Die Volksbegehren für mehr Personal im Krankenhaus

Update Hamburg:
Das Hamburgische Verfassungsgericht hat das "Volksbegehren gegen den Pflegenotstand" für unzulässig erklärt.
Und zwar aufrgund eines völlig an der Sache vorbei gehenden formalen Fehlers:
Das Volksbegehren dürfe nicht abgehalten werden, sagte Gerichtspräsident Friedrich-Joachim Mehmel am Dienstag.
Als Grund nannte er die mehrfache Überarbeitung des Antrags, der die Grenzen der Zulässigkeit nicht wahre.

Ich hatte es ja schon fast befürchtet: das Gericht hat gar nicht erst die Zulässigkeit prüfen müssen, ob es überhaupt in der Landeskompetenz liegen kann, dass solche Personalregelungen in den Landeskrankenhausplänen festgelegt werden. Es konnte das Volksbegehren schon alleine aus einem formalen Antragsfehler heraus ablehnen.

Nun stellt sich die Frage, wie es weitergehen kann?
Legt das bayerische Volksbegehren genauso eine Bruchlandung vor deren Verfassungsgericht hin?

Die Politik wird es freuen, jetzt kann das Thema Pflegepersonalbedarf endgültig ad acta gelegt werden, und wir werden uns mit der Pflegepersonalunterbesetzungsverordnung von Spahn zufrieden geben müssen.

Für mich tut sich da gerade ein großer Graben auf und ich bin dermaßen frustriert, dass ich knapp am Aufgeben bin. Dieser Beruf scheint nicht mehr zu retten zu sein.

spflegerle
 
OK, der Bericht auf NDR gibt noch weitergehende Informationen:
Die Richter begründeten ihre einstimmige Entscheidung unter anderem mit formalen Gründen: Nach ihrer Überzeugung wurde das Volksbegehren zu stark überarbeitet. Auch inhaltlich verwarf das Verfassungsgericht das Volksbegehren - zum Beispiel, weil es nicht nur mehr Pflegepersonal, sondern auch mehr Reinigungspersonal in Krankenhäusern forderte. Dieses Verknüpfen von zwei Forderungen sei nicht erlaubt.

Und noch in einem weiteren, entscheidenden Punkt verwarfen die Richter das Volksbegehren: In erster Linie sei der Bund zuständig, Hamburg könne nicht im Alleingang über die Personalausstattung von Kliniken entscheiden.

Also gleich ein Dreifach-KO: Formfehler + inhaltliche Unzulässigkeit.

Damit ist natürlich klar, dass es den noch ausstehenden Volksbegehren nicht anders gehen wird, da sie sich sowohl inhaltlich bzgl. Verknüpfung von Pflegepersonal und Reinigung, als auch was die Gesetzgebungskompetenz angeht, gleichen. Zudem wird man sich auch im Berliner Volksbegehren auf den formalen Fehler von Nachkorrekturen berufen können, auch wenn diese Nachkorrekturen lediglich Begriffsdefinitionen konkretisiert haben.

Also alles völlig umsonst...

spflegerle
 
Update Bremen:
Auch in Bremen wartet man nun auf eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Volksbegehrens.
Dass der Bremer Staatsgerichtshof anders entscheidet, als das Hamburgische Verfassungsgericht ist wohl eher unwahrscheinlich, wäre aber natürlich wünschenswert und wichtig.

Ich könnte mir vorstellen, dass es durchaus Entscheidungspielraum gibt, was das Kopplungsverbot ("Mehr Pflegepersonal" und "Mehr Reinigungspersonal") angeht, schliesslich liesse sich das durchaus als eine Forderung nach "Mehr Qualität" zusammenfassen.
Aber dass die Bremer Verfassungsrichter eine andere Haltung bzgl. Bundes- und Landeszuständigkeit haben, ist wohl nicht zu erwarten.

Nun gut, die Entscheidung liegt bei dem zuständigen Gericht. Vielleicht geschieht ja mal ein Wunder...?

Gruß spflegerle
 
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Update Berlin:
Nun hat sich endlich - nach über einem Jahr - auch der Berliner Senat mal dazu aufgerafft, seine Stellungnahme bzgl. "Volksbegehren für gesunde Krankenhäuser" abzugeben, und wie zu erwarten war, hat der Senat das Volksbegehren abgelehnt, so dass nun auch in Berlin das Landesverfassungsgericht als letzte Instanz zu entscheiden hat.

Es ist schon beschämend, dass eine Rot-Rot-Grüne Landesregierung sich so lange Zeit lässt, bis sie zu einem Ergebnis kommt. Es wird Zeit, dass die Berliner Landesverfassung bzgl. Volksbegehren um eine zeitliche Vorgabe für Entscheidungsfindungen erweitert wird, wie es das konservative Bayern zB implementiert hat. Da könnten die linken Fraktionen von den Konservativen mal was lernen...

Wie das Ganze am Ende ausgehen wird, ist wohl abzusehen: das Projekt Volksbegehren-für-mehr-Personal im Krankenhaus scheint längst gestorben zu sein.

Immerhin hat sich der Regierende Bürgermeister und Aufsichtsrat-Chef der landeseigenen Charité, Michael Müller, dazu entschieden, ein neues Universitätsmedizingesetz ins Abgeordnetenhaus einzubringen mit dem Ziel, die Pflege mit im Vorstand der Berliner Charité einzubinden. Das wäre auf jeden Fall ein Fortschritt. Bleibt abzuwarten, ob die Wahl dieser Person nicht zum Sargnagel für die Pflege an der Charité wird...
 
Update Bayern:
Die News.Redaktion hier auf dem board hat es zwar auch schon verlinkt, aber der Vollständigkeit halber will ich es hier auf diesem thread auch noch einmal tun --> Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat - wie zu erwarten war - das Volksbegehren "Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern" für unzulässig erklärt. Die Begründung ist die selbe, wie auch schon in Hamburg: zum einen wird auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes verwiesen, zum anderen wird die Unzulässigkeit der Koppelung von den Forderungen nach "mehr Personal" und "besseren Hygienerichtlinien" angeführt.

Die Entscheidungen der Landesverfassungsorgane in Bremen und Berlin stehen noch aus, es ist aber nicht zu erwarten, dass die Entscheidungen dort anders ausfallen sollten, als schon in Hamburg und Bayern.

Schade eigentlich. Auch wenn Herr Spahn im Gegensatz zu allen seinen VorgängerInnen tatsächlich Bewegung in die Gesundheitspolitik bringt, gelingt es ihm nicht, das grundsätzliche Problem der Krankenhausfinanzierung und der bedarfsgerechten Ausstattung mit Personal zu lösen. Auf den Bund können wir uns jedenfalls nicht verlassen.

Wenn es auf Landesebene nicht zu lösen ist, sollten wir wohl endlich mal über einen flächendeckenden Streik auf Bundesebene nachdenken.
Ich träume immer noch von der finnischen Lösung: 90% in der Gewerkschaft organisierte Pflegekräfte und dann gemeinsame Kündigung aller Gewerkschaftsmitglieder zu einem festgelegten Zeitpunkt...
Man darf ja wohl noch träumen... :engel:

Gruß spflegerle
 
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Auch wenn Herr Spahn im Gegensatz zu allen seinen VorgängerInnen tatsächlich Bewegung in die Gesundheitspolitik bringt, gelingt es ihm nicht, das grundsätzliche Problem der Krankenhausfinanzierung und der bedarfsgerechten Ausstattung mit Personal zu lösen.
Ich bin sehr froh darüber, dass unsere Judikative unabhängig von den führenden Politikern agieren darf (es gibt zuviele Länder, in denen das nicht der Fall ist). Zudem bin ich ehrlich gesagt enttäuscht darüber, dass das Volksbegehren offenbar solche Fehler aufweist - entschuldige bitte, aber wie kann es sein, dass es derart diletantisch verfasst wurde?

Finnische Lösung in Deutschland? Das wäre schön. Würde uns aber auch kein zusätzliches Personal im Handumdrehen bescheren können. Im Augenblick wird jede neu geschaffene Pflegestelle voll finanziert. Aber es gibt nicht genug Leute, um die Stellen zu besetzen.
 
Zudem bin ich ehrlich gesagt enttäuscht darüber, dass das Volksbegehren offenbar solche Fehler aufweist - entschuldige bitte, aber wie kann es sein, dass es derart diletantisch verfasst wurde?

Das Problem bei der juristischen Vorab-Prüfung war wohl, dass die Volksbegehren in ihren jeweiligen Fassungen lange vor irgendwelchen bundesweiten Regelungen entworfen wurden. Und damit wäre durchaus juristisch korrekt eine Regelung über die jeweiligen Landeskrankenhauspläne möglich gewesen. Die Volksbegehren wurden sozusagen von Herrn Spahns HauRuck-Untergrenzenverordnung ausgehebelt. Damit wurde uns die Möglichkeit genommen, per Landesverordnung bessere Regelungen anzustoßen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

Das Problem des Kopplungsverbotes wurde unterschätzt, denn aus unserer pflegerischen Sicht ist die Hygiene durchaus ein wichtiger Aspekt und die Hygieneregeln im Volksbegehren sollten ja zusammen mit dem Aufstocken des Pflegepersonales als Gesamtpaket zur Patientensicherheit beitragen, und genau das war ja auch der Grundtenor der Volksbegehren: Eine umfassende Regelung bzgl. allen Aspekten, die die Patientensicherheit erhöhen. Dass das Ganze dann von den jeweiligen Verfassungsgerichten als Koppelung von den Forderungen "Mehr Personal" und "Mehr Hygiene" für unzulässig erklärt wurde, ist Auslegungssache, die eben andere Juristen so nicht gesehen hatten.

Einzig das Problem in Bremen, dass nach Einreichen des Volksbegehrens (also nach der Unterschriftensammlung) einzelne Passagen, so unwichtig sie auch sein mochten, noch geändert wurden, und das dann als unzulässig erklärt wurde, ist ein FauxPas, den man sich sparen hätte können. Aber das war dann auch schon egal...

Und entscheidend ist doch: die Politik hat fertig ausformulierte Regelungen bekommen, die sie hätte übernehmen können, wenn der politische Wille zu echten Verbesserungen wirklich da gewesen wäre. Dass aber genau das abgelehnt wurde, hat doch mal wieder eindrucksvoll gezeigt, dass alles Politikergeschwätz genau das ist: Geschwätz, und nichts weiter. Wo kein Wille ist, ist eben auch kein Weg...

Gruß spflegerle
 
Das sehe ich ein wenig anders als Du...
Das Problem bei der juristischen Vorab-Prüfung war wohl, dass die Volksbegehren in ihren jeweiligen Fassungen lange vor irgendwelchen bundesweiten Regelungen entworfen wurden. Und damit wäre durchaus juristisch korrekt eine Regelung über die jeweiligen Landeskrankenhauspläne möglich gewesen. Die Volksbegehren wurden sozusagen von Herrn Spahns HauRuck-Untergrenzenverordnung ausgehebelt. Damit wurde uns die Möglichkeit genommen, per Landesverordnung bessere Regelungen anzustoßen.
Das halte ich für komplett vorgeschoben, denn es gibt m. W. nirgends ein Gesetz, daß es verbieten würde, daß z. B. in einem Bundesland noch "bessere" Untergrenzen eingeführt werden, als es der Bund vorschreibt.
Das Problem des Kopplungsverbotes wurde unterschätzt, denn aus unserer pflegerischen Sicht ist die Hygiene durchaus ein wichtiger Aspekt und die Hygieneregeln im Volksbegehren sollten ja zusammen mit dem Aufstocken des Pflegepersonales als Gesamtpaket zur Patientensicherheit beitragen, und genau das war ja auch der Grundtenor der Volksbegehren: Eine umfassende Regelung bzgl. allen Aspekten, die die Patientensicherheit erhöhen. Dass das Ganze dann von den jeweiligen Verfassungsgerichten als Koppelung von den Forderungen "Mehr Personal" und "Mehr Hygiene" für unzulässig erklärt wurde, ist Auslegungssache, die eben andere Juristen so nicht gesehen hatten.
Nein, gerade durch das "Gesamtpaket" hat man eindeutig gegen ein (bayerisches) Gesetz verstoßen:

"Aus dem Grundrecht auf Teilhabe an der Staatsgewalt (Art. 7 Abs. 2 BV) und Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BV – "Träger der Staatsgewalt ist das Volk" – folgt, dass der Bürger bei den Einzelakten der Volksgesetzgebung die Möglichkeit haben muss, seinen eigenen, autonomen und souveränen Willen unverfälscht und unverkürzt zum Ausdruck zu bringen. Deshalb ist es nicht zulässig, sachlich nicht zusammenhängende Materien in einem Volksbegehren zu verbinden und dem Bürger so nur noch die Wahl zu lassen, die Regelungen "im Paket" zu befürworten oder abzulehnen."

Quelle:
(dies scheint es auch in anderen Bundesländern wie z. B. Hamburg zu geben).
 
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[QUOTEDeshalb ist es nicht zulässig, sachlich nicht zusammenhängende Materien in einem Volksbegehren zu verbinden und dem Bürger so nur noch die Wahl zu lassen, die Regelungen "im Paket" zu befürworten oder abzulehnen." ][/QUOTE]

Im Hinblick auf die Patientensicherheit ist doch das Thema "ausreichende Personalausstattung" und "Hygiene" absolut sachlich zusammenhängend. Es ist schlicht eine Interpretationssache, die die Verfassungsrichter offenbar anders sehen.
 
Im Hinblick auf die Patientensicherheit ist doch das Thema "ausreichende Personalausstattung" und "Hygiene" absolut sachlich zusammenhängend. Es ist schlicht eine Interpretationssache, die die Verfassungsrichter offenbar anders sehen.
Aber ging’s bei der Hygienegeschichte nicht ums Reinigungspersonal...? :weissnix:
Das könnte man jetzt schon als extra Thema sehen.
Aber vermutlich hast Du recht und das ist interpretierbar.
 

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