Anamnese mit ATLs nach Juchli

SOADQueen

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Krankenschwester
Ich schreibe gerade mal wieder eine Anamnese und schon zum 100ten mal frag ich mich, was ich beim "ATL 13 Sich als Mann oder Frau fühlen" schreiben soll. Hat da jemand eine Idee?
Ich habe schon viele Schwestern gefragt, aber die meisten hatten es einfach frei gelassen, und die jenigen, die was reingeschrieben haben, haben nur etwas reingeschrieben, wenn der Patient sich dagegen sträubt von einer andersgeschlechtlichen Pflegeperson gewaschen zu werden.

Aber was schreibe ich, wenn ich eine ganz normale alte Dame habe, die mit sowas keine Probleme hat?

Hier sind so viele kluge Köpfe, irgendjemand wird das schon wissen! :roll:
 
Bei einer Anamnese geht es ja nicht nur um Probleme...daher würde ich kein Problem suchen was nicht da ist. Man könnte dann z.B. schreiben:
- fühlt sich als Frau / Erscheinungsbild (gepflegt, altersentsprechend???)
- hat normales Scharmgefühl
- kann Gefühle äußern und zeigen
Wie verhhält sich die Nähe und Distanz zu Mitmenschen?
 
ich schreibe ob verheiratet ... usw... allein lebend, im heim..... usw
 
"ATL 13 Sich als Mann oder Frau fühlen" ... ein wohl nie endendes Mißverständnis.

Bei dieser ATL geht es um das Rollenverständnis der Person und der daraus resultierenden Probleme.

Beispiel: Bauarbeiter, Polier, Alleinversorger der Familie, Patriarch ...ereilt ein Schlaganfall mit HalbseitenLähmung und Spachverlust. Welche Auswirkungen hat das auf seine bisherige Rolle im Leben?

Beispiel: junge Frau Anfang 30, 2 Kinder im Alter von 4 und 5 Jahren, Hausfrau und Mutter... erkrankt an Mamma-CA. Welche Auswirkungen hat das auf ihre bisherige Rolle im Leben?

Beispiel: Frau, Anfang 70, agil, organsiert Großfamilie mit mehreren Generationen- sozusagen der Familienvorstand...erkrankt an ???
Welche Auswirkungen hat das auf ihre bisherige Rolle im Leben?

Das beliebte Beispiel mit dem Transsexuellen zielt also nicht auf die geänderte Sexualität ab, sondern auf die Rollenpostion im Leben. Traditionell sind in unseren Breitengraden die Rollen entsprechend verteilt: Mann als Versorger, Frau als Hüterin des Herdes. Die Emanzipation rüttelt bekanntlich heftig an diesem Rollenklischee.

Elisabeth
 
Hier noch ein paar Beispiele:
Mögliche Probleme
- Pat kann sich nicht mehr so kleiden und pflegen, wie er/sie es als Mann/Frau
gerne möchte(empfindet sich als unattraktiv)
- Pat ist durch Schmerzen oder Lähmungen in der Sexualität gestört, kann die
Rolle des Partners nicht oder nur teilweise erfüllen
- Pat kann seine/ihre Meinung nach durch die Behinderung die bisherige Rolle als
Vater/Mutter nicht mehr wie bisher erfüllen
Ermittlung vorhandener Ressourcen
- Wie ist das Verhältnis innerhalb der Familie?
- Wie steht der Pat zu seiner Behinderung?
- Wie sieht der Freundeskreis des Pat aus?
- Welche Empfindungen sind dem Pat erhalten geblieben?
Mögliche Pflegeziele
- Pat kann seine /ihre eingeschränkte Sexualität annehmen
- Pat kann sich weitgehend selbständig pflegen und kleiden und sich so attraktiv,
wie er/sie möchte, zurechtmachen, kann fremde Hilfe dabei akzeptieren
- Pat weiß, dass Sexualität mehr bedeutet als Geschlechtsverkehr, kennt
Möglichkeiten, Zärtlichkeiten zu geben und zu nehmen; der Partner weiß das
ebenfalls und akzeptiert die Behinderung
- Pat kennt alternative Wege, die Rolle des Vaters/der Mutter zu erfüllen; die
Familie akzeptiert die Behinderung des Vaters/der Mutter
Aspekte der Pflegeplanung
- Ressourcen feststellen
- auf ihnen aufbauend, mit dem Pat und dem Partner oder der Familie die
verbliebenen Möglichkeiten einschätzen und Wege zu einem erfüllten Dasein als
Mann oder Frau finden
Mögliche Pflegemaßnahmen
- Pat kleiden und pflegen, wie es seinen Wünschen und Gewohnheiten entspricht,
Frauen schminken, Friseur kommen lassen, sonst Übungen zur Selbständigkeit
- Pat Gespräche anbieten, Möglichkeiten, Alternativen aufzeigen, aus Ressourcen
aufmerksam machen, Pat aufmuntern und unterstützen, Partner mit in die
Gespräche einbeziehen
- Mit dem Pat und der Familie Möglichkeiten suchen, die Vater/Mutter eine
selbstgewählte neue Rolle innerhalb der Familie ermöglichen.

LG
Jette
 
Denke zb auch an eine veränderte Körperbildung Wahrnehmung bei Amputationen, Stomaanlage, Haarausfall nach Strahlentherapie....

oder zb ein Kind welches auf Grund einer Erkrankung nie so stark und fit sein kann wie die Kinder in der Umgebung, und sich evtl deswegen minderwertig vorkommt.
 
Wow, das ist ja wirklich eine ganze Menge, was man dort schreiben kann. Bei mir stand bis jetzt meistens "ohne Besonderheiten" oder "redet offen über verlorenes Bein" oder sowas in der Art.

Dann werden meine Anamnesen ab heute gleich nochmal viel besser! Vielen lieben Dank euch allen! :up:
 
Ich hab die ATLs ja nur im Rahmen eines Crashkurses gelernt.

Ich hätte mich ehedem kugeln können, wenn ich mir vorgestellt habe, wie die gewissenhafte Pflegekraft den armen Pat. nach seinen sexuellen Vorstellungen und Bedürfnissen befragt.

So ist das mit übereifrigen Dozenten, die den Inhalt der Sache auch nur aus zweiter oder dritter Hand haben.

Ich habe vor einigen Jahren mal "Die Elemente der Krankenpflege : Ein Pflegemodell, das auf einem Lebensmodell beruht" von Roper et all gelesen. Da wurde mein Mißverständnis dann aufgeklärt.

Elisabeth
 

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