Aus für Expertenstandards?

Elisabeth Dinse

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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
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Intensivüberwachung
Pflege-Weiterentwicklungsgesetz und Expertenstandards: Aus für eine fundierte Qualitätsmethodik?

Die 7. Konsensuskonferenz des DNQP am 8.10.08 erschien gleichzeitig wie ein Abgesang auf methodisch fachgerecht entwickelte Expertenstandards. Nicht etwa, weil der zu
konsentierende Standard zu bemängeln wäre, sondern weil jetzt dem BMG eine Verfahrensordnung zur Genehmigung vorliegt, die einer Entmündigung der Pflege und der Pflegewissenschaft zur Definition von Qualität der professionellen pflegerischen Leistung
gleich kommt. Diese Verfahrensordnung wurde von einem Vertreter des GKV Spitzenverbandes bei der Konsensuskonferenz vorgestellt und protestierend, aber mehr noch mit ungläubiger Sprachlosigkeit zur Kenntnis genommen.

Im neuen § 113a des SGB XI heißt es: "Die Vertragsparteien…stellen die Entwicklung und Aktualisierung wissenschaftlich fundierter und fachlich abgestimmter Expertenstandards zur
Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Pflege sicher." Die "Vertragsparteien" sind der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtliche
Träger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und die Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen, also Kosten- und Leistungsträger.
Zur Umsetzung wurde zum 30.9.08 eine Verfahrensordnung verabschiedet, an der kein Pflegeberufsverband geschweige denn eine pflegewissenschaftliche Expertise beteiligt war.

Beim GKV Spitzenverband wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die entscheidet, welche Themen für Expertenstandards gewählt werden, diese ausschreibt, wissenschaftlich entwickeln lässt und nach einer probeweisen Implementierung und einer nachfolgenden
Kosten- und Wirkanalyse entscheidet, ob der Expertenstandard eingeführt werden soll.

Mit diesem Verfahren wird nicht nur die in dem Methodenpapier des DNQP differenziert begründete Methode zur Entwicklung von Expertenstandards in wichtigen Teilen außer Kraft gesetzt und konterkariert, sondern auch die Entscheidung über die Entwicklung und Einführung von Expertenstandards größtenteils in die Hände von Kosten- und Leistungsträgern gelegt. Die naheliegende Vermutung, dass Kostenerwägungen über denen
einer fachlichen Qualität liegen werden, wird mit diesem Vorgehen untermauert. Der Begriff Expertenstandard wird damit ein völlig irreführender sein, die qualitätsgarantierte Expertise ist nicht mehr gegeben.

Die DGP ruft alle Mitglieder auf, diesem Angriff auf das professionelle Selbstverständnis der Pflege und damit letztlich auf den Status der Pflegewissenschaft in Deutschland
entgegenzutreten. Formulieren Sie eine Protestnote an das Bundesgesundheitsministerium (Bundesministerium für Gesundheit - Ministerium), damit diese Verfahrensordnung nicht genehmigt, sondern zur Überarbeitung in geänderter Beteiligung zurückgewiesen wird.

Der Vorstand der DGP
Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik
Prof. Dr. Ulrike Höhmann
Dr. Sabine Metzing-Blau
Heinrich Recken BA
Dipl. Soz. Päd. Ute Schöniger

http://www.dg-pflegewissenschaft.de/Protest2008.pdf
 
Hallo
wie schon Sie geschrieben hatten,habe ich dementsprechend geantwortet per Mail im Ministerium.
MFG
 
So ein Gesetz wird ja nicht von heute auf morgen verabschiedet. Meine Annahme ist: Die Berufsverbände & die DNQP haben es verpennt. Jetzt ist das Geschrei groß und ich glaube nicht dass sich jetzt wieder der alte Stand einsetzen lässt...
 
Ich verstehe die Prolematik sehr gut, mit den Kosten- und Leistungsträgern den Bock zum Gärtner zu bestellen.
Auf lange Sicht gibt es bisher kein positives Beispiel wo so etwas zum Wohl der Leistungsempfänger ausgegangen ist.
Andererseits sehe ich noch keine Entmündigung der Pflege in irgeneiner Form.
Die Geschäftsstelle muss die Standarderstellung ausschreiben.
Hier kann sich jede Pflegeorganisation bewerben.
Erst wenn die Expertenstandards von Nicht-Pflegeexperten erstellt wird, kann von einer Entmündigung der Pflege gesprochen werden.
Weiters kann die Pflege trotzdem Standards erstellen, diese dann bei Gerichtsprozessen den Gutachtern und Anwälten anbieten und darauf hoffen das die Qualitätsdifferenz so gross ist das ein Richter sagt "Nur mit dem Standard der Pflegeorganisationen wäre das nicht passiert!"
Spätstens dann werden die besseren Standards als gerichtstauglich - und nur das interessiert die Leistungserbringer - auch in der Praxis angewandt.
Das die Leistungserbringer beauftragt werden, bedeutet nicht das ein Richter nicht auch anderer Standards für ein Urteil heranziehen darf (Freiheit der Beweiswürdigung).
Deshalb: weiter Standard erarbeiten und die Pflege weiter entwickeln, und wer weiß: vielleicht finden auch die Spitzenverbände an diesen Standards Gefallen?
Abgesehen davon - bisher gab es überhaupt keine aussage das Pflege auch Qualität bieten muss. Deshalb ist so ein Gesetz schon ein Fortschritt, der den Stellenwert der Pflege betont.
LG
Pinguin
 

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