Segen für die Betroffenen sein. Auch die können unter ihrer Unruhe leiden.

Elisabeth (die zwar net im Pflegeheim aber trotzdem mit dementen Patienten gearbeitet hat)
 
Und wie finanzierst Du den Arzt? Und wie lässt sich ein fest angestellter Arzt mit der freien Arztwahl, die im deutschen Gesundheitssystem garantiert ist, verbinden?....Du müsstest das komplette System der ambulanten ärztlichen Versorgung umkrempeln. Das täte zwar sowieso not, aber eine leichte Lösung ist das ganz sicher nicht.

Man tut doch schon was... hab eigentlich von einem anderen Bundesland gehört (nicht Baden-Württemberg, nicht Berlin) wo das auch schon läuft, die integrierte Versorgung - bin jedoch auf das u.g. gestossen:

Modell in Berlin
Pflege: Pflegeheim mit Arzt - Berlin ist Vorbild - Berlin - Tagesspiegel

auch das gefunden, für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
Ein Plus im Altenheim « pflegepolitik

und das, von 2009, Ergebnis: Dieses Modellprojekt spart Geld, ist NICHT teuer.
Sozialverband VdK Bayern - VdK fordert "Arzt im Pflegeheim"
"......Bei einem erfolgreich durchgeführten Modellprojekt in einem Heim der Arbeiterwohlfahrt in München konnten durch den "Arzt im Pflegeheim" 200.000 Euro im Jahr für Krankentransporte und Klinikaufenthalte der Patienten eingespart werden. Auch ist der Medikamentenverbrauch der Heimbewohner nachweislich gesunken.
Die VdK-Vorsitzende appellierte deshalb an die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung, den "Arzt im Pflegeheim" in bayerischen Einrichtungen zu installieren. Mascher: "Bayern sollte sich ein Beispiel an Berlin nehmen, wo bereits 40 Pflegeheime sehr erfolgreich mit festangestellten Ärzten arbeiten, wovon die Pflegebedürftigen als auch die Krankenkassen gleichermaßen profitieren." (Michael Pausder)..."


und dies, aus Baden-Württemberg, gilt seit dem 1.1.2011
AOK-Gesundheitspartner - Baden-Württemberg - Arzt und Praxis - IV Verträge - Integrierte Versorgung Pflegeheim (IVP)
".....An der IVP [Integrierte Versorgung Pflegeheim] können beigetretene HZV-Ärzte und HZV-Versicherte teilnehmen. Die IVP-/HZV-Ärzte bilden gemeinsam mit der beigetreten]en Pflegeeinrichtung ein enges Versorgungsnetz. Nach erfolgreicher Umsetzung und Bewertung des Projektes in der Modellregionen Stuttgart/Esslingen ist die Weiterentwicklung des Vertrages, die Einbeziehung weiterer Pflegeheimträger und Pflegeeinrichtungen sowie die flächendeckende Umsetzung in Baden-Württemberg vorgesehen...."

Ethik in der Medizin, Volume 19, Number 4 - SpringerLink
"....Der „Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ vom 17. 10. 2007 sieht Regelungen zur Einbeziehung von stationären Pflegeeinrichtungen in die ambulante ärztliche GKV-Versorgung vor......
schon bestehender Möglichkeiten der Verzahnung der ambulanten ärztlichen und der stationären pflegerischen Versorgung. Das geplante Modell verfolgt das begrüßenswerte Ziel, die gelegentlich als unzureichend beschriebene ambulante ärztliche Betreuung von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen zu verbessern, Schnittstellenprobleme abzubauen und gleichzeitig der gesetzlichen Krankenversicherung unnötige Transport- und Krankenhauskosten zu ersparen. Es ist jedoch nur ein rudimentäres Heimarztmodell, da es gerade keine flächendeckende Versorgung der Heimbewohner mit Heimärzten erreichen will...."
 
Die bessere Verzahnung läuft bisher nur in den beschriebenen Modellprojekten. Geändert wurde dadurch (leider) noch nichts - weil das eben eine komplette Umstrukturierung bedeuten würde. D.h. die Politik müsste den Freiraum dazu schaffen. Und wir wissen doch, wie schwer die es im Gesundheitsministerium haben - nur junge Leute und so eine hohe Fluktuationsrate... :P
 
@-Claudia-
....o.k., nochmal alles durch....brrt, brrrt, brrrrrrt.

Im Link des Berliner Tagesspiegels, Berlin macht das seit 1998(!), das 15. Jahr schon

"......38 der rund 270 stationären Pflegeeinrichtungen der Stadt sind beteiligt....
...aktuelle Debatte, 2012....AOK und KV haben signalisiert...die Verhandlungen wieder aufzunehmen..."
nachdem 2005 Verhandlungen abgebrochen wurden weil die Krankenversicherung mehr Geld für die Ärzte haben, die AOK weniger zahlen wollte
DA - BAYERN: In Bayern wurde kürzlich ein ähnliches Vorhaben gestartet....."


Stuttgart/Esslingen bleibt im Rennen, es ging ein Projekt voraus, seit 1.1.11 ist es das nicht mehr UND eine flächendeckende Umsetzung in BW ist vorgesehen. Da man ja festgestellt hat (Altenheim-Betreiber, Krankenkasse) dass es letztlich billiger ist...
....die Schwaben - die hams drauf, das sparen, gell!

Im welt-online Artikel wird die sog. Priscus-Liste genannt, kennt, nutzt die schon jemand?
http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf
 
Ich komme zwar auch aus einem Krankenhaus, aber wir nehmen die Patienten ja auf und generell hat sich die Gabe von Stimmungsaufhellern und Psychopharmaka verändert und zwar meistens weniger bei den dementen Patienten mit Weglauftendenz, die wir aus Pflegeheimen übernehmen, sondern jeder 2. auch jüngere Patient scheint solche Medikamente verordnet zu bekommen.

Die Patienten, die wir aus Pflegeheimen bekommen und die eine Weglauftendenz haben oder umherirrren, haben diese Medikamente zumindest laut Medikamentenzettel vom Hausarzt weniger verordnet bekommen.

Wenn es zu arg wird, daß man seine Akutfälle nicht mehr betreuen kann, dann wird bei uns ein Neurologe oder Psychiater gerufen.

Meist erhöht sich bei einer medikamentösen Ruhigstellung das Sturzrisiko.

Früher konnten wir Sitzwachen anfordern, was heute leider nicht mehr vom Arbeitgeber aus möglich ist. Deshalb besteht die Anordnung für ein Überwachungsbett für solche Patienten. Allerdings würde ich davon ausgehen, daß damit die Qualität der Überwachung der medizinisch kritischen Fälle sinkt.

Wir stellen in der Klinik solche Patienten meist gerne in Sichtweite auf den Flur. Nun sind das alles 2- und 3 Bettzimmer, bei denen man den frischoperierten Patienten das Herumgeistern die ganze Nacht nicht unbedingt zumuten kann.

Das Thema ist für die Klinik sicherlich genauso interessant, wie auch für pflegende Angehörige, die ihre dementen alten Verwandten versuchen zuhause
zu versorgen.

Die Techniken um einen unruhigen Nachtwanderer auf natürliche Art etwas zu beruhigen, z.B. mit leisem Radio oder Fernseher anmachen, die mir von einem Altenpfleger angeraten wurden sind allerdings für das Krankenhaus unpraktikabel. Denn der Erfolg ist, daß sich die Mitpatienten dann über das Pflegepersonal beschweren, daß den Fernseher oder das Radio leise angestellt hat, während es sich ansonsten über den unruhigen Patienten beschwert wird.

Der Unterschied liegt im Gespräch, daß man mit seiner Verwaltung danach führen muß, daß weniger unangenehm wird, wenn sich über einen Mitpatienten beschwert wird als über das Pflegepersonal.

Sorry, aber ein "Nachtwanderer" schmeißt einem nachts schon mal die ganze Abteilung und man bekommt seine frischoperierten Patienten, nur noch unzureichend versorgt und bringt diese in Gefahr.

Wenn ich mir das anschaue, ( und bei uns gehen diese Patienten ja meist rasch wieder nachhause), dann tun mir die Kollegen in der Altenpflege leid und eine Anstellung im Altenheim käme für mich aus diesem Grund überhaupt nicht infrage (darf man so ehrlich sein, daß zu sagen, ohne zerfetzt zu werden?).

Liebe Grüße fearn
 
Bei solchen Nebenwirkungen von Haloperidol sollte man lieber auf andere Mittel zurückgreifen...

Das schlimmste ist eigentlich, dass Haldol teilweise frei im Netz zu kaufen gibt bzw. gab.