Aktive Sterbehilfe - moralisch vertretbar?

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Ute

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Jeder Zweite für aktive Sterbehilfe

[02.04.2005]

Jeder Zweite für aktive Sterbehilfe

Aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung


Gütersloh. Die amerikanische Wachkomapatientin Terri Schiavo beschäftigt auch die Gütersloher Bertelsmann-Stiftung. Die Einrichtung untersuchte jetzt die Meinung von Ärzten und Versicherten zum Thema Sterbehilfe. Die Studie ergab, dass fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine aktive Sterbehilfe befürwortet.

Ferner zeigte sich, dass die Meinungen von Versicherten und Ärzten teilweise weit auseinander gehen. Während 45 Prozent der Versicherten eine aktive Sterbehilfe befürworteten, sprachen sich nur 10 Prozent der Ärzte dafür aus. Sollte allerdings der sterbenskranke Patient ausdrücklich nicht weiterleben wollen, könnten sich fast zwei Drittel aller befragten Ärzte vorstellen, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten.

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Quelle: www.nw-news.de
 
Ich arbeite auf einer Onkologie und der Tod gehört bei uns zum Alltag.Meist können wir durch Schmerzmittel und Sedativa viel abfangen.Ich denke,auch das ist an der Grenze zur Sterbehilfe,wenn nicht schon darüber hinaus.Vor einigen Wochen hatte wir eine Frau bei uns,die sehr lange im Sterben lag.Ich mochte sie sehr gern,das machte es natürlich noch schlimmer.Sie hatte hohe Dosen Morphin und auch Dormicum.Sie war nicht direkt unruhig,doch sie stöhnte unablässig.Mit Sicherheit kann man natürlich nicht sagen,ob sie von ihrem Zustand etwas mitbekam.Doch allein die Möglichkeit finde ich erschreckend.Ich hatte zu der Zeit Nachtdienst,saß oft an ihrem Bett.Und ich überlegte,ob ich ihr nicht helfen könne.Die Dosen kurzzeitig so erhöhen,daß sie es nur endlich schafft.Ich überlegte lange,und sie nahm mir die Entscheidung ab.Ich war so fertig,daß ich sogar zu Hause noch heulte.Ich sprach mit meinem Mann darüber.Doch Außenstehende können das immer nicht so nachvollziehen.Wir reden im Team viel,das hilft auch.Doch diese Überlegungen,die ich vielleicht noch in die Tat umgesetzt hätte,wollte ich dort doch nicht anbringen.
Wie denkt ihr darüber?
 
Alleine, dass du überlegst aktive Sterbehilfe zu leisten und dir Gedanken machst, wie du es am geschicktesten anstellen könntest halte ich für sehr gefährlich. Ich würde dir empfehlen, den Pflegebereich zu wechseln um dich nicht unnötig diesen Situationen auszusetzen.

Sterben ist nicht immer das friedliche Einschlafen, dass sich jeder wünscht. Es gibt immer mal Pat. die sehr schwer sterben- woran es auch imemr liegen mag. Unsere Aufgabe ist es, auch diese Menschen zu begleiten und sei es nur dadurch, dass wir mit ihnen gemeinsam aushalten.

Elisabeth

PS Ich habe gerade noch deine anderen Beiträge gelesen. Diese bestärken mich darin, dir dringend zu raten von der Station weg zu gehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Frage sollte man sich auch noch stellen: WARUM "helfe" ich aktiv nach? Eventuell auch, weil ich mit der Situation nicht zurechtkomme? Das wäre dann sehr bedenklich.
 
Hallo aja,
ich möchte mich den beiden Vorrednern anschliessen mit der dringenden Empfehlung, das du dich in professionelle Hilfe begeben solltest. Es bieten sichdafür nicht nur Ärzte und Psychologen an, sondern auch (Krankenhaus)-Pfarrer und Organisationen, die sich mit Sterbebegleitung befassen, an.
Alle werden sich vertraulich mit deinem Problem befassen, bevor du etwas tust, was du dann mit deinem Gewissen garnicht mehr vereinbaren kannst.
 
Moin moin,
ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen.Wie lange arbeitest du denn schon auf der Onko? Ich denke ganz einfach,dass man auf einer Onkologischen- oder auch Palliativstation nicht ewig arbeiten kann,dass verkraftet der Körper irgendwan nicht mehr auch wenn du dachtest du seist psychisch stabil.In unserem Krankenhaus durfte man nur eine bestimmte Zeit auf der palliativstation arbeiten,dann wurde man in einen anderen Bereich versetzt,was alle Schwestern dankend annahmen.Ich denke du solltest das auch tun und gleichzeitig psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
Gruß Fritzi
 
Schwierig, schwierig,
ich betreue zur Zeit auch eine präfinale Patientin , die zur Linderung eine kontinuierliche Morphingabe erhält.
Auch sie tut sich schwer , und auch wenn es mir für sie sehr leid tut , ist mir die Möglichkeit , daß ich ihr z.B. einen Bolus geben könnte , um es ihr zu erleichtern , nicht eine Sekunde in den Sinn gekommen.
Hol Dir professionell Hilfe!!!
Wo kämen wir hin, wenn wir über Leben und Tod bestimmen ,wie es uns in den Sinn kommt.
Auch wenn es aus edlem Motiv heraus geschehen mag...
Ich wünsche Dir alles Gute und viel Kraft.
Vielleicht tät Dir ein bißchen Abstand von der Station wirklich gut.
LG Ernie
 
Was "moralisch" vertretbar ist muss jeder für sich selber wissen und entscheiden.

Aber fakt ist, dass in Deutschland aktive Sterbehilfe illegal ist.

Und möchtest Du für einen eigentlich für Dich wildfremden Menschen ein paar Jahre Knast riskieren ?????!!??

Also entweder solltest Du Dir solche Überlegungen ganz schnell aus dem Kopf schlagen oder Du wechselst den Fachbereich oder gehst nach Australien oder Holland arbeiten. Da ist aktive Sterbehilfe meines Wissens nach zumindest in gewissen Formen legal.
 
Grundsätzlich bin ich für Sterbehilfe, aber das heisst nicht, dass jede Pflegekraft individuell entscheiden soll, was das Richtige ist! Die Handhabung in Holland finde ich gut.
@aja: Emotional kann ich Dich sehr gut verstehen und ich bewundere Deine Ehrlichkeit, Deine Gefühle so mitzuteilen. Was die Umsetzung aktiver Sterbehilfe betrifft, schließe ich mich jedoch meinen Vorrednern an, mach` Dich nicht unglücklich und ergreife keine Selbstjustiz!
 
Hi aja!
Ich glaub nicht daß du das Psycho-Wrack bist als das dich die anderen in ihren Beiträgen hinstellen. Klar, ist aktive Sterbehilfe illegal, aber ich glaub´daß viele die mal in deiner Situation waren ähnliche Gedanken hatten. Ich hab da im privaten Bereich `ne sehr heftige Erfahrung gemacht. Und damals hab ich mir ähnliche Gedanken gemacht wie du und hab´s ebenfalls nicht umgesetzt weil ich zu feige war. Zu feige, weil ich nicht wußte ob und wie ich damit leben könnte. Natürlich ist das im Job nochmal was anderes, da würd ich das nie in Erwägung ziehen. Aber ich kann deine Gedanken annähernd nachvollziehen.
In den vorigen Beiträgen war die Rede davon daß Sterben halt nicht immer einfach wär und wir den Patienten dabei begleiten sollten.Klar, aber man würde um´s mal polemisch zu sagen keinen Hund so verrecken lassen wie manche Menschen. Schlimme Zustände.
 
Wenn man sich von einem Gedanken nicht mehr distanzieren kann und er so permanent wird, dass man Hilfe sucht, dann sollte Pflegepersonal eigentlich richtig reagieren und denjenigen nicht in seinen Gedankengängen bestärken.

Wer als Sterbebegleitung nur die "schnelle Lösung" favorisiert, der sollte sich überlegen ob er in diesem Beruf richtig ist.

Das in vielen KKH immer noch nicht begriffen wurde, dass das Leben endlich ist, ist ein anderes Thema. Und wenn eine Aktivität, dann Ärzte aktiv daran hindern, das Maß des Erträglichen zu überschreiten. Würde bedeuten, ich muss mich mit dem Doc auseinandersetzen und ggf. offiziell diagnostsiche und therapeutische Maßnahmen verweigern. Der Weg dürft unendlich schwieriger sein als der Weg, den aja hier gehen wollte. Man müßte hier auch mit Konsequenzen rechnen. Diese Konsequenz könnte sein: Versetzung auf eine andere Station.

Elisabeth

PS Amabilis, lese alle Beiträge von aja. Dann verstehst du ggf. die Tipps besser.
 
Zum Beitrag von Elisabeth Dinse vorher:

1.Wenn ich über dieses Thema spreche, dann red´ich nicht von einer"schnellen Lösung" sondern von humanem Sterben.
Mir geht´s dabei auch nicht darum daß ich keinem beim Sterben zuschauen kann oder ihn nicht unterstützen könnte. Mir geht´s um den Menschen der da liegt und sich quält.
2.Meine Aussage ist auch NICHT daß ich illegale Sterbehilfe befürworte.
Ich hab lediglich ausgedrückt daß ich die Gedankengänge von aja verstehen kann, dazu brauch ich den Rest von ihr nicht zu lesen, da bezieh ich mich lediglich auf den Beitrag hier.
3.Das hat nichts mit Bestärkung zu tun, sondern soll lediglich aussagen daß auch andere aktive Sterbehilfe WOHLGEMERKT THEORETISCH befürworten.
4.Und ich find wichtig daß die Thematik öffentlich disskutiert wird, vielleicht schaffen wir´s dann in ferner Zukunft auch in Deutschland die Schatten der Vergangenheit abzuschütteln und wie in einigen anderen Ländern todkranke Menschen selbst über das wie und wann entscheiden zu lassen und einen Weg zu finden um Menschen die nicht mehr für sich selbst entscheiden können den Weg zum Sterben zu erleichtern.
5.Aja könnte sich natürlich auch auf `ne andere Station versetzen lassen, aber dem schleichenden Tod wirst du in der Klinik überall wieder begegnen.
Und ob´s der Psychohygiene dient sich als Einzleperson mit dem System anzulegen wie angedeutet bin ich mir nicht so sicher.
ERGO- um´s nochmal zu verdeutlichen: du kannst und darfst nicht darüber entscheiden ob ein Mensch sterben darf oder nicht, darüber musst du dir im klaren sein.
 
Ich mache mir immer gerne ein Bild von meinem Gesprächspartner. Das ist in so einem Forum sehr schwer und so bleiben mir nur die bisherigen Postings meiner Kommunkiationspartner- und selbst das ist oft wenig aussagekräftig. Deshalb frage ich mal nach:

Du sprichst viel vom Quälen. Es scheint eine zentrale Rolle in deinen Vorstellungen von Sterben zu sein. Was meinst du ganz konkret mit Quälen, qualvollem Sterben? Was weißt du über den physiologischen Vorgang des Sterbens?

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth Dinse!
Mir fehlen bestimmt genaueste pathophysioligische Kenntnisse, um den Sterbeprozess genauestens und fachlich korrekt zu erklären. Aber die brauch´ich auch nicht.
Ich hab´mit dem Sterben meine ganz eigene persönliche Erfahrung gemacht (die wie ich finde allerdings nicht hierher gehört). Nur soviel dazu: ich seh´die ganze Diskussion nicht nur als Krankenschwester sondern auch als Betroffene.
Ich WEIß also wie schrecklich machmal Dinge ablaufen können.
Weißt du, ich seh´das Sterben als ganz natürlichen Prozeß an, als biologische Abfolge des Lebens, einfach als Ergebnis von Zellalterung.Somit gehört für mich das Sterben als solches auch einfach als Lebensabschnitt dazu. Insofern sind wir uns glaub´ich auch einig.
Für mich ist nur schwer zu akzeptieren, daß, nachdem wir bei bestimmten Patienten über Jahre sämtliches medizinisches Können aufgeboten haben um ihr Leben um jeden Preis zu verlängern, uns so schwer damit tun, ebensoviel "Know-how" zu investieren damit der Abschied nicht zum Kampf wird.
Und:
Sterben heißt für mich nicht automatisch Quälerei wie du in deiner Antwort wohl fehlinterpretiert hast, aber es KANN eine sein wie du wohl zugeben mußt.
Um nochmal auf deine Frage zurückzukommen:
Die Qual kann ich nicht genau definieren, das ist bei jedem Sterbenden anders, aber primär sollte niemand Schmerzen haben, niemand alleine sein und zumindest alles dafür getan werden daß der Sterbevorgang nicht noch verlängert wird. Ich könnt´jetzt zum besseren Verständnis ein paar persönliche Dinge anbringen um zu zeigen gegen wieviele Widerstände man zu kämpfen hat wenn man auch nur diese drei einfachen Dinge versucht durchzusetzen aber wie gesagt gehört das nicht hierher.
 
Einfach mal die medizinischen gegen die ethischen Grenzen abwägen? Das wäre man wat schönes...

Ich habe manchmal das Gefühl, die Ärzte (bzw. viele von ihnen) empfinden den Tod als persönliche Niederlage. Ich glaube, wenn sich da mal was dran ändern würde, dann wären frustrierte Äußerungen wie das Eingangsposting wohl seltener...


Wenn die PatientInnen nicht so oft auf Teufel-komm-raus gepiesackt würden mit Maßnahmen, die nicht wirklich helfen, sondern eine vernünftige Palliativbehandlung bekämen, dann würde sich die Frage nach aktiver Sterbehilfe weniger stellen. Ins Bewußtsein sollte mehr aufrücken, daß Leiden zu lindern auch eine Aufgabe ist, nicht nur heilen...
 
Catweazle, du sprichst mir aus der Seele! Damit wär schon viel geholfen.
Ethische Diskussionen find ich allerdings leidlich mühsam in einer Zeit, in der in vielen medizinischen Bereichen bereits sämtliche ethische Grenzen überschritten sind.
Gruß, Amabilis
 
Für mich ist nur schwer zu akzeptieren, daß, nachdem wir bei bestimmten Patienten über Jahre sämtliches medizinisches Können aufgeboten haben um ihr Leben um jeden Preis zu verlängern, uns so schwer damit tun, ebensoviel "Know-how" zu investieren damit der Abschied nicht zum Kampf wird.

Wenn du damit ff. meinst, sind wir einer Meinung.
...aber primär sollte niemand Schmerzen haben, niemand alleine sein und zumindest alles dafür getan werden daß der Sterbevorgang nicht noch verlängert wird.

Elisabeth
 
Ich finde es gut, das hier aktive Sterbehilfe verboten ist. Denn wer weiss, was auch damit für Unfug getrieben werden könnte.

Natürlich hab ich auch gesehen, wie sich manche Menschen bis zum Tot gequält haben. Das fand ich auch furchtbar schlimm. Hatte damit auch schwer zu kämpfen.

Es gibt 2 Seiten. Es gibt ja auch noch die Hospiz, die wirklich sehr gut sind und den Menschen den Tot um einiges erleichtern und in Ruhe einschlafen können.

Es gibt auch Pat. die kämpfen und alles an Untersuchungen und Therapien durchziehen, weil Sie nach jeden Strohhalm greifen und sich dadurch quälen.

Das Beste ist vermutlich, das man sich früh genug darüber Gedanken macht und eine Pat.-verfügung hat. Um in solch einer Situation Niemanden diese Verantwortung überlassen zu müssen. Denn für Angehörige ist es wirklich schwer eine Entscheidung zu treffen.

Bei Anderen denkt man wohl realistischer, aber stell mal die Maschinen bei Deiner eigenen Mutter ab....

Wie überall gibt es Vor-und Nachteile. Auch in der Medizin. Einerseits hält Sie uns positiv - und andererseits hält Sie uns negativ am Leben.
 
Zu nightshade:
Ist es nicht aber so, daß diesen Patienten vielzuoft der "rettende Strohhalm" immer wieder vor die Nase gehalten wird? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen daß es oftmals viel Mut und auch einen gewissen Einblick in das medizinische Prozedere braucht um dich einer Therapie zu wiedersetzen weil dir die verschiedenen Optionen nicht mitgeteilt werden. Viele Patienten WOLLEN unterbewußt auch gar nicht die Wahrheit hören weil sie Angst davor haben, aber ich denke daß jeder die Chance bekommen sollte selbst zu entscheiden wann Schluß ist mit dem Raubbau an seinem Körper.
Im Gegenteil ist es oft so das Patienten zu "Forschungszwecken" immer weiter therapiert werden obwohl keine Aussicht auf Heilung besteht und die Lebensqualität immer weiter abnimmt.
Aber ich denke das entfernt sich jetzt zu weit vom eigentlichen Thema, deshalb mach ich hier Schluß.
Gruß, Amabilis
 
Solange nicht erkannt wird, dass das Sterben und der Tod zum Leben gehört und dass es ein Pflege-Ziel ist, ein würdiges Sterben zu ermöglichen, wird es immer wieder Diskussionen um aktive Sterbehilfe geben. Es ist nicht nur in den Köpfen der Ärzte häufig eine Niederlage jemanden gehen zu lassen, oft haben auch Pflegekräfte noch große Probleme damit, zu akzeptieren, dass irgendwann der Weg zu Ende ist.
 
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