Gesundheit
Krankenhäuser schlagen Alarm
Von Andreas Mihm
30. September 2007
Pessimistisch wie nie sehen die Geschäftsführer deutscher Krankenhäuser in die Zukunft. Gerade noch vier von zehn Häusern würden in diesem Jahr einen Gewinn erwirtschaften, dagegen – wie im Vorjahr – fast 30 Prozent einen Verlust ausweisen, stellt das Deutsche Krankenhausinstitut in einem neuen, bislang unveröffentlichten Bericht fest. Im Vorjahr hatte noch mehr als die Hälfte der Kliniken einen Überschuss erwirtschaftet. Ganze 42 Prozent der 2100 Krankenhäuser befürchten für 2008 eine weitere Verschlechterung ihrer Lage. Gut ein Drittel plant deshalb einen Stellenabbau. Als Grund für die Misere werden steigende Personalkosten, Steuererhöhungen und eine unzureichende Vergütung der Kassen genannt.
„Die vorhandenen Disparitäten in der wirtschaftlichen Lage werden sich aus Sicht der Krankenhäuser weiter verschärfen“, stellt das Institut fest. Klarere Worte findet der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Rudolf Kösters: „Mit einem Preisspielraum von nahe null droht das Jahr 2008 für die Krankenhäuser zum Schicksalsjahr zu werden“, sagt er dieser Zeitung. Das gibt Spekulationen Auftrieb, wonach bis zu einem Viertel der Krankenhäuser in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden könnte.
Belastungen sind nicht verkraftbar
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Die Belastungen seien nicht verkraftbar, die Kliniken hätten „ihre Rationalisierungsmöglichkeiten ausgereizt“, sagt Kösters. „Es ist höchste Zeit, dass sich die Politik der Problematik der absolut unzureichenden Finanzausstattung der Krankenhäuser annimmt.“ Er warnte vor schlechterer Versorgung und Stellenabbau.
Die Ergebnisse der Befragung von knapp 800 Krankenhäusern bestätigen die Warnungen.
Mehr als ein Drittel der Kliniken plant einen Stellenabbau im nichtärztlichen Dienst. Der vom Statistischen Bundesamt beobachtete Abbau bei den Pflegekräften würde sich demnach fortsetzen. Obwohl viele Häuser Mediziner suchen, halten elf von hundert einen Stellenabbau im ärztlichen Dienst für realistisch. Fast 30 Prozent wollen frei werdende Arztstellen zeitweise nicht mehr besetzen. Gerade große Kliniken sehen das als Chance, Kosten zu sparen. Zudem wollen sie Arbeitsabläufe verbessern und von ärztlichem Personal Arbeit an Pfleger delegieren.
Tarifabschluss für die Ärzte koste 1,5 Milliarden
Allein der letztjährige Tarifabschluss für die Ärzte koste die Kliniken 1,5 Milliarden Euro, stellt der Bericht des Krankenhausinstituts fest. Hinzu kämen Belastungen aus der Gesundheitsreform und die höhere Mehrwertsteuer. Dem stünden nur um 0,64 Prozent gestiegene Bezüge gegenüber, beklagt Kösters. Weil der Gesetzgeber eine Rechnungskürzung für die Sanierung der Krankenkassen von 0,5 Prozent diktiert habe, würden die Krankenhäuser „endgültig von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt“.
Der DKG-Präsident sieht die Krise der Kliniken auch durch andere Ziffern belegt. Für 11 Prozent der Häuser gelte schon ein Notlagentarif, der Abweichungen vom Tarifrecht zulasse. Weitere 8 Prozent der Kliniken planten solche Abweichungen. Die Analyse ergibt ferner, dass große Kliniken sich besser auf die verschärfte Finanzlage einstellen. Hatte im Jahr 2006 nur 20 Prozent der Kliniken mit mehr als 600 Betten ihre wirtschaftliche Lage als „eher gut“ eingeschätzt, stieg der Anteil jetzt auf 32 Prozent. In Kliniken mit bis zu 300 Betten lag der Wert bei 30 Prozent, bei mittelgroßen Häusern erreichte er knapp ein Viertel.
Jeder zweite Klinikdoktor unzufrieden
Die DKG will die Erhebung auch zur Vorbereitung der Tarifrunde nutzen. Für hohe Abschlüsse wie in anderen Branchen gebe es „überhaupt keinen Raum“, sagt Kösters. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hatte ihrem Verlangen nach mehr Geld unlängst mit einer eigenen Umfrage Nachdruck verliehen. Demnach ist jeder zweite Klinikdoktor unzufrieden mit seiner Arbeit und dem Gehalt. Der Gehaltstarifvertrag kann Ende 2007 gekündigt werden.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AP, F.A.Z.