Der "Drehbuchstandard"

Elisabeth Dinse

Poweruser
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29.05.2002
Beiträge
19.809
Beruf
Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
Akt. Einsatzbereich
Intensivüberwachung
Ich benutze diesen Begriff oft und gerne. Kürzlich habe ich versucht meinem Mann zu erklären, wo der Unterschied zwischen seinen und meinen Standards liegt. Damit er mir folgen kann, habe ich meinen Standard in sein Umfeld verlegt.

Problem: Loch in der Isolierung bei Meter xyz in Höhe abc - mit Leiter erreichbar
Ressource:
freier Isolierer​
Ziel:
Loch in der Isolierung verschließen​
Material:
Handwerkzeug: es folgt eine detailierte Aufführung
Arbeitsschutz: es erfolgt eine detailierte Aufführung
Isoliermaterial: es erfolgt eine Beispielaufzählung
Hilfsmittel: es erfolgt eine Beispielaufzählung​
Durchführung:
Auftrag entgegennehmen
Problemfeld aufsuchen
Leiter anstellen- Winkel beachten
Leiter hinaufsteigen- Achtung: Steigbewegung auf der
vorletzten Sprosse einstellen​
... Weiter kamen wir nicht, weil mein Mann sich nicht fassen konnte vor Lachen. Sein Standard enthält lediglich: welches Material wofür... alles andere hat er gelernt. Aus seiner Sicht geht das auch gar nicht anders: jede Leitung hat ihre Probleme und hinzu kommt, dass der Isolierer seine eigenen körperlichen Grundvoraussetzungen beachten muss.

Mit unseren Drehbuchstandards machen wir uns mehr als lächerlich und wir weisen unbewußt nach, dass wir eigentlich keine Ahnung haben von dem was wir da tun.

Die Frage meines Mannes, wer denn solche Standards liest vor Arbeitsantritt musste ich leider unbeantwortet lassen. Ich mutmaße mal keine und dafür gibts das Sprichwort: Gelesen, gelacht, gelocht.

Die schöne Zeit die in die liebevolle Erstellung solcher Drehbuchstandards fließt sollte eher dem Patienten zugute kommen.

Elisabeth
 
Ich finds gar nicht so lächerlich; es gibt Leute die machen sich mit der Erstellung dieser Pflegeleitlinien eine heiden Arbeit;
Pflegestandards oder auch Pflegeleitlinien dienen, um nur wenige Beispiele zu nennen zum einen dazu, damit allen Patienten die gleiche Pflege zu teil werden kann und zum anderen sind sie ein nützliches Mittel bei der Anleitung "neuer Schwestern" oder Schüler.
Das ganze Internet ist voll davon.
Außerdem geht das Erstellen dieser Standards auch nicht von der Zeit, die für die Patienten gedacht ist ab, sondern werden ausserhalb dieser Zeit gemacht.

Ich finde es eine nützliche Sache und mit dieser Meinung glaube ich, stehe ich nicht alleine da.
 
Als ich angefangen hab dein post zu lesen und gemerkt habe das du den Handwerkerstandard aufschreiben willst, wusste ich was kommt:

Zur Durchführung nämlich garantiert nur den Appell, genau das zu tun. Nix mit "Hände desinfizieren", "Handschuhe anziehen" ...

Ein Witz!

Standards für PFLEGETÄTIGKEITEN (Nicht Orga oÄ) sind für ungelernte Kräfte und Unsichere oder neue Pflegekräfte da. Zum nachlesen wenn einem was entfallen ist, mehr nicht.

Sehe ich nicht anders!
 
Hi,

ich denke, hier darf man nicht verallgemeinern, natürlich braucht man nicht für jeden Handgriff einen Standard, aber Ablaufstandards in Form von "Checklisten" erleichtern die Arbeit m.E. ungemein. Ich denke hier vor allem an stationsfremde Mitarbeiter, die sich daran orientieren können (... denen ich dann nicht alles erklären muss, was dann von meiner Zeit für die Patienten oder die Administration abgeht...)

Leider (oder zum Glück - je nachdem wie man es sehen will) sind die Abläufe und manche Arbeitsweisen nicht auf jeder Station unserer Klinik gleich.

Auch neuen Mitarbeitern können Standards Sicherheit bieten, wenn diese übersichtlich und klar strukturiert sind. Zumindest meine Erfahrung.

@Elisabeth:
Meintest Du jetzt Standards im Allgemeinen, oder war mit "Drehbuchstandards" gemeint, dass quasi jeder Handgriff beschrieben wird?

LG MC
 
Dann wird zukünftig ein Stapel Standards an der Pforte ausliegen?
"Sie gehen heute auf XYZ. Das sind ihre Arbeitsanleitungen."
Hat schon mal jemand nach Rezept gekocht? Der wird verstehen, was ich meine. *fg* "Moment... ich muss erst mal nachlesen, bevor ich das machen kann."

Hinzu kommt die Unfähigkeit ohne Grundlagenwissen die eigene Tätigkeit reflektieren zu können: ist der Standard hier richtig? Welche Abwandlung braucht es?

Die Zeit, die zur Erstellung von hauseigenen Standards verwendet wird geht ganz klar von der Arbeitszeit ab. Oder arbeitet die Standardgruppe in ihrer Freizeit daran- sprich ohne Bezahlung?

Wer kontrolliert eigentlich die vielen Standards im Netz auf fachlich korrekte Aussage?

Und ja- es macht eine heiden Arbeit... der Versuch, Ausbildungsdefizite ausgleichen zu wollen mit minutiös detailierten Arbeitsablaufbeschreibungen. Um dann doch erkennen zu müssen: der Mensch ist so facettenreich, dass er sich nicht in einen Standard pressen läßt. Ständig muss der Standard angepasst werden.
Nach dieser Erkenntnis habe ich mich mehr der Wissensvermittlung in Seminaren und in der Praxis zugewandt. "Bücher" sollen andere schreiben.

Elisabeth
 
*lach*
nein so war das ja auch nicht gemeint... natürlich sollte jeder sein "Handwerk" verstehen und detaillierte Handlungsanweisungen für jede Tätigkeit sind natürlich auch albern.
Vielleicht meinen wir auch was Verschiedenes.

Wenn ich mich z.B. um den Papierkram bei Entlassungen, Aufnahmen, etc. kümmern muss, dann finde ich es schon erleichternd, wenn ich meine Checkliste abarbeiten kann und nicht in dem Chaos, was bedingt durch das Klientel auf einer geschlossenen psychiatrischen Station manchmal herrscht, irgendwas vergesse.
Oder ich kann meiner Kollegin von der aushelfenden Station sagen: "...machst Du schon mal die Entlassung fertig, kannst Dich an der Checkliste orientieren." Während ich mich um etwas anderes kümmern kann.

LG