Als Schwerhörige in der Pflege arbeiten - geht das überhaupt?

Severin

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Beruf
Krankenschwester
Akt. Einsatzbereich
ambulante Pflege
Hallo ihr Lieben ...

Falls es das Thema schon gibt, freue ich mich natürlich auch über Links .. allerdings habe ich bisher nichts dazu gefunden, auch bei google war ich nicht wirklich erfolgreich. Deswegen folgende Frage an euch:

Habt ihr Erfahrung mit Schwerhörigen in der Pflege? Also nicht als Patienten, sondern als Kollegen? Hat jemand von euch schon mit schwerhörigen Kollegen zusammen gearbeitet oder mitbekommen, dass es das überhaupt gibt und kann mir da etwas über den "Erfolg" berichten?
Und wenn nicht - könntet ihr euch vorstellen, dass so etwas funktioniert? Könntet ihr euch für euch selbst vorstellen, mit schwerhörigen Kollegen zusammenzuarbeiten?

Zum Hintergrund: Hören konnte ich schon immer schlecht ;) Jedenfalls wurde bei mir im letzten Jahr eine leichte bis mittelgradige Schwerhörigkeit "offiziell" diagnostiziert, zusätzlich bin ich in den Genuß eines Hörgeräts gekommen, dessen Einstellung sich aber als sehr schwierig erwiesen hat.
Auch mit dem Gerät bin ich momentan an dem Punkt, dass ich zwar in der "direkten Kommunikation"einigermaßen gut" zurecht komme (solange mein Gegenüber halt nicht extremst leise oder undeutlich redet oder die Nebengeräusche ZU laut sind), ich aber Probleme habe, sobald kein Blickkontakt mehr da ist, also derjenige sich umdreht, hinter einem Vorhang steht o.ä.
Dazu kommt, dass ich nur mit Glück jemanden am Telefon verstehe (und manchmal eben auch kein "deutlicher" oder "lauter" reden hilft).

Ich habe bisher (also knapp 13 Jahre) fast nur in ambulanten Diensten gearbeitet (freiwillig ;-) ), habe da allerdings im Laufe des letzten Jahres so viele negative Erfahrungen gemacht, dass ich mittlerweile an dem Punkt bin, dass ich eigentlich ganz aus der Pflege raus möchte, weil ich Angst habe, dass mir bestimmte diverse Fehler (die durch das schlechte Hören zustande kamen) noch einmal unterlaufen und ich dieses Risiko absolut nicht eingehen möchte.
(Dazu kommt noch die psyhische Belastung, die ich mittlerweile halt auch nicht mehr so gut wegstecke, aber das ist noch eine ganz andere Geschichte.)

Ein erster Antrag auf eine Umschulung wurde jetzt mittlerweile abgelehnt - das sei alles kein Grund, nicht mehr in der Pflege arbeiten zu können.

Bleibt also die Frage: Stelle ich mich an? Lassen sich meine Ohren durch weitere Hilfsmittel und die Kollegen so weit ausgleichen, dass ich damit keinen Schaden anrichte?
Wahlweise: Kennt ihr Alternativen, bestimmte Arbeitsbereiche, wo das Gehör vielleicht nicht ganz so wichtig ist?

Falls sich dazu ein paar Antworten / Meinungen finden, würde ich mich wirklich freuen.

Bis dahin habt einen schönen Abend
liebe Grüße
 
Ich habe dem Hörgeräteakkustiker selbstverständlich meinen Beruf mitgeteilt.
Ich habe für die Stationstelefone Magnete bekommen, der Magnet sagt dem Telefonfernem Hörgerät: ausschalten, etwas weniger Nebengeräusche. Wir haben mobile Telefone, ich verschwinde in einen ruhigeren Raum.
Ich bekam vom AG/Krankenhaus ein digitales RR-Gerät.
Ich sage bei Begrüßung von Patienten und Angehörigen (und neuem Personal, egal welcher Profession) immer dass ich schwerhörig bin, mit Konsonantenschwerhörigkeit und oft nicht mitbekomme, wenn ich von hinten angesprochen werde.
Es funktioniert!
Die Pat. reagieren positiv und sind geduldig (obwohl ich häufig nachts arbeite und sie mich gar nicht so gut kennenlernen, wie den Tagdienst).
Meine Kollegen, egal welche Profession können auch gut damit umgehen - amüsieren sich auch oft. Inzwischen sind wir zu dritt im Krankenhaus als schwerhöriges PP.
Mündliche Anordnungen wiederhole ich zur Absicherung.
Also nicht den Mut verlieren
 
Hallo Severin,

ich hab eine Kollegin welche schwerhörig ist und immer Hörgeräte tragen muss. Sobald jeder Bescheid wusste und verstanden hat, welche Stolpersteine es für sie im Thema Kommunikation gibt (um eben diese aus dem Weg zu lassen) hat es gut funktioniert. Ziemlich so, wie Resigniert es geschildert hat. :-)

Und... wenn es einen Menschenschlag als mögliche Kollegen geben sollte, welcher damit entsprechend gut umgehen können sollten, dann doch die, welche eine Pflegeausbildung haben. ;-)

Wenn du dich dennoch nicht für den klassischen Bereich der Pflege, am Pflegebett, geeignet siehst findest du vielleicht einen Weg in eine tätigkeitsverwandte Stelle, welche auch durch Pflegekräfte besetzt werden kann. Ich denke da an Chefarzt- oder Ambulanz-Sekreteriate (das Thema Telefon bietet meine ich auch technische Lösungen an der Stelle an).... vielleicht ist auch die Pflegeberatung / der Pflegestützpunkt geeignet... eben dadurch, dass du deinen Gesprächspartner dann eher kontrolliert dir gegenüber hast, wodurch du die Richtungscharakteristik deiner Hörgeräte voll ausnutzen könntest.

Oder eben gleich in der Pflege von Gehörlosen bzw. stark Höreingeschränkten (bitte nicht falsch verstehen!) - Nahe meinem Krankenhaus gibt es eine spezialisierte Einrichtung für Gehörlose... auch mit Pflegeeinrichtung und Wohngruppen wo Kollegen der gleichen Profession tätig sind. Da könnte ich mir auch vorstellen zu arbeiten, wenn man selbst nicht soooo gut hören kann. Aber das sind nur lose Ideen bzw. Spekulationen meinerseits, quasi ein Versuch die Perspektive der Job-Möglichkeiten zu erweitern, wie von dir erfragt.
 
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Vielen, vielen Dank euch beiden für die ausführlichen Antworten. Das hilft mir wirklich schon ein klein wenig weiter, sowohl für den Fall, dass ich in der Pflege bleibe als auch als Alternatividee. (Wie gesagt, ich bin auch für lose Ideen offen ;) )

Und... wenn es einen Menschenschlag als mögliche Kollegen geben sollte, welcher damit entsprechend gut umgehen können sollten, dann doch die, welche eine Pflegeausbildung haben. ;)
Man sollte genau das denken, ja .. aber grad in der letzten Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass manche zwar mit Schwerhörigen in der Pflege umgehen können, nicht aber mit ihnen als Kollegen, woran auch immer das liegen mag. Und mehr als ständig darauf hinweisen kann ich auch nicht. Aber irgendwie wurde das grundsätzlich ignoriert .. oder hinter'm Rücken geschimpft, weil ich bestimmte Aufgaben halt nicht übernehmen konnte und man das dann eher als "blöde Ausrede" genommen hat.​
 
Hallo.
Bin selber schwerhörig und arbeite in der Pflege. Mittlerweile in der häuslichen Intensivpflege.
Ich kann zumindest sagen dass es für mich nicht unbedingt immer einfach ist aber es geht.
Grad die Toleranz bei Kollegen ließ oft zu wünschen übrig. Manchmal gibts auch Seitenhiebe von Patienten.
Aber nichtsdestotrotz würde ich nichts anderes machen wollen.
 
Hallöchen :)

Habe ebenfalls eine Kollegin mit Hörschwäche (ist auch mit Hörgeräten ausgestattet). Die meiste Zeit merkt man es nicht mal, und bei den Gelegenheiten, bei denen man es merkt (z.B. ebenfalls zu viele Nebengeräusche) klärt man das kurz untereinander und fertig. Gab bisher keine Probleme, weder mit uns als Kollegen noch mit Patienten.
 
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Mir fallen spontan auch nur zwei Dinge ein, die man mit einem Hörgerät nicht machen kann:

Alles wofür man ein Stethoskop braucht (ETT oder MS Lage Kontrolle, RR geht elektronisch)
Und die Kommunikation mit extrem leisen Pat.

Sofern man jetzt nicht in der Amb. Pflege tätig ist, ist man ja auch selten alleine und ich kann mir nicht vorstellen das Kollegen aus Rücksicht nicht aushelfen würden.
Schwerhörige Mitarbeiter kenne ich leider nur eine, und die Dame verteilt allerdings nur Essen und nimmt Essensbestellungen auf (ist aber auch keine Pflegekraft)
 
Hallo,

für Schwerhörige und Hörgeräteträger gibt es spezielle Stethoskope. Die sind aber bestimmt schweineteuer und müssten wohl auch von der Person selber angeschafft werden (notfalls über die RV oder Fürsorgestellen im Rahmen eines behindertengerechten Arbeitsplatzes). Sie sind keinesfalls Standard auf irgendwelchen Stationen.

Wo ich allerdings dachte, dass dieser Schwerhörige eigentlich berufsunfähig ist, war bei einem Psychiater und Psychotherapeut. Der hatte zwar ein Stethoskop mit Verstärker ABER wie soll ein psychisch Kranker traumatisierter Patient, der seine grauenhaften Erlebnisse schildern soll und dieses nur im Flüsterton auf die Reihe bringt, sich mit dem Mann unterhalten und eine gute Bindung aufbauen. Das ist mir ehrlich gesagt schleierhaft. Ich hatte dort eine Patientin hin begleitet und musste alles, was er nach dreimaliger Wiederholung nicht verstanden in den Raum "brüllen", damit der Psychiater wusste, wovon die Rede ist. Mir fiel es sogar schwer die Erlebnisse der Vergewaltigungen durch ihren Ehemann nachzuerzählen. Das würde mit Sicherheit auch für Pflegekräfte einer psychiatrischen Klinik im Grunde das berufliche Aus sein.

Jumanji
 
Früher war das ein Grund, weshalb man in unserem Krankenhaus damals zur Ausbildung abgelehnt wurde.
Das ist Quatsch mit Soße....

Bedeutet es doch, dass man als alternde Krankenschwester den Beruf unter Umständen nicht mehr ausüben könnte,
wenn man mit der Zeit eine Hörschwäche erwirbt.

Ich habe mittlerweile eine 30 % ige Hörschwäche, habe auch schon mit schwerhörigem Pflegepersonal gearbeitet.
Es gab da keinerlei Probleme, die man nicht lösen kann.
Blutdruckmessen kann man digital oder mit einem speziellen Stethoskop und es gibt diverse Hilfsmittel.
Ein einziges mal hatte ich mit der Schwerhörigkeit Probleme. Das war auf einer Station auf der es von Natur
aus einen sehr hohen Geräuschpegel gab. Auf dieser Abteilung wunderte es mich wie "dumm" Pflegepersonal
sein kann, wenn es um Behinderungen geht.

Die Patienten konnten damit durchweg problemlos umgehen. Medizinisches Fachpersonal begreift Behinderungen
und Schwerbehinderungen seltener.

Liebe Grüße Fearn
 

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