Ambulante psychiatrische Pflege

Schiller59

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Hallo ihr Lieben,

ich habe neulich die Fragen einer Nutzerin aus einem uralten Beitrag zum ambulanten psychiatrischen Pflegedienst aufgegriffen. Leider hat weder sie damals noch habe ich jetzt Anwort darauf erhalten- ich fürchte, dass ihn einfach keiner gelesen hat weil er in den Untiefen der Foren hier verschwunden ist. Deswegen versuche ich es noch ein mal auf diesem Wege ;)
Ich bin seit 2015 examiniert, habe ein Jahr im Pflegepool gearbeitet und hänge jetzt seit einem Semester in einem Studium von dem ich nicht richtig überzeugt bin. Ich würde gerne wieder als KS arbeiten, nur nicht im KH.
Ich habe schon immer gern in der Psychiatrie gearbeitet und bin nun auf die Seiten einiger ambulanter psychiatrischer Pflegdienste gestoßen. Und ich muss sagen, was den Leitbildern und Beschreibungen auf deren Seiten zu entnehmen ist, gefällt mir ziemlich gut. Da man aber immer auch eine Inside-Sicht braucht um wirklich informiert zu sein, würden mich folgende Dinge interessieren und ich hoffe, dass mir jemand aus eigener Erfahrung berichten kann :)

-Aufgabenfelder und Tätigkeiten (Wie läuft so ein Dienst ab?)
-Wie sind eure Arbeitszeiten? Gibt es Wochenenddienste und Nachtdienste (ich habe von Bereitschaft am WE gelesen)
- Wie sieht euer Verdienst aus?
- Patientenklientel bzw.Krankheitsbilder und Altersgruppen(gibt es welche, die überwiegen- Demenz z.B?)

Ich würde ich sehr über Antwort freuen! :)
 
Hallo Schiller,

zu dem Thema "ambulanter Pflegedienst" kann ich Dir leider auch nichts sagen. Ich arbeite in einer Psychiatrie.
Aber: Mit dem Übergang in das neue PsychVVG wird der "ambulanten Behandlung" durch psychiatrische Einrichtungen noch viel mehr Wert beigemessen. Das Gesetz spricht dabei von "Hometreatment", respektive "stationsäquivalenter Behandlung". Dies ist in einigen Häusern schon in der Umsetzung, in manchen erst in der Planung. So richtig ablehnen wird man es wahrscheinlich kaum noch können. Vielfach entsteht dadurch eine Mischform zwischen ambulanter Behandlung (z.B. in einer PIA) und der aufsuchenden, stationsersetzenden Behandlung. Dies ist aber sehr unterschiedlich.
Wie gesagt: Es ist keine Antwort auf Deine Frage, aber vielleicht eine weitere mögliche Option für Dich, da Du ja nicht im Krankenhaus arbeiten willst...

Viele Grüße vom Peppo
 
Danke Peppo, das hilft mir auch schon mal weiter. Was genau ist denn eigentlich die Arbeit einer PIA? Ich weiß zwar, dass sie zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung gehört, aber ich kann mir nicht ganz vortstellen, welche Aufgaben eine Pflegekraft dabei hat?
Falls du (oder jemand anders) mir darauf antworten kann, würde ich ich noch mal freuen :D
Lg, Lena
 
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Hallo Schiller,

als fachliche Leitung eines ambulanten psychiatrischen Pflegedienstes kann ich dir sagen, dass es davon abhängig ist, wo du arbeitst, d.h. in welchem Bundesland. Die Regelversorgungsverträge sind unterschiedlich gestaltet, je nachdem wie die örtliche AOK die Verträge gestaltet. In Bremen und Niedersachsen, sieht die Versorgung anders aus als in NRW, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt - wohnst du in Bayern, Ba-Wü und Schleswig-Holstein sieht es ganz bitter aus - da sind die Bedingungen eher schwierig.

Daher bestimmt sich der Dienst auch nach dem Vertrag. In HB und Niedersachsen hast du bei dem PD deine Patienten mit denen du individuelle deine Termin machst, also relative freie Gestaltung. Der Verdienst ist abhängig davon, was der Pflegedienst für deine Leistung von KK erhält, in NDS und HB angemessen, in SAN gut, in Ba-Wü und Brandenburg grottig.

Auch das Klientel der Patienten ist davon abhängig - in NDS sind es durchschnittlich bis zu 80% affektive Störungen, 15% Neurosen, 5% Psychosen und 1% Demenz in der regulären APP.

Gruß

Ingo
 
Spannend ich wusste garnicht das es eine Ambulante Psychische Pflegebetreuung gibt.

Sorry das ich hier reingrätsche. Mag mir kurz einer erklären wie die Arbeit am Patienten dann direkt aussieht.
 
Hallo

Mag mir kurz einer erklären wie die Arbeit am Patienten dann direkt aussieht.

Kurz ist an dieser Stelle schwierig, denn es kommt darauf an, in welchem Rahmen die ambulante psychiatrische Pflege (APP) stattfindet und mit welchem Klientel gearbeitet wird. Grundsätzlich ist die APP gemäß § 92 SGB V durch die APP-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses geregelt. Demnach hat jeder Mensch mit einer psychischen Erkrankung, deren Diagnose gemäß der Richtlinie zulässig ist einen Rechtsanspruch auf APP. Allerdings sind die örtlichen Landes-AOKs für den Abschluss einen Regelversorgungsvertrages zuständig - die Umsetzung sieht aber in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich aus - während es in Niedersachsen eine flächendeckende Versorgung durch 42 psychiatrische Pflegedienste gibt, existiert z.B. in Bayern meines Wissens nur ein einziger Pflegedienst in München.

Gemäß der Richtlinie und des Regelversorgungsvertrages besteht die Arbeit mit den psychischen erkrankten Menschen in erster Linie in der Beziehungsaufnahme, der Krisenversorgung und Hilfe bei kompensatorischen Problemen im Alltag. Das entspricht natürlich nicht dem was tatsächlich umzusetzen ist. Da kommt es natürlich auf die Diagnose an - grundsätzlich arbeiten wir im recoveryorientierten Bezugspflegesystem und richten uns danach aus, was die Patienten sich für Ziele setzen. Das kann z.B. bei einer hirnorganischen Erkrankung, einer Psychose, einer affektiven Störung, eine Angst- und Panikstörung, einer PTBS und einer Persönlichkeitsstörung sehr unterschiedlich aussehen.

Liebe Grüße

Ingo
 
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@Schiller59
Leider ist die ambulante Psych Pflege in meiner Gegend (Raum Stuttgart) überhaupt nicht ausgebaut, obwohl man viele psychische Kranke zu Hause viel besser behandeln könnte. Nun ja unter Kostendruck wird man jetzt versuchen die APP auszubauen.
Wie viel Erfahrung hast du denn in der Psychiatrie, du willst zwar nicht im KH arbeiten, aber selbst wenn es freie Stelle in deiner Gegend in APP gäbe, hättest du vermutlich Schwierigkeiten eine Stelle zu bekommen, weil es für diese Stellen man immer die Fachweiterbildung braucht und jede Menge Psych- Erfahrungen. Selbst die PIA Stellen sind fast nur mit FB zu bekommen.
 
Hallo

Im Raum Stuttgart gibt es durchaus ambulante psychiatrische Pflege Dienste, so z.B. die Evangelische Gesellschaft in Stuttgart, VSP eV. in Esslingen, APP Caritas in Stuttgart. Das diese keine so große Rolle spielt, liegt eher an der AOK BA-WÜ die zurzeit in einem vier Jahre Dauernden Modellprojekt überprüfen will, ob APP etwas bringt. In Niedersachsen wurde diese Evidenz bereits erbracht und auch in verschiedenen Studien im Ausland (UK, USA, Kanada, Australien etc. bewiesen). Dort werden ganz andere Konzepte gefahren, wie z.B. Recovery Projekte die sich auch in Policies im NHS darstellen und mit Evidenz nachgewiesen sind. Davon sind wir in der Psychiatrie - auch in der ambulanten psychiatrischen Pflege weit entfernt.

Bevor ich aber nun abschweife noch ein Kommentar zur Stellenbesetzung in der APP - wir suchen in Niedersachsen dringlich Pflegekräfte mit Psychiatrie Erfahrung - Ausbildung nicht notwendig, die wird von uns sofort gestellt. Wir sind als APP Dienste nicht gedeckelt und wir haben hier einen riesigen Bedarf zu decken - in meinem Landkreis versorge ich zur 492 Patienten mit 16 Pflegekräften, wobei unser Pflegedienst insgesamt ca. 1.500 Patienten versorgt mit insgesamt etwa 50 Fachpflegekräften und wir brauchen dringlich mehr. In den anderen Bundesländern mag das durchaus anders aussehen, aber die Krankenkassen in NDS setzen auf die APP und fördern diese. Die BKK's Mitte haben im letzten Jahr in einer eigenen Studie herausgefunden, dass sie bis zu 77% an Krankenhauskosten durch den Einsatz von APP sparen.

Liebe Grüße

Ingo
 
Wie du an deine Beispiele siehst, gibt es in Ba-Wü ganz wenige Stelle und die sind sehr begehrt. Nur Fachkräfte mit jahrelanger Erfahrungen und FWB bekommen sie. Anderseits nimmt ihr jeden der es erst mal in Frage kommt, weil ihr einfach viel mehr Bedarf habt. Angebot und Nachfrage :-)

Wir sind leider noch meilenweit von der qualitativ hochwertigen Psych Pflege entfernt, wie sie in Kanada, USA angeboten wird.
In UK ist sie auch schon sehr ausgebaut, aber glaub mir es hat weniger mit der Evidenzbasierte Qualität zu tun und alles damit, dass die NHS bankrott ist, stationäre Psychiatrien können die sich kaum noch leisten. Ich hab viele Jahre in London gewohnt. Ich kenne mich mit der NHS aus.
Daher denke ich,wenn bei uns der Kostendruck steigt, wird sich die AOK Ba-WÜ auch schnell von der Evidenz überzeugen lassen. Traurig aber wahr - es steht nicht das Patienten Wohl sondern die Kosten im Vordergrund:schraube:
 
einfach nur kurz zugefügt: in norwegen ist es üblich psychisch kranke menschen zu hause zu betreuen, wenn keine indikation für klinische behandlung vorliegt. dies ist übergeordnete gsundheits-philosofie/politik hier im lande; frei nach dem motto: " allen, die nur "irgendwie" zu hause betreut werden können, sollte diese möglichkeit zukommen".
ich arbeite selbst bei einem psychisch kranken klienten in der heim-betreuung. kann sehr git funktionieren....
 
Hallo

Wie dies in den verschiedenen Gesundheitssystemen genutzt wird hat weniger mit den Kosten zu tun, als mit dem System als solches. Der NHS - also das gesamte Gesundheitssystem UK - ist ein Steuerfinanzierung System welches zentral aus London gesteuert wird, es wird nichts im NHS durchgeführt, was keinen Evidenznachweis hat. Diese Therapieform wird dann als die einzig richtige definiert. Allerdings das nur unter strikter Rationierung, Therapieregulation - freie Arztwahl, Therapiefreiheit und schnellen Zugang zum System gibt so nicht, weil die Briten den NHS kaputtsparen - damit hat schon die Iron Lady angefangen. Blair hat mit den New NHS die Zeit auch nicht zurückdrehen können - sterben auf der Warteliste, das UK - aber Therapie und Behandlung sind Evidenzbasiert, wenn man sie denn bekommt. Australien und Kanada bekommen das besser hin.

Das deutsches System ist viel zu fraktioniert und es bestehen zuviele konkurrierende Interessen und die klinische Psychiatrie hat eine bessere Lobby als der ambulante Bereich. Italien und UK haben gezeigt, dass in der ambulanten Versorgung eine höhere Zufriedenheit vorhanden ist und die Behandlung genauso gut, wenn nicht so gar besser funktioniert.

Gruß

Ingo
 

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