Intensivtagebuch

Wie beschreibst du Fremdaggressionen bei Patienten und Beschimpfungen die der Patient in dieser Zeit von sich gegeben hat?

Ich könnte mir vorstellen, dass es schwierig für den Patienten ist zu lesen, dass er jemanden getreten hat oder bespuckt hat, wahlweise Beschimpfungen weit unter der Gürtellinie.

Dass Patienten Lücken während des Intensivaufenthaltes haben weiss ich, auch ohne Tagebuch. Diese Zeit wird meist verdrängt nach der Verlegung.
 
Ich hab zwar auch noch nie davon gehört, aber ich finde das eine wirklich ganz tolle Idee! Kann mir sehr gut vorstellen, dass es den Patienten sehr hilft dieses Tagebuch zur Aufarbeitung der Intensivzeit zu lesen. Und ich denke auch, dass es Angehörigen, die ja oft das Gefühl haben nichts für den Patienten tun zu können, auch sehr hilft indem sie dieses Tagebuch für ihn führen.
 
Eine Frage an die Psychiatriefachkräfte unter uns: wie entsteht eine PTBS? Warum hat nicht jeder dieses Problem nach einem bedrohlichen Erlebnis? Welche Prophylaxe würdet ihr empfehlen?

Elisabeth
 
Wie beschreibst du Fremdagressionen bei Patienten und Beschimpfungen die der Patient in dieser Zeit von sich gegeben hat?

Ich könnte mir vorstellen, dass es schwierig für den Patienten ist zu lesen, dass er jemanden getreten hat oder bespuckt hat, wahlweise Beschimpfungen weit unter der Gürtellinie.

Dass Patienten Lücken während des Intensivaufenthaltes haben weiss ich, auch ohne Tagebuch. Diese Zeit wird meist verdrängt nach der Verlegung.

Wenn ich mich recht erinnere, sind auf der Seite "Patiententagebuch" einige Beispiele angegeben. Wir sprechen hier jetzt gerade natürlich von einem Extrembeispiel. Man kann aber auch solche Situationen taktvoll beschreiben.

Ich kann mit dem Ausdruck "Verdrängung" nichts anfangen. Was meinst du mit Verdrängung, woher weißt du, dass die Zeit des Intensivaufenthalts meist "verdrängt" wird?
 
Wie die Facharbeit einer meiner Kollegin ergeben hat, streichen viele Patienten ihren Intensivaufenthalt aus dem Kopf - was mit dem Tagebuch nicht mehr möglich ist. Sie hat Langzeitpatienten nach Verlegung befragt an was sie sich noch erinnern. Diese Facharbeit ist sicher nicht repräsentativ.

Bei vielen kam als Antwort es hätte andauernd geregnet in der Zeit (Sauerstoffsprudler) bzw. sie hätten keine klare Erinnerungen und fänden das auch besser so. Deshalb auch meine Frage, was macht ihr bei Patienten die das nicht wollen.

Elisabeth, zu posttraumatischen Belastungsstörungen gibt es bei google jede Menge Links - da wird dir auch erklärt warum manche mehr darunter leiden als andere.
 
@narde2003: Ich wollte die Kollegen aus der Psychiatrie einfach mit einladen, ihre Sichtweise zu dem Thema mit einzubringen. Es streift ja ungewollt ihr Fachgebiet. Und ich denke, sie können anhand eigener Erfahrungen erklären, ob so ein Tagebuch eine Relevanz in der Therapie des PTBS haben könnte.

Zum Begreifen einer Situation, kurz vor Ostern passt dies glaub ich ganz gut:
Jesus und Thomas Joh 20,24-29
Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!

Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!

Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Um eine Situation zu begreifen, zu verstehen und annehmen zu können, gehört glaube ich mehr als das geschriebene Wort. Und ich denke auch, dass unser Körper bewusst diese Zeit ausblendet- sozusagen als Selbstschutz.

Diese Verdrängung bricht erst dann weg, wenn eine erneute Konfrontation mit dem unangehmen Reiz erfolgt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dann der Betreffende zum Schrank läuft und nach dem Tagebuch sucht.

Es ist sicher eine gute Idee, für die Patienten und Angehörigen, die sich dafür interessieren. Mehr ist es aber auch nicht.

Elisabeth
 
Also, mich ermüdet hier diese Diskussion. Das Patiententagebuch ist in den nordischen Ländern seit 20 Jahren in Gebrauch und wird auch seitdem wissenschaftlich untersucht. Und diese Untersuchungen haben einen positiven Effekt nachweisen können. Wir sprechen hier nicht von einer schrulligen Idee einiger Elchjäger.

Ich verweise da mal wieder auf die Homepage: Patiententagebuch. Man könnte auch mal "Traumland Intensivstation" googeln. Da steht auch ein bisschen. Wir brauchen also nicht das Pferd von hinten aufzäumen und über den Sinn des Tagebuchs diskutieren.

Ich lebe nicht in Deutschland und es ist mir auch herzlich egal, ob nun die deutschen Krankenpflegekräfte aus dem Pudding kommen wollen oder nicht. Da war lediglich eine Frage im Forum und auf die wollte ich antworten. Ganz einfach.

Aber es ist doch wirklich interessant, wie hier mit Klauen und Zähnen jegliche "Neuerung" oder auch jede andere Idee systematisch unterminiert wird. Die deutschen Pflegekräfte haben nicht nur mit den täglichen Fährnissen am Arbeitsplatz zu tun. Sie haben ständig die destruktiven Kommentare ihrer eigenen Berufskollegen am Hals. Und die sind überflüssig wie ein Kropf.
 
Hallo Ihr lieben,

vielen Dank für diese super Diskussion, sie spiegelt so ziemlich das Kräfteverhältnis auf meiner Station wieder, aber ich denke, mit etwas mehr Überzeugungsarbeit kann ich zumindest einen Teil meiner Kollegen motivieren das Projekt zu unterstützen.

Grüße aus OWL
Bernie68 :thinker:
 
Nicht falsch verstehen, ich finde es eine gute Idee, die Einträge sollten auch ehrlich sein und nach wie vor mein Favorit ist die Führung des Buches durch Angehörige.

Der Patient sollte in meinen Augen frei entscheiden ob er es will oder nicht. Meiner Meinung nach nicht wenn er von Intensiv verlegt wird, sondern einige Tage später oder bei Entlassung.

Den Zeitaufwand halte ich für minimal.
 
Wenn der Gegenwind kräftig bläst, dann knicken nicht wenige Idealisten ein, statt zu überlegen- wo liegt der Knoten den es zu lösen gilt. Eine Rundumverurteilung ist halt leichter als sich Gedanken zu machen: wie bringe ich eine Idee an den Mann? Auf die hier versuchte Art und Weise sicher nicht.

Ansonsten schließe ich mich Narde an. Ich denke, es ist wichtig den oft hilflosen Angehörigen ins Boot zu holen. Diese wollen oft helfen und wissen nicht wie. Gemeinsam so ein Tagebuch zu führen halte ich durchaus für sinnvoll... und wer weiß, vielleicht bekommt man auf diese Art und Weise auch eine Anerkennung der Mühe und macht es dann auch für Menschen ohne Angehörige.

Mich würde interessieren, ob dieses Buch nur Fakten enthalten sollte oder eher die Gefühle einen großen Anteil einnehmen sollten. Fakten kann der Patient ja anhand der Krankenakte einsehen: wann mobilisiert, usw.

Elisabeth
 
Hallo !

Ich habe von einigen Patienten gehört, dass sie sich eben nicht erinnern können, was genau passiert ist, und die Erinnerungslücke setzt sich teilweise auch auf der normalen Abteilung fort. Ich habe einen Patienten befragt, dessen Erinnerungen erst einige Tage nach Verlegung von der Intensiv wieder eingesetzt haben.

Was wir uns oft nicht bewusst machen, ist die Tatsache, dass Patienten diese für sie oft unbegreifliche Zeit auch nicht mit anderen Menschen kommunizieren können. Sie schweigen, weil ja alle anderen denken müssen "Der spinnt" (Zitat eines Patienten). Ein anderer Patient hat es umschrieben mit: Das Tagebuch hat mir geholfen, meine Verrücktheit wieder in den Griff zu bekommen.

Morgen früh wird ein ehemaliger Patient, der lange Zeit in einem deliranten Zustand auf der IPS war, endlich nach Hause entlassen. Ich habe diesen Patienten auf der Normalstation besucht, um seine Zeit bei uns mit ihm anzuschauen. Die Tagebuchidee hat ihm geholfen, sein Ängste zumindest zum Teil zu bearbeiten. Er hat auch später auf der Abteilung die Pflegenden gebeten, Einträge in sein Tagebuch zu machen, obwohl er ja schon wieder orientiert und adäquat war.

Es steht dem Patienten natürlich frei, das Tagebuch zu lesen, oder auch nicht. Wir empfehlen, dass er das Tagebuch beim ersten mal nicht alleine liest. Wenn ein Patient das Tagebuch nicht haben möchte, dann wird es bei uns für ein Jahr aufbewahrt. In dieser Zeit kann er immer noch kommen, und sein Tagebuch verlangen. Ebenso verfahren wir mit Patiententagebüchern, bei denen der Patient verstorben ist. Angehörigen fällt es manchmal schwer, nach dieser schweren emotionalen Zeit, das Tagebuch anzunehmen, haben aber später doch das Bedürfnis, das Tagebuch zu lesen.

Liebe Grüsse
Dirk
 
Guten Morgen Dirk,

danke für deine Darstellung, das ist es wie ich es auch für positiv empfinde, das Tagebuch zu führen. Ich kann mich an viele Patienten erinnern, die während ihres Aufenthaltes sehr "wirr" waren, teilweise auch durch unsere damaligen Versuche "Anreize" zu schaffen. Ein Mandala am Bettgalgen mit dem Sonnensystem führte dazu, dass die Patientin sich in die Erdumlaufbahn geschossen fühlte und den Weg zum Himmel nicht fand...

Wenn ich das Tagebuch mit dem Patienten "nachbearbeite" und es ihm bei der Verlegung nicht sofort aufdränge, gefällt mir die Idee sehr gut.

Erkennen dich die Patienten wieder, wenn du kommst? Ich hatte eine Patientin nach Intensivaufenthalt auf einer Allgemeinstation betreut, auf Intensiv sehr häufig, auch im für mich klar und orientiert wirkenden Zustand die mich nicht erkannt hat und auch mit meinem Namen nix anfangen konnte.

Liebe Grüsse
Narde
 
Guten Morgen, Narde!

Manchmal erkennen mich die Patienten sofort, andere kennen mich gar nicht (mehr), ich hab auch schon gehört, dass sie glauben, mich an der Stimme erkennen zu können.

Schönen Tag
und müde Grüsse nach dem Nachtdienst...

Dirk
 
Guten Morgen,

und vielen Dank Euch allen. Mein Referat gestern zum Thema ist super gelaufen. Dank Eurer vielschichtigen Beiträge konnte ich alle Seiten des Themas beleuchten.

Einen schönen Tag wünscht
Bernd aus Langenberg
 
Für welche Stellung hast du dich entschieden?

Kannst eine kurze Zusammenfassung einstellen?
 
Was mir ernstliche Sorgen bereitet ist die Frage, WAS und WIE manche Kollegen in dieses Buch schreiben würden... ich fürchte, man müsste da tatsächlich lektoral nacharbeiten...

DS
 
Für welche Stellung hast du dich entschieden?

Kannst eine kurze Zusammenfassung einstellen?

Hallo Narde,
ich war eigentlich von Anfang an pro Tagebuch und habe deshalb den Kontakt zu P. Nydahl und D. Knück gemieden um weitestgehend objektiv bleiben zu können. Was ich dann selber recherchiert habe, gerade auch im Hinblick auf PTSD hat dann die letzten Zweifel ausgeräumt. Momentan bin ich gerade auf der Suche nach einigen Mitstreitern in meiner Abteilung um mal ein Pilotprojekt zu starten.

Lieber Student,
trau Deinen Kollegen erstmal nur Gutes zu.

Liebe Grüße aus dem schönen Langenberg
Bernie68
 
Ich habe persönlich keine Erfahrung damit, finde den Ansatz aber recht interessant. Allerdings sieht es hier so aus, dass wir aufgrund ständiger Überlastung, chronischer Unterbesetzung und Dauerstress in der Regel erst nach Dienstschluss zur Dokumentation kommen.

Und ganz ehrlich: So sehr fühle ich mich dem "größeren Wohl" des Patienten nicht verbunden, als dass ich in meiner Freizeit noch Tagebuch führe. Es ist nur ein Job - die Zeiten, in denen sich Pflegekräfte selbstaufopfernd der Arbeit hingegeben haben, sind vorbei (auch wenn wir uns berufspolitisch fast immer noch in diesen Zeiten bewegen).

Sollten die Rahmenbedingungen stimmen und die Zeit da sein, sollte so etwas von der Klinikleitung / PDL unterstützt, anerkannt und bezahlt werden, dann sehe ich nichts, was noch dagegen spricht.
 
Hallo,

bin heute den 1. Tag hier, sorry, daß ich neu mit dieser Diskussion anfange.

Schreibe im Rahmen meiner Fachweiterbildung Anästhesie/Intensiv meine Facharbeit über das Intensivtagebuch. Wer kann mir Informationen oder Facharbeiten zur Verfügung stellen?

Sg Bergfee79
 
Auch wenn du den ersten Tag hier bist, kannst du die Suchfunktion nutzen und den Thread lesen, in dem du deine Anfrage postest.

Hier im Forum gibt es einige Informationen zu dem Thema. Dass dir jemand seine Facharbeit als Vorlage oder Inspiration zur Verfügung stellen wird, bezweifle ich allerdings.