Assessments im Rahmen der Dekubitusprophylaxe

Ich finde Skalen insofern hilfreich, dass ich ein Raster habe in dem ich den Befund eintragen kann. Da dürfte bei den folgenden Kontrollen einfacher sein, diese zu beurteilen. ... Nur, was mach ich, wenn ein Symptom hinzu tritt, dass net in meiner Hausskala abgebildet ist? Insofern beschränken die Skalen den Focus.

Ich tu mich auch schwer, den Menschen zu zerteilen, wenn ich ihn begutachte:
Punkt 1 trifft auf das Risiko bezüglich Deku, Thrombose, Kontraktur und Pneumo zu
Punkt 2 ist ein Problem im Bereich Deku und Pneumo
Punkt 4 sagt etwas über die Gefahr aus, wenn es um Deku, Ernährung und Sturz geht
Punkt 5 bringt Informationen für die Pneumonie- und Thromboseprophylaxe
...

Wieviel Skalen wollen wir denn verwenden in der Pflege? Für jedes Risiko eine und dann alles doppelt dokumentieren? Es muss doch möglich sein, dass Fachkraft anhand einer entsprechenden Pflegeanamnese erkennen kann, wie hoch das Risiko in den verschiednen Bereichen ist. Warum wehren wir uns so vehement dagegen? Weil die Fachkompetenz net ausreicht bei allen Kollegen? Das würde aber im Umkehrschluss bedeuten, dass die Kollegen gar net genau wissen, warum sie da was ankreuzen?

Elisabeth
 
Ich habe den aktualisierten Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe so verstanden: Die Dekubitusrisikoeinschätzung soll gemäß dem neuen Expertenstandard Dekubitusprophylaxe mittels klinischer Risikoeinschätzung und Hautinspektion vorgenommen werden. Der neue Expertenstandard sagt nicht aus, dass man z. B. die Norton-Skala nicht mehr benutzen darf, man darf sich aber nicht allein auf die Skala verlassen: Auch andere Risikofaktoren müssen erfasst und dokumentiert sein.
Für uns stellte sich nicht die Frage, ob wir verschiedene Skalen einführen. Wir haben bisher mit der Norton-Skala gearbeitet, sind aber mit den darin genannten Risikofaktoren nie wirklich zufrieden gewesen. Aus diesem Grund haben wir uns in einer Arbeitsgruppe verschiedene Risikoskalen und Literatur zu Risikofaktoren angeguckt. Mit diesen Informationen wollen wir eine eigene Risikoeinschätzung entwickeln, die auf unsere Patienten abgestimmt ist. (Allerdings könnte uns noch die EDV einen Strich durch die Rechnung machen, da nicht ganz klar ist, ob eine eigene Risikoeinschätzung umfassend in die Maßnahmenplanung eingebettet werden kann.)
Mit unserer eigenen Risikoeinschätzung wird aber auch kein Punktwert errechnet. Die Pflegekraft muss anhand der Risikofaktoren selber entscheiden, ob ein Patient gefährdet ist. Ob ein Risiko vorliegt oder nicht - beides wird eindeutig dokumentiert.
Bei der Norton-Skala haben wir zwar Punkte ausgerechnet - aber letztendlich entscheidet die Pflegekraft, ob ein Risiko besteht und Maßnahmen zu ergreifen sind oder nicht.
Ein Patient kann mit 23 Punkten kein Risiko haben, weil er über genügend Eigenbewegung verfügt: Dokumentation!
Ein Patient kann mit 27 Punkten sehr wohl ein Risiko haben: Dokumentation + Maßnahmenplanung!

Gerhard Schröder beschreibt die Risikoeinschätzung nach dem neuen Expertenstandard in "Die Schwester Der Pfleger" so:
1. Schritt: Bei allen Patienten wird initial zu Beginn der Pflege ein Dekubitusrisiko ausgeschlossen, indem die drei wesentlichen Ursachen eines Dekubitus beobachtet werden. Liegt kein momentanes Risiko vor, wird die Einschätzung aber weiterhin laufend durchgeführt. Die drei wesentlichen Ursachen des Dekubitus sind: Aktivität (Fähigkeit, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen), Mobilität (Fähigkeit, an einem Ort seinen Körper zu bewegen/die Körperposition zu wechseln), externe Risikofaktoren (Faktoren, die druckauslösend sein können: Sonden, Katheter...).
2. Schritt: Kann das Risiko nicht ausgeschlossen werden, so muss eine genauere klinische Einschätzung und eine Hautinspektion der gefährdeten Stellen vorgenommen werden.

Das hört sich sinnvoll an.
 
Du hast den Expertenstandard schon richtig verstanden. Die Skala dient der Dokumentation.
Die Empfehlung geht aber nicht zur Neuentwicklung einer Skala nach Art des Hauses.
Was den Skalen allen angekreidet wird ist, dass diese nicht validiert sind.

Schröder hat übrigens ein neues Buch auf den Markt gebracht - sehr zu empfehlen, für alle die sich mit dem eingehend beschäftigen wollen.
 
Das stimmt. Eine Empfehlung zur Neuentwicklung kann man daraus wohl nicht ableiten.
Die bisherigen Skalen verleiten, meiner Meinung nach, aber leider dazu, einfach nur "Kreuze" zu machen und Punkte zu errechnen, weil man es wöchentlich machen muss.
Und viele Aspekte in den Risikoskalen sind sehr schwammig, werden unterschiedlich ausgelegt und sind teilweise auch nicht nachvollziehbar: z. B. 2 Punkte für "verwirrt", aber 3 Punkte für "apathisch, teilnahmslos" etc.

Wer mag noch aus der Praxis berichten, wie mit dem neuen Expertenstandard umgegangen wird? Welche Konsequenzen hatte dieser auf den Umgang mit Risikoskalen bei Euch?
 

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