Appetitlosigkeit

Gerrit

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Hallo,

was macht Ihr denn bei PatientInnen die längerfristig keinen Appetit haben?
Gibt es bei Euch so etwas wie ein Ablauf- oder Stufenschema bei Appetitlosigkeit und wenn ja - wie sieht das aus?

Grüsse,

Gerrit
 
hallo,
also wir geben unseren Patienten Mulisanostol oder Pepsinwein. Wenn Patienten stark abgebaut haben, bekommen sie auch schon mal hochkalorische Drinks (Diben Drink, Proten Plus...).
Ein spezielles Schema haben wir aber nicht. Wäre aber mal eine Überlegung wert....


L.G. Isabel :nurse:
 
Hallo Isabel,

danke für die Antwort.
Mulisanostol kenn' ich (noch) nicht.
Pepsinwein haben wir mit sehr unsicherem Erfolg bei unseren Patienten eingesetzt, allerdings muss man halt sagen dass das mehr ein Apperitiv als ein Medikament ist, vor allem wenn er länger eingesetzt wird...

Das mit supportiver Ernährung erst sehr spät begonnen wird ist auch bei uns ein Problem. Gerade wenn palliative Tumorpatienten fettfreie Masse abbauen ist sie so gut wie gar nicht mehr aufzubauen. Dabei ist sie wichtig für Lebensqualität und wohl auch für Überlebensdauer von Patienten.
Das Problem ist halt nur, dass viele unserer Patienten keinen Appetit haben. Und da hilft meist keine Wunschkost.

Hatte eigentlich so leise gehofft, dass hier auch Infos und Erfahrungen zum Einsatz von
  • Kortison
  • Low-dose Insulin
  • Dronabinol (gerade bei onkologischen Patienten)
etc. kommen könnten.

Grüsse,

Gerrit

 
hallo gerrit,

Multisanostol ist ein sehr süßer dicker Saft, gibt es doch in der Apotheke. Ich habe ihn mal bei unserer Oma (90) "ausprobiert", als diese nichts mehr essen wollte. 2mal täglich ein Eßlöffel und sie hat wieder gefuttert wie ein Weltmeister (grins).
Seit dem gebe und empfehle ich ihn unseren Chemo-Patienten, wenn sie keinen Appetit mehr haben.

Zu den anderen Sachen kann ich dir keine Info´s geben, damit arbeiten unsere Ärzte (und wir) nicht. Ich gebe zu, Dronabinol habe ich noch nie gehört.

Im großen und ganzen sind wir beim Thema Appetitlosigkeit doch sehr machtlos, wenn ein Patient nicht essen will hilft alle Überredungskunst nicht.

L.G. Isabel
 
habe gestern mit unserem oberarzt geplaudert und dabei kamen wir auch auf das thema inappetenz bei ca-patienten.

sein vorschlag wäre, morgens zunächst kortikosteroide zu geben, aber dronabinol ist bei inappetenz und daraus resultierender tumorkachexie genau das richtige, meint er.
habe folgenden link gefunden, der dir vielleicht weiterhelfen kann: http://www.cannabis-med.org/german/nav/home-archive.htm

gerade lief im fernsehen allerdings ein beitrag zu dronabinol, in dem darauf hingewiesen wurde, daß die gesetzlichen krankenkassen die kosten für dieses NICHT übernehmen - gezahlt wird momentan nur bei privat versicherten.

liebe grüße,
sun
 
Hallo Gerrit,

ich arbeite auf der hämato Onko Station. Viele Hochdosis Chemotherapien und Stammzelltransplantationen...Appetitlosigkeit kenn ich bei unseren Patienten nur allzu gut.
Bei uns läuft es so, das die Patienten Wunschkost haben... wennn der Appetit nachlässst versuchen wir es mit Fesubin (gut gekühlt) zusätzlich und bieten das ganze auch in Eis-Form an (das ist echt der Renner). Durch die Chemotherapie haben unsere Patienten oft Stomatitis-Beschwerden und da ist das Eis echt gut.

Wir steigen allerdings auch relativ zeitig mit parenteraler Ernährung ein, dass die Patienten durch Infekte natürlich deutlich mehr Kalorien benötigen.
Säfte flößen wir den Patienten nicht ein, die haben eh schon Übelkeit genug...


Gruss Britta
 
Hallo,

bei uns war das Thema der Inappetenz und Kachexie gerade auch erst sehr aktuell.
Ich arbeite auf einer pädiatrischen häm-onko und wir steigen (leider) bei unseren Patienten sehr schnell auf parenterale Ernährung um (die meiner Meinung nach nur mäßigen Erfolg bringt und den Aufenthalt im Krankenhaus unnötig verlängert).

Hochkalorische Drinks kann man unseren Kids meist nur schwer verkaufen und mit Corticoiden haben wir im Hinblick auf Infektionen schlechte Erfahrungen gemacht (obwohl ich die kurzfristigen Erfolge nicht verleugnen will).

Was bei uns allerdings den durchschlagenden Erfolg gebracht hat, war das MARINOL (Cannabis-Präparat), bis eben die Krankenkassen trotz verkürzten Krankenhausaufenthalten und verbesserter Lebensqualität einen Riegel vor die Rezeptierung gesetzt haben.
In einigen Krankenhäusern wird aber Tumorpatienten direkt bei einsetzender Appetitlosigkeit eine Magensonde gelegt, um den größten Druck des "Essenmüssens" von den Patienten zu nehmen. Zumal diese Lösung physiologischer ist als die parenterale Ernährung und auch problemlos Zuhause durchgeführt werden kann. Wichtig ist aber hierbei die gründliche Schmerzerfassung und eine tägliche Inspektion der Schleimhäute.

Die non-plus-ultra Lösung gibts aber leider wohl noch nicht.
LG
 
hallo,

haben bei uns dronabinol eine ganze zeit ausprobiert, mittlerweile haben wir es nicht mehr auf station. hatten nicht den einschlagenden erfolg damit. und hat sich so nicht rentiert.

arbeite auf ner pallistation. haben eigentlich das thema appetitlosigkeit täglich. wir versuchen die wk herauszubekommen und schauen was möglich ist. vom spiegelei über bier bis hinzu hipp babygläschen.

bei uns kommt eigentlich immer kalte sachen an. gefrorene früchte oder wassereis, stellen wir selber her.

wichtig kleine portionen richten. vielen ist der appetit schon vergangen, wenn sie das riesen tablett sehen.

gruß doreen
 
Gerade wenn palliative Tumorpatienten fettfreie Masse abbauen ist sie so gut wie gar nicht mehr aufzubauen.

Ich habe mal zu dem Thema ne generelle Frage sollten kachektische Patienten eher hochkalorisch fettreich, zuckerreich und/oder eiweißreich essen? ... Das ist mir nicht ganz klar..., der Nährwert von Fett ist zwar höher; er steht dem Patienten jedoch auch nicht als Engerieträger zum Metabolismus, wie z.B. Zucker, direkt zur Verfügung (ich glaub ich hab da irgendwie nen Dreher).
 
Ich habe mal zu dem Thema ne generelle Frage sollten kachektische Patienten eher hochkalorisch fettreich, zuckerreich und/oder eiweißreich essen?

Kommt auf die Ursache der Kachexie an.

Bei onkologischen Patienten isst der Tumor mit. Fett kann er aber weniger gut bis gar nicht verstoffwechseln. Die Kalorien aus Fetten kommen also dem Patienten allein zu gute, daher sollte die Nahrung ruhig fettreich zubereitet werden. Allerdings auch schon, bevor der Patient kachektisch wird.
 
Was onnkologische Pat betrifft, wurde ja oben schon vieles genannt. In der Geriatri kann ich nur so viel sagen, Gespräche, Gesprächr,... ggf. etwas mitessen, Wunschkost, Bew selbst mit zu bereitenlassen,...
Pepsinwein ist für mich eigentlich nur etwas wenn der HB selbst an den Erfolg glaubt und Energydrinks (also ich meine hochkalorische Drinks) schmecken leider nicht jedem.
 
Hallo,,
bei uns wird wir folgt vorgegangen...
1. genaue Anamnese um andere Ursachen auszuschließen z.B. Depression,
familiäre Probleme (hatten ohne Witz schon öfter das Problem gerade bei
Zuwandererfamilien aus dem östlichen Europa den Patienten gemeinsame
Mahlzeiten verweigert wurden, sogar extra Geschirr und Besteck die
niemand anders aus der Familie anrührte, verwendet wurde und die
Menschen daher nicht essen wollten),
Motilitätsprobleme etc.
2. Wunschkost mit diversen Broschüren und Büchern der Pharmaindustrie
(da gibt es ganz gute) durch die Familie
3. hochkalorische Drinks und Kalorien steigern mit Maltodextrin in anderen
Lebensmitteln
4. Dexamethason 4 mg 1-0-0
3 - 5 Tage nach der Chemotherapie
5. wenn die obige Dosis effektiv ist aber nicht lange genug anhält
(oft reicht ein "Anschub" mit Dexa)
1-0-0 feste und steigern bis 1-0-1 wenn es benötigt wird
-> damit futtert dann bestimmt 75% der Leute wie Scheunendrescher)
6. Dronabinol 3 Tropfen 1-1-1 auf Keks

Drona hilft den meisten, bei manchen tut sich aber ÜBERHAUPTNIX, warum ist nicht geklärt soweit ich weiß.
Und es gibt oft Stress mit den Hausärzten wegen der "Abhängigkeit" *lol*

LG
Saskia
 
In der ambulanten Pflege haben wir die beste Erfahrung mit Wunschkost gemacht; oft ist es meiner Erfahrung nach notwendig, die Menschen in ihrem Wunsch zu bestärken ("Darf ich wirklich sooo dick Butter auf dem Brot essen?").
In Kombination mit Low-dose-Dexamethason kommt es meiner Erfahrung nach zu regelrechten Appetitattacken (und oft zur Gewichtszunahme bzw. eben zu keinem -weiteren- Gewichtsverlust).

Pepsinwein hatte ich vor Jahren zuletzt in der Hand, da kann ich weder positiv noch negativ darüber berichten.

Bitter-Elixier z.B. von Wala, Weleda u.a. tut manchen Patienten subjektiv wohl sehr gut.

Hochkalorische Zusatznahrung, die es ja inzwischen in allerlei Varianten und Konsistenzen gibt, schmeckt vielen oft nicht. Allerdings bekomme ich Patienten oft dazu, es zu passenden Nahrungsmitteln hinzuzumischen (ins Müsli, mit Joghurt, im Kaffee usw.), dann hat es eine deutlich höhere Akzeptanz.
 
Inzwischen gibt es von Fresenius auch hochkalorischen Pudding. Er schmeckt wie normaler Pudding (sagen unsere Patienten):

Fresenius KABI DE- Merkmale
 
Inzwischen gibt es von Fresenius auch hochkalorischen Pudding. Er schmeckt wie normaler Pudding (sagen unsere Patienten):

Fresenius KABI DE- Merkmale

Fairerweise muss man sagen, dass alle *großen* Hersteller seit etwa 2008 derartigen Pudding im Angebot haben. Auf Anfrage bekommt man auch immer Probepäckchen (und für uns im ambulanten Bereich wichtig: Hinweise zur Erstattungsfähigkeit).