Was für Strategien habt ihr für euren "emotionalen" Schutzwall?

maukro_1990

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12.10.2015
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Hallo!

Ich bin seit ca. 2 Jahren examiniert und arbeite seit neusten auf einer geschützten Aufnahmestation in einer großen Psychiatrie. Ich war vorher nicht in der Psychiatrie tätig, wollte aber immer in dem Bereich arbeiten.

Nun, das Arbeiten macht mir sehr großen Spaß aber ich merke das erste mal, dass ich noch mehr an meinen emotionalen "Schutzwall" arbeiten muss. Hatte kürzlich einen Patienten, welcher sich versucht hat mit Insulin umzubringen.... bereits 50 mal!!! .... Er ist zu spät gefunden worden sodass es zu bleibenden Hirnschäden gekommen ist und er nur noch sabbernd über die Station laufen kann. Er muss auch teilw. sichergestellt werden. Auf Anfragen, oder wenn man sich mit ihm unterhält, kann er aber adäquat antworten und erzählen. Natürlich sehr, sehr verlangsamt.

Und dabei habe ich mich ertappt das ich ihm teilweise nicht in die Augen gucken konnte wenn er erzählt hat und ER Augenkontakt zu mir gehalten hat. Ich habe plötzlich so dermaßen Mitleid gehabt das ich sogar an andere Dinge denken musste um "professionell" zu bleiben.
Versteht mich nicht falsch: Ich bin sehr hart im nehmen und nie habe ich so reagieren müssen, aber der Patient ist so jung (gleichalt wie ich) und irgendwie hat mich die Begegnung nen bisschen geflasht.

Kommt dieser "emotionale Schutzwall" automatisch mit der Erfahrung, oder habt ihr da besondere Strategien?

Erfahrungen würden mich sehr interessieren..

Besten Dank!
 
Wenn Du da ein Rezept findest, lasse es Dir patentieren.

Auch nach 40 Jahren im Geschäft überraschen mich meine Kunden immer wieder.
Du wirst ständig an Deine emotionalen Grenzen kommen.

Zum Glück arbeitest Du ... hoffentlich ... im Team:
Spreche (zunächst) ganz offen mit Deinen Kollegen. Die kennen den Patienten und Dich.
Wenn es allzu arg wird, bitte darum, bei diesem Patienten nicht mehr eingesetzt zu werden.
 
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Hallo Makro,
es wird immer wieder Patienten geben, deren Schicksal dich berührt.... mehr berührt als das der anderen.
Das hat auch viel mit eigenen Erfahrungen oder Schicksalen zu tun, dass man sich von manchen Patienten schwerer distanzieren kann als von anderen.
Dass manche Geschichte dich für einige Tage beschäftigt, halte ich aber für völlig normal... anders herum würde mir mehr "Sorgen" machen... wir sind Mensch und empathisch.... da darf man auch mal für einige Zeit am Schicksal anderer "knabbern".... schließlich lernt man dabei immer auch noch etwas über sich selbst...

Wenn du dir einen Schutzwall aufbaust, durch den dann gar nichts mehr dringt, wird es Zeit, den Beruf zu wechseln.
Hinterfrage dich doch noch einmal, ob es wirklich "Mitleid" war oder doch eher "Mitgefühl"....
Mitleid ist nicht professionell, Mitgefühl dagegen schon....

Und für Schicksale, die drohen, dich aus der Bahn zu werfen, gibt es gerade auf psychiatrischen Stationen sicher Supervisionen oder sonstige Unterstützung.

Ich wünsche dir alles Gute!
malu
 
Hi Maukro,
Tipps für einen "emotionalen Schutzwall" habe ich zwar keine, aber was mir immer hilft ist mit Kollegen zu reden, zu denen ich Vertrauen habe und mich gut verstehe. Du kannst natürlich auch mit euer Psychologin und/oder Ärzten reden. Letztes Jahr habe ich sogar mit einer Psychologin außerhalb meiner Arbeit gesprochen, weil ich einfach nicht drüber hinweg kommen konnte, dass die Ethikkommission meinen magersüchtigen Patienten "sterben ließ". Deswegen hatte Schlafstörungen bekommen und wurde auch aggro.
Es kann immer mal wieder vorkommen, dass uns ein Schicksal sehr nahe geht, und ich denke es ist ja auch normal, weil wir mitfühlende Wesen sind, einen Schutzwall würde ich vielleicht auch gar nicht haben wollen.
 
@Maukro

Moin, Moin!

jeder der in der Pflege arbeitet kann Situationen schildern, die ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind.
Ich denke Erfahrung im Umgang damit ist die eine Seite, die anders Seite ist und bleibt, gerade im psychiatrischen Bereich, die Psychohygiene!
Randthema in der Ausbildung aber notwendig im pflegerischen Alltag!

Hobbys, Gespräche, im Grunde alles was Dich ablenkt kann helfen, Dich die Situationen im Alltag besser kanalisieren zu lassen.

... und nur weil dich ein Schicksal eines Patienten emotional berührt bis Du noch lange nicht unprofessionell!!!!
 
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Leider habe auch ich da keine Methoden, mit denen man sich emotional von solchen Ereignissen abschotten kann... Ich glaube, das Einzige was hilft, ist mit Kollegen darüber zu sprechen. Aber ich kann nicht sagen, dass mich so etwas nach einem Gespräch dann nicht mehr berührt oder dass ich irgendwann emotional abgestumpft bin. Ich stimme BellaSwan2012 zu: vielleicht solltest du wirklich mit einem Psychologen außerhalb der Arbeit reden, wenn dich besonders schlimme Fälle sehr mitnehmen.

Liebe Grüße
Xenia
 
Hallo

Meiner Meinung nach braucht man keinen "Schutzwall" sondern es ist eine Frage der professionellen Haltung. Ich kann durchaus Mitgefühl mit einem Nutzer haben und sein Schicksal kann mein Herz rühren. Es ist allerdings das Schicksal des Nutzers, die Verantwortung des Nutzers dessen was passiert - dass heißt nicht dass Betroffene vor Risiken schützen muss.

Wenn ich in eine Position des Mitleids zu dem Nutzer komme, dann wird es schwierig sich abzugrenzen und dann es schwierig sein, dem Betroffenen noch in einer professionellen Beziehung zu begegnen, was das Gelingen der Begleitung im Genesungsprozess ausmacht.

Gruß

Ingo
 

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