Erlebnisse bei Explantationen

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squaw

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Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte Euch fragen, ob diejenigen von Euch, die häufig bei Organentnahmen mitmachen, in diesem Zusammenhang schon merkwürdige bzw. sehr belastende Erfahrungen gemacht haben und wenn ja, welche das sind.
Danke!
 
Hallo,
bei meiner ersten Explantation bei der ich dabei war, ist der zu explantierende Patient beim Hineinkippen des kalten Wassers in den Thorax fast vom Tisch aufgestanden. Der saß fast. :eek1: Das war echt gruselig und hab mich dermaßen erschreckt! Ich hab jemanden von Eurotransplant gefragt, warum das passierte. Dieser meinte, das gibt es selten, kommt aber vor und ist noch nicht vollständig geklärt, was das hervorruft. Er nannte das "Lazarus-Phänomen" oder so, also das noch Reflexe vorhanden sind, wie z.B. bei einem Fisch oder Huhn, wenn man den Kopf abhackt (schlechtes Bsp., ich weiß ). Seitdem habe ich kein Organspendeausweis mehr. Für mich wirkte das, als wenn er sich zum letzten Mal "wehrt". Hmmm... :gruebel:
 
Danke Dir, OPschwesterlein!
Genau sowas suche ich!!! ich habe selber einiges in dieser Richtung erlebt: So hat bei mir z.B. ein nachgewiesenermaßen hirntoter Patient beim Wechsel seiner Trachealkanüle LANGSAM BEIDE ARME GEHOBEN UND SIE AUF MEINE SCHULTER GELEGT. Dort blieben sie eine Weile liegen und fielen dann wieder herunter. Die Betonung liegt hier auf langsam und gezielt! Das hätte ich mir fast selber nicht geglaubt und war froh, daß das von einer Schülerin gesehen wurde. Genau das ist Lazarus. Deshalb ist (nicht nur für mich) die Hirntoddefinition sehr in Frage zu stellen. Eine befreundete OP- Schwester kam irgendwann auch laut weinend zu mir auf die ITS, weil ein Patient vor Beginn der Explantation versucht hat, sich vom Messer wegzudrehen. Sie war völlig fertig und hat nie wieder bei sowas mitgemacht.

Hier auch ein sehr interessanter Link zum Thema:

http://www.organspende-aufklärung.de/offener-brief/
 
Werden die Organspender denn nicht sediert? Oder passieren solche Reflexe auch unter "normalen" OPs?

Die Reizweiterleitung in der Muskulatur funktioniert noch, von daher lassen sich ruckartige Bewegungen erklären. Im Medizinstudium haben wir das an einem Frosch ausgetestet, der definitiv tot, weil bereits in Einzelteile zerlegt war: Trotzdem schlägt das Herz noch eine ganze Weile und kontrahieren die Muskeln bei Reizen.
 
Hast Du Dir den Link mal angeschaut, Claudia?
Und wie erklärst Du dann mein Erlebnis oder das meiner Freundin? Der Hirntod war in beiden Fällen zweifelsfrei nachgewiesen!
 
Ich kann es Dir nicht erklären. Das ruckartige Aufsetzen, von dem OP-Schwesterlein berichtet, könnte ein Muskelreflex gewesen sein, ausgelöst durch den Kältereiz. Der Schreck ist natürlich verständlich.

Physiologisch gesehen verhalten sich Menschen nicht anders als Tiere. Da die Reizweiterleitung mit dem Tod nicht sofort erstirbt, sind Bewegungen noch möglich. Historisch überliefert ist die Geschichte von Klaus Störtebecker, der nach seiner Enthauptung noch an seiner Mannschaft vorbei gelaufen sein soll, um dieser die Hinrichtung zu ersparen (allerdings gibt's davon verschiedene Versionen).

Aber kommen Abwehrbewegungen o.ä. auch bei gewöhnlichen Operationen vor? Sorry, aber das einzige Mal, wo ich im OP war, lag ich selbst auf dem Tisch, da hab ich nichts mitgekriegt.
 
Vielleicht sollten wir uns vorerst aller Erklärungsversuche enthalten. Zu diesem Thema ist gerade einiges im Umbruch, deshalb interessieren mich diese Erlebnisse so. ich möchte wissen, wie häufig sie sind. ich weiß natürlich auch, daß das ein Tabuthema ist. Die, die sowas miterleben mußten, reden nicht oder nicht gerne darüber. Aber es beschäftigt sie genauso wie mich sehr und auch lange...
 
ich möchte wissen, wie häufig sie sind.
Wirklich? Weshalb? Auch wenn die Phänomene (wahrscheinlich) nur selten vorkommen, sind sie doch deshalb nicht weniger traumatisch.

Und Du könntest mir wenigstens verraten, ob Abwehrbewegungen auch bei anderen Operationen vorkommen... ich weiß es wirklich nicht.
 
Ja, sie kommen (sehr selten) vor. Aber dann ist die Narkose nicht tief genug. Das sind ja auch keine hirntoten Menschen! Da dürften sie nicht vorkommen, wenn die Leute wirklich (hirn)tot wären !!!! Es gibt zum Beispiel auch das Phänomen, daß die Patienten auf ihrem letzten Weg in den OP einen unerklärlichen RR- u.Pulsfrequenzanstieg haben. Das ist so, als wüßten sie, was mit ihnen passieren wird! Deshalb wird in einigen Ländern auch eine Narkose dafür vorgeschrieben. ich habe mir auch schon erzählen lassen, daß ein solcher Patient nach dem Skalpell geschlagen bzw. das versucht hat. Wenn Du das mal erlebst, weißt Du nicht mehr, was Du glauben sollst.... ich habe jedenfalls einen Organspendeausweis für mich niemals in Erwägung gezogen! Und ich kenne einige, die wie OPschwesterlein ihren gleich wieder zerstört haben...
Verstehst Du, Claudia, das sind gezielte Bewegungen! Wie geht das, wenn das Hirn wiklich tot ist???
 
Da Muskelkontraktionen auch noch ausgelöst werden können, wenn gar keine Verbindung mehr zwischen Muskel und Hirn besteht (siehe mein Frosch), würde ich bei Bewegungen nicht zwangsläufig auf "nicht hirntot" schließen. Unser Körper ist komplizierter. Haare und Nägel wachsen nach dem organischen Tod doch auch noch ein paar Tage weiter - unsere Funktionen schalten sich nicht mit einem Schlag aus, sondern nach und nach.

Inwieweit man unwillkürliche Reflexe und willkürliche Bewegungen durch Beobachtung unterscheiden kann bleibt natürlich fraglich. Eigentlich kann das nur der Betroffene unterscheiden.
 
Eine Muskelkontraktion und eine gezielte Bewegung sind nicht dassselbe! In meinem Fall damals sind die Arme langsam hochgegangen, haben sich ohne irgendwelche ungesteuerte Bewegungen zwischendurch auf beide Schultern gelegt! Nach etwa 3 Minuten fielen sie wieder runter. Hoch gings quasi gezielt, runter nicht mehr...Wobei ich keine Ahnung habe, ob die Zeitangabe stimmt. Ich war so erschrocken!
 
jemand mit einer flatline im eeg kann nichts "versuchen".
 
Denkst Du! Habe ich früher mal auch gedacht...

Hast Du schon mal von Nahtoderfahrungen gehört? Nach menschlichem und wissenschaftlichem Ermessen dürfte es sowas gar nicht geben. Gibt's aber!
 
Und ein Arm, der Richtung Skalpell schlägt, muss dies nicht bewusst tun.

Ich weiß, dass die Hirntod-Diagnostik umstritten ist. aber man kann vieles eben auch natürlich erklären. Du kannst die willkürliche Bewegung genauso wenig beweisen wie ich die unwillkürliche - Du kannst nur Deinen Eindruck schildern. Und du gibst ja selbst zu, dass die Zeitangabe möglicherweise nicht stimmt. Sei mal ehrlich - hätten Deine Kollegen dich nicht nach kurzer Zeit vom Patienten befreit, wenn der Dich tatsächlich über Minuten angefasst hätte?

Ein Huhn, das läuft und flattert, tut dies bewusst. Es macht das aber auch noch kurze Zeit, nachdem ihm der Kopf abgeschlagen wurde, und da besteht ja nun definitiv keine Verbindung mehr zwischen Hirn und Körper. Physiologisch gesehen sind Menschen Tiere. Die Reaktionen dürften deshalb die gleichen sein.
 
Das sehe ich nicht so. Deshalb habe ich die Frage hier eingestellt und will wissen, welche Erlebnisse dieser Art es gibt. Für den Vorgang selbst gab es Zeugen, wie ich bereits schrieb...
Und ich habe mich bewußt mit dieser Frage an die OP- Leute gewandt, denn die sind bei Explantationen unmittelbar dabei...
 
Übrigens: Wir müssen und können diese Phänomen gar nicht erklären... Aber darüber austauschen können wir uns.
 
selbstverständlich können wir das - wenn wir es können.


du schreibst in deinem vorletzten posting "das sehe ich nicht so". auf was genau beziehst du dich da?
 
Um mal hier von den Horrorgeschichten wegzukommen, die einen die haare zu Berge stehen lassen ob der z.T. unreflektierten Wiedergabe. Ich hätte mir ein bisschen mehr Fachkompetenz. Emotionen sind ganz nett- Fachpersonal sollte aber in der Lage sein- wie im 2.Post- Erklärungen zu liefern, wie es zu den Reflexen kommt.

Zur professionelle Ebene geht es hier lang:

Pro: DSO: Hirntod und Hirntoddiagnostik

Kontra: http://www-alt.uni-greifswald.de/~theol/~sys/texte/Organspende Unterricht.pdf

Und nicht zuletzt zum who is who- welche Qualifikation und welche Interessen stehen eiegntlich hinter der Autorin des offenen Briefes? Ich mag es ganz gerne, wenn ich die Gedanken desjenigen auch einordnen kann.

Elisabeth
 
@Eisenbarth: ich beziehe mich auf den Beitrag von Claudia.
Und ich glaube immer noch nicht, daß wir die richtigen "Erklärer" sind, wenn sich die Wissenschaft darüber streitet bzw. die ganze Diskussion jetzt wieder aktuell wird. Aus welchem Grunde wohl? Weil alles so klar ist?
 
Zitat aus dem bereits weiter oben erwähnten Link:

Aufklärung über den Ablauf einer Explantation
Bei der Organentnahme kommt es in vielen Fällen zu einem rapiden Blutdruckanstieg beim Einschneiden in den Spenderkörper, nicht selten auch zu heftigen Abwehrbewegungen.

Normalerweise gelten solche Phänomene als Stress- und Schmerzreaktionen. Da ein Schmerzempfinden mit letzter Sicherheit nicht ausgeschlossen werden kann, ist in der Schweiz inzwischen eine Vollnarkose bei der Explantation vorgeschrieben. Selbst die DSO empfiehlt zur „Optimierung des chirurgischen Eingriffs“ 5Fentanyl, ein synthetisches Opioid (Opiat). Fentanyl ist eines der stärksten Schmerzmittel. Auch darüber müssen Spendewillige zu Lebzeiten korrekt aufgeklärt werden. Nur so können sie eine rechtlich verbindliche Entscheidung treffen. Wegen der Tragweite des Eingriffs darf der mutmaßliche Wille – geäußert von Angehörigen oder Betreuern – keine Erlaubnis für eine Explantation sein.
Quelle: http://www.organspende-aufklärung.de/offener-brief/
 
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