Medizinische Fachbegriffe vor 100 Jahren

Elisabeth Dinse

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29.05.2002
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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
Akt. Einsatzbereich
Intensivüberwachung
Seit geraumer Zeit arbeite ich mich durch diverse alte Kirchenbücher. Ein interessantes Hobby. *g*

Als Fachfrau schaut man natürlich auch auf die Sterbeursachen- und das net nur bei der eigenen Familie. Es ist schon erschütternd, wenn man liest, dass ganze Familien von einem "hitzigen Fieber" dahin gerafft werden können. Blattern, Scharlach, Masern, Ruhr, Schwindsucht- alles Erkrankungen, die heutzutage ihren Schrecken verloren haben.

Aber bei einer Ursache frage ich mich, ob die dem entspricht, was wir heut darunter verstehen- Epilepsie. Dies findet sich vornehmlich bei Kindern und Kleinstkindern- und das in jeder Familie des Dorfes. Was kann damit gemeint sein? Fieberkrämpfe? Aber was meinen die dann mit "hitzigem Fieber"?

Elisabeth
 
An die Stationsbücher kann ich mich auch noch erinnern. So habe ich damals in einem solchen Buch- zu dem Zeitpunkt immerhin schon 25 Jahre als- meinen Großvater gefunden und musste festellen, dass die im Familienkreis übermittelte Todesursache nicht ganz stimmte. Dummerweise war das für mich damals nur eine Randnotiz. Heute wäre ich dankbar, wenn es solche Bücher noch geben würde. Man könnte dann überprüfen, ob meine Vermutungen stimmen.

Elisabeth

PS Danke für den Buchtipp. Habe ich auf meinem Weihnachtswunschzettel vermerkt.
 
Nachdem es mir nun keine Ruhe gelassen hat und es scheinabr Unterschiede gibt- einige Einträge beschrieben häufige Anfälle von Jugend an, bei andern stand nur Epilepsie- fiel mir ein: Differentialdiagnosen. Und siehe da, es kam Licht in die Sache. http://www.medizin.uni-tuebingen.de/ppkj/Studium/barth_epilepsien_11_12.pdf .

Hab übrigens noch eine umfangreiche Seite mit Erklärungen zu alten Krankheitsbezeichnungen gefunden: Alte Krankheitsbezeichnungen - Ahnenforschung/Genealogie .

Elisabeth
 
Ausgehend davon, dass man nicht wusste was im Gehirn ablief, hast doch eig. zu viele Möglichkeiten was die Ursache gewesen sein konnte.
Hast keine genaueren Aufzeichnungen in der Familie über die genaueren Umstände, wie willst da differenzieren, jetzt mal nur bei den Kindern, ob....

Vorgeburtliche Mangelversorgung
Sauerstoffmangel unter der Geburt
vorübergehende, dauerhafte erhöhte Krampfneigung
Folgen von durchstandenen "Kinderkrankheiten"
stoffwechselbedingt wie Hypoglykämie
durch später erworbene Krankheiten, bzw. deren Spätfolgen (Borrelien, FSME.......)
traumatische Hirnverletzung, Hirntumore

......oder was völlig anderes die Ursache war - wenn das Krankheitsbild ähnlich war - blieb der Überbegriff Epilepsie?
Wie wollte man z.B. einen Zusammenhang sehen nach Zeckenstich - wenn Jahre später erst schwerwiegende Symptome aufgetreten sind?
Mach ich es mir zu einfach?

Beim Erwachsenen hättest zig mehr
Syphilis, chron. SDH, Schlaganfälle, Abszesse, Hirntumore, durch sonstige degenerative Veränderungen bedingt, Entzugsanfälle........

Trotzdem noch viel Spaß und Erfolg bei der, so scheint es mir, Suche nach der Nadel im ziemlich großen Heuhaufen.
 
Es werden immer nur Vermutungen bleiben. Das Kirchenbuch, welches ich durchforstet hatte, gehörte zu den bereits abgeschriebenen. Da musst von ausgehen, dass der "Kopierer" die Diagnosen selbst eingefügt hat entsprechend seinem Wissen. Ich hab noch Glück. Er war zum größten Teil sehr eifrig und hat die Texte übernommen. So kannst hin und wieder Rückschlüsse ziehen was ev. gemeint sein könnte. Ganz genau wird man es niemals wissen.

Eine weitere beliebte Diagnosenvariante: Schlagfluß. Bei einigen findest sehr detailierte Beschreibungen der Lähmung oder der Sprachstörung. Aus meiner Sicht insofern interessant, dass man damals schon ahnte/wusste, dass der Schlaganfall net nur eine Lähmung mit sich bringen kann.

Elisabeth

PS Hab heute noch was interessantes gefunden: http://vts.uni-ulm.de/docs/2008/6408/vts_6408_8642.pdf ab S.154 und Kurzfassung http://www.nhv-ahnenforschung.de/Verordnungen/Todesursachen.htm
 
(Randnotiz)Wusst gar nicht, dass sowas auch als Thema für 'ne Dissertation genommen werden kann, aber gut - wenn sowas nicht in 'ner Schublade verschwindet und verstaubt, andere davon was haben, hat sich auch das rentiert :king:
und es sacht ja letztlich nix aus über das fachliche Können des Schreibers.

Auch wenn ich jetzt nicht alles gelesen hab, die Neuro ein verstärktes Augenmerk bekommen hat,
schon auch interessant welche Synonyme, Umschreibungen verwendet wurden für den Schlaganfall

andere Seite mal überflogen, von 1908, VI. Krankheiten des Nervensystems, Nr. 29 Glotzaugenkrankheit - rischtisch getippt, was damit gemeint ist.
Homöopathie: Krankheiten des Nervensystems. - Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe bei Unfällen


weiter im diesem Link, gefunden bei den historische Texten, hier die Philosophen.....bin da noch am schmökern
Leopold Loewenfeld: Über die Dummheit (1909)
 
Zuletzt bearbeitet:
Unsere Altvorderen waren schon sehr präzise in der Krankheitsbeschreibung- sicher nicht zur Freude der Betroffenen.

Leider lassen meine Sütterlinkenntnisse immer noch zu Wünschen übrig. Ich speicher mir die interessantesten Fälle ab und versuch dann peu á peu zu entziffern. Von Mord und Todschalg bis zu lebensunfähigen Mißgeburten ist alles dabei. Ist spannender als so manches Fachbuch.

Elisabeth
 

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