News Welt-online: Wenn Pillen die Pflege ersetzen

  • Ersteller Ersteller mary_jane
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Interessant dürfte hier auch sein, dass in diesem Artikel User aus dem Forum zitiert werden.
Deshalb: immer überlegen was man schreibt, das Forum ist öffentlich für jeden zugänglich, vergesst bitte nicht, ihr hinterlasst nirgendwo soviele Spuren wie im Internet und du weisst nicht wer es alles liest.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
So ist es. Und auch wenn man denkt, man sei unter einem Pseudonym geschützt.... Dem ist nicht so. Ich kenne Leute, die aufgrund einer Aussage im Internet ihren Job verloren haben. Wenn jemand rausfinden will, wer hinter dem Pseudonym steckt, der findet es auch raus!

BTW: Der Artikel ist sehr interessant!
 
Naja,
es ist schon richtig, dass man immer genau schauen sollte, was man so schreibt oder wie. Aber andererseits finde ich es gut, dass Redakteure auch mal bei dem gemeinen Pflegepersonal schauen. Und nicht nur den Pflegedienstleitungen und so weiter nach dem Mund reden.

Da liegt eine grosse Problematik im Thema: "Was soll und darf ich im Blog alles sagen!". Man muss aufpassen. Aber durch eine Selbstzensur und dem totalen Verschweigen, kommen Probleme und Missstaende nie an die Oeffentlichkeit.

Schwer.
 
Ziemlich heikler Bericht.
Heikel auch die Tatsache, dass er sich auf die Aussagen von Tochter XY stützt, auf Forenbeiträge und auf ein "eventuell, vielleicht könnte Halol zu Pneumonien und anderen lebensverkürzenden Erkrankungen führen. Aber nur vielleicht eventuell...

Von einer Koryphäe der seriösen, objektiven Zeitungen erwarte ich persönlich was anderes. Man merkt, dass der Berichterstatter keinen fachlichen Hintergrund hat und dieses Thema einseitig beleuchtet. Ein solches Thema ist viel zu komplex um so abgehandelt zu werden.

Falls der Journalist des betreffenden Artikels hier zufällig wieder quer liest, an ihn:
in der Psychiatrie wird Haldol in horrenden Mengen verschrieben, 200 Trp/d teils. In der Altenpflege wird Haldol tendentiell eher in Dosen von 5-10 Trp max. 3x/ d verabreicht, und diese Reserve dient dem Notfall. So kenn ich`s.

Sie ist für die völlig Rast- und Ruhelosen, die entwurzelten alten Menschen gedacht, die sehr oft einen Drang verspüren, nach Hause zu gehen. Wir als Pflegende tun unser möglichstes, um diese zu entspannen, sagen, dass das Haus in Ordnung ist und tauchen oft in eine Fantasiewelt mit den dementen ab. Manchmal hilft jedoch auch das nicht. Und dann ist es weit humaner, den Menschen etwas zum entspannen zu geben, damit sie in unserer Obhut bleiben. Denn wenn sie ihren Willen bekommen, und wir sie nach Hause liessen (so sehr man ihnen das manchmal wünscht) und dann etwas passiert, dann hängen wir erst recht. Und die Angehörigen schreien laut auf. Und wir bekommen noch schlimmere Artikel angehängt...

Thema Psychopharmaka:
Dem Artikelverfasser ist vermutlich auch nicht bekannt, dass besonders der Alterssuizid ein sehr häufiger ist. Es ist für Angehörige das schlimmste, was passieren kann, für Pflegende auch. Für den alten Menschen an sich ist es Mittel der Wahl, denn Altern ist kein leichter Prozess.

Da Altern erfahrungsgemäss mit Depression und einer tief greifenden Nutz- und Sinnlosigkeit ihres Lebens (die häufig von Patienten geäussert wird) einhergeht, greifen hier die Psychopharmaka. Das ist auch einer der Gründe, warum ältere Menschen weit häufiger Psychopharmaka verschrieben bekommen als junge: weil Altern (besonders im Heim) ein unvorstellbar einsamer Prozess ist, den ein Mensch, mitten im Leben stehend, kaum begreifen kann.

Deshalb möchte ich hier an dieser Stelle auf den Sinn der Psychopharmaka (Antidepressiva/ Entspannungsmedikation) hinweisen und darauf, dass diese normalerweise mit Hintergrund angewendet werden. Ich bin kein grosser Unterstützer der Pharmaindustrie, persönlich neige ich dazu, eher alternativmedizinische Massnahmen mit einzubeziehen zur "Hardcoremedizin" (Chemie). Doch insbesondere bei alten Menschen ist sie durchaus eine wichtige Stütze bei der Erhaltung der Lebensqualität für Patient, Angehörige und Pflegende, solange sie mit Bedacht angewendet wird.

Persönlich hoffe ich demnächst auf eine ganzheitlichere Berichterstattung mit Beleuchtung solcher Themen von verschiedensten Seiten, idealerweise von fachvertrauten Personen. Praktizieren müssen sie ja nicht, doch sie sollten Hintergrundwissen haben und um die Vielschichtigkeit solcher Thematiken Bescheid wissen.

Das ist meine Bitte in Zukunft an eine der seriösen Zeitungen wie "Die Welt".

MfG
 
Leitlinie "Demenz": AWMF: Detail mit Aussagen zur Anwendung von Neuroleptika.

Haldol-Janssen® 1 mg, Tabletten
...
4.1 Anwendungsgebiete
– Akute und chronische schizophrene Syndrome
– Organisch bedingte Psychosen
– Akute manische Syndrome
– Akute psychomotorische Erregungszustände
...
Quelle: Fachinfo-Service

Dem Journalisten kann man noch nachsehen, dass er Probleme bei einer Fachrecherche hat- aber Fachpersonal auch?

Elisabeth
 
PONV im Altenheim?
Wat? Ponies?

Ich weiß nicht, ob Haldol im Altenheim als Antiemetikum eingesetzt wird; ich kenne das von onkologischen Patienten. War nur eine Ergänzung zu Deinem Statement (hätte ich wohl besser dazuschreiben sollen).
 
Haldol ist ein Medikament gegen Psychosen und nicht gegen Demenz und auch nicht gegen Suizid.

Hab ich ja auch nicht geschrieben, dass Haldol gegen Demenz oder Suizid hilft, glaube ich. Ich wollte damit eher aufzeigen, dass Altern ein schwer verständlicher, sehr schwieriger Teil unseres Lebens ist. Und dass es da zu hochakuten Situationen kommen kann, weil der Mensch sich bedroht oder allein fühlt. Und in den Situationen (wenn ein Patient dich mit angebrochener Flasche bedroht oder er schlagen möchte, u.a.) ist die Gabe von Psychopharmaka wichtig. Und wenn hier nicht zu genau dem rechten Zeitpunkt interveniert wird, dann kommt es zu Eigen- und Fremdgefährdung. Das ist viel schlimmer, finde ich.

Und so wie ich den Artikel verstanden habe, wird da indirekt ein Medikamentenmissbrauch zum eigenen Nutzen unterstellt, von Seiten der Pflege (und ich kenne NIEMANDEN (!!!), der einfach zum Spass zu Psychopharmaka greift, damit der demenzkranke Patient schläft oder sowas). Und ich kenne auch niemanden, der einen Patienten Psychopharmaka gibt, damit die Pflegestufe erhöht wird...

Und dann das Wichtigste: Die Bedarfsmedikation hat einen Sinn und verhindert durch gezielten (!) Einsatz grösseren Schaden. Das können sie ruhig im nächsten Artikel schreiben, der Journalist kann mich gerne anmailen, da kann er grad noch meinen Namen und so dazu haben. Steh ich dafür. Denn das kommt aus diesem Artikel nicht heraus. Da wird eher die Schuldfrage aufgeworfen. Und die geht einmal mehr an die Pflegenden, Ärzte und die Pharmaindustrie.

Und wer fragt, was die Pflegenden und Ärzte davor alles gemacht haben, BEVOR sie zur Bedarfsmedikation greifen mussten?!?

Der Artikel wirft Pflege einmal mehr ins negative Licht, und wenn die Zeitungen weiter so etwas schreiben, muss sich niemand wundern, wenn in Deutschland keiner pflegen mag bei solch einem hässlichen Image. Und später ist das Gejammer gross, wenn es tausende alte Menschen gibt und tausende von Lehrern und sinnlos studierten, aber keine tüchtigen Pflegerinnen. Das ist das Problem, das wieder indirekt da mitgeht.

Find ich. Und da schwillt mir der Kamm. :wut:
 
Das ganze (sehr komplexe!) Problem in den Heimen ließe sich ganz leicht lösen, wenn man in jedem Hause einen Arzt anstellen würde... Da reichten schon 2-4 Std. täglich... Wäre doch eine feine Sache für ärztliche Mütter mit kleinen Kindern, oder?
 
Und wie finanzierst Du den Arzt? Und wie lässt sich ein fest angestellter Arzt mit der freien Arztwahl, die im deutschen Gesundheitssystem garantiert ist, verbinden?

Welche Mutter mit kleinen Kindern hat denn schon die Facharztprüfung hinter sich? Ohne Facharzt keine Möglichkeit der Niederlassung.

Du müsstest das komplette System der ambulanten ärztlichen Versorgung umkrempeln. Das täte zwar sowieso not, aber eine leichte Lösung ist das ganz sicher nicht.
 
Das Krankenhaus gehört zur stationären Versorgung. Da galten schon immer andere Regeln.

Abgesehen davon kannst Du Dir ja ohne weiteres das Krankenhaus aussuchen, zumindest bei einem geplanten Aufenthalt. Beim Pflegeheim bist Du nicht ganz so flexibel.

Eine kontinuierliche ärztliche Versorgung im Altenheim hätte sicherlich Vorteile. Aber sie ist weder leicht zu bewerkstelligen - von der Regeländerung abgesehen haben wir nämlich auch Ärztemangel - noch ist sie die Lösung aller Probleme im Altenpflegebereich.

Wer von den Töchtern, den Journalisten, den Usern hier wäre denn bereit, mehr in die Kranken- und Pflegeversicherung einzubezahlen, um eine bessere Versorgung mit ärztlichem und (mehr) pflegerischen Personal gewährleisten zu können? Psychopharmaka sind billiger als Pflegekräfte. Und die Pharmafirmen haben mehr politischen Einfluss als Pflegekräfte und Heimbewohner.
 
Hm- die Demenztherapie setzt aber net den Arzt an die Spitze der Therapie. Da steht die Pflege. Siehe Leitlinien.

Alles steht und fällt mit den Möglichkeiten der Berufsgruppe Pflege. Und bevor ein Arzt 2 Stunden in einem Pflegeheim rumsitzt und dafür bezahlt wird sollte man mehr Kräfte zur Pflege der Patienten einstellen. Ein Arzt sieht auch in 2-4 Stunden net das, was eine Fachkraft in 24 Stunden wahrnimmt.

Brw.- selbst im Krankenhaus ist der Doc bei Problemen net immer sofort verfügbar und es wird die telefonische Anordnung genutzt. Warum soll das bei Pflegeeinrichtungen net gehen?

Elisabeth
 
Weil im Pflegeheim zurzeit niedergelassene Hausärzte die Bewohner betreuen. Und die sind - im Gegensatz zu den Ärzten im Krankenhaus - nicht rund um die Uhr erreichbar.
 
Du wirst mir sicher recht geben, dass auch im Krankenhaus der Stationsarzt net rund um die Uhr verfügbar ist und hier der Dienstarzt einspringt, wenn Not am man ist. Der Dienstarzt schaut ggf. in die Akten bevor er was ansetzt. Da gebe es also ein Problem... dass man leicht lösen könnte: medizinische Akte verbleibt in der Einrichtung.

Und auch ein Hausarzt- besser wäre eigentlich ein neurologischer Facharzt- sollte in der lage sein, seine Therapie so zu gestalten, dass eine Mitarbeit der Pflegekräfte möglich ist. Ansetzungen erfolgen im Krankenhaus auch oft net rigide sondern lassen im Rahmen von vorgegebenen Limits durchaus auch für Fachkräfte einen Spielraum. Das setzt aber voraus, dass man die Fachkompetenz der Pflegekräfte akzeptiert.

Elisabeth
 
Aber warum sollten Ärzte immer erreichbar sein? Wenn die Pflege mit BEDACHT und Grund die Bedarfsmedikation ausschöpft, finde ich das nicht verwerflich. Und ich gehe davon aus, dass eine Pflegende erkannt: so, jetzt ist kurz vor zwölf: der Bewohner will nach Hause und hat eine Unruhe in sich, die ich als Pflegende nicht in Griff bekomme.

Da hat die Pflegende dann zwei Möglichkeiten:
  1. Angehörige anrufen, wenn die sich einverstanden erklärt haben, den Bewohner immer wieder zu beruhigen und jederzeit erreichbar sind. das ist der Idealfall, der leider so sehr selten praktikabel ist.
  2. Als Notvariante: Bedarfsmedikation mit Bedacht ausschöpfen - bevor der Bewohner/ Patient aggressiv werden kann gegen sich oder die Mitmenschen.

Eigentlich braucht es dazu nicht den Arzt. Aber eben, in dem Bericht wird nicht gefragt: was passierte, BEVOR die Pflegenden zur Reservemedikation griffen? Das fehlt mir als Insider ganz einfach. Haben die Pflegenden an die Reserve gegriffen aus Jux und Tollerei? Sicher nicht!

Und das ist hier das Fatale. Es wird ein Puzzleteil hingeworfen und anhand dessen wird ein Bild gemalt. Sauberer Journalismus ist in meinen Augen aber, das Puzzle zusammen zu setzen, nicht sich ein Fantasiebild aufgrund eines oder weniger Teile zu kreieren.