"Hilfe"-Rufe bei dementen Patienten auf einer Intensivstation

Feli

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18.08.2009
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Gesundheits- und Krankenpflegerin
Akt. Einsatzbereich
interdisziplinäre Intensivstation
Hallo allerseits!

Kürzlich hatten wir auf unserer ITS einen Patienten (unfallchirurgisch), der, sobald er wach war, pausenlos "Hilfe" gerufen hat. Die Frage nach Schmerzen verneinte er wiederholt, dann ging dir Ruferei weiter.

Lt. Angehöriger macht er das immer, auch im Heim. Für den Nachbarpat. - völlig orientiert - war die Nacht die Hölle. Wir konnten ihn leider aus Bettenmangel nicht auf einen anderen Bettplatz verlegen...
Bei den Hilferufen klang die Stimme nicht gequält (keine Ahnung, wie ich es besser beschreiben soll), und selbst wenn wir neben ihm standen und mit ihm gesprochen haben, ging es immer weiter.

So ungefähr: "Haben sie Schmerzen?"
"Nein. Hilfe!"
"Wie kann ich Ihnen helfen?"
"Hilfe!"

Auch, wenn die Angehörigen zu Besuch waren - und das haben wir so oft es geht ermöglicht, rief er weiter um Hilfe.

Die Problematik ist ja eigentlich bei Dementen bekannt, ich erinner mich daran, dass sie das in dem Stern TV Experiment "Plötzlich alt" auch nachgestellt haben.

Wir haben solche Probleme ja eher selten, irgendwann werden diese Patienten dann verlegt.

Aber meine Frage an euch ist: Was macht ihr, wenn ihr solche Patienten länger auf Station habt? Oder was machen die Kollegen aus der AP, wenn ihr so eine Problematik bei einem Bewohner habt? Und was können außer Schmerzen und Angst noch Gründe dafür sein?
 
Zuletzt bearbeitet:
So einen Fall hatte ich vor einigen Monaten auch. Es ist leider nicht viel zu machen:

Der Pat. sollte, wenn möglich, von anderen Patienten isoliert werden und, wie du schon geschrieben hast, möglichst viel Zuwendung und Aufmerksamkeit von Angehörigen und dem Pflegepersonal haben. Leider ist letzteres oftmals praktisch nicht zu realisieren.
Vor allem nachts sollte man versuchen den Pat. mit "leichten" Medikamenten etwas ruhiger zu bekommen da der Schlaf sehr wichtig und essentiell für diesen Mensch ist.
 
und, wie du schon geschrieben hast, möglichst viel Zuwendung und Aufmerksamkeit von Angehörigen und dem Pflegepersonal haben.

Nur hat alle Zuwendung und Aufmerksamkeit ja nix gebracht, er rief, auch während er Zuwendung bekommen hat, um Hilfe...
 
Soweit ich mich erinnere, haben wir dann sediert. Ansatz war, dass es uns furchtbar erschien, dass sich der betreffende offensichtlich in einer für ihn ausweglosen Situation wähnte.

Elisabeth
 
Hi,

diese Situationen haben wir leider sehr oft auf Station. Es wird dann versucht so jemanden neben einen sedierten Patienten oder in ein Einzelzimmer zu legen.

Traurig, aber was soll man machen.... Andere Patienten und deren Besucher haben meißt absolut kein Verständniss für solche Situationen und wir werden dann von denen nicht selten wie Verbrecher beäugt!

Bei besonders hartnäckige Fällen oder wenn wir das Gefühl haben der Patient plagt sich zu sehr, wird auch mal sediert.

Mel
 
Hi,

Es wird dann versucht so jemanden neben einen sedierten Patienten oder in ein Einzelzimmer zu legen.

Traurig, aber was soll man machen.... Andere Patienten und deren Besucher haben meißt absolut kein Verständniss für solche Situationen und wir werden dann von denen nicht selten wie Verbrecher beäugt!

Mel

Ganz ehrlich, wenn ich neben so einem Patienten schlafen müsste, würde ich auch durchdrehen. Verständnis hin oder her, nach einer Stunde wird es anstrengend, nach zwei Stunden raubt es einem den letzen Nerv.
 
Genauso ist es und vermutlich würde jeder Mensch so reagieren. Schlafentzug ist quasi eine grausame Folter.
Und desahlb wie schon gesagt:
Pat. von anderen Patienten isolieren und sedieren. Ist nicht schön aber was soll man sonst machen?
 
Ganz ehrlich, wenn ich neben so einem Patienten schlafen müsste, würde ich auch durchdrehen. Verständnis hin oder her, nach einer Stunde wird es anstrengend, nach zwei Stunden raubt es einem den letzen Nerv.

Selbstverständlich verstehe ich wache/klare Patienten die neben so jemanden nicht zur Ruhe kommen und dadurch genervt sind!

Was ich jedoch nicht verstehe ist, dass unsere Gesellschaft es schafft Pflegebedürftigkeit, Demenz etc. komplett aus ihrem Blickfeld zu verdrängen und dann extrem entsetzt reagiert wenn ihnen so was mal begegnet...
 
Hallo,

Meist ist es so, das bei dementen Patienten alte Traumata (zb. Kriegserlebnisse) aufbrechen. So eine Retraumatisierung kann durch die verschiedensten Ursachen ausgelöst werden. Gerüche, Lichtverhältnisse, Geräusche usw. Da muss viel probiert werden um das Auszuschalten, was den Patienten ängstigt und zu Hilfe rufen veranlasst.
Aber dazu hat im Krankenhaus und leider auch in anderen Einrichtungen kaum jemand die Zeit und oft auch nicht die Geduld.
Dabei sind es oft nur Kleinigkeiten ( ein flatternder Vorhang, ein Schatten, ein Kleidungsstück das am Schrank hängt, der Geruch eines Parfüms oder Rasierwassers, usw.) die diese Ängste auslösen.
Ja, leider haben unsere Dementen alten Leute keine Lobby die sich für sie einsetzt um ihnen auf ihrem letzten Weg ein menschliches Leben zu ermöglichen.
LG elie
 
Hi zusammen,
ich denke, dass das Bewusstsein für Demenz in den letzten Jahren zumindest in der Fachwelt sich verbessert hat. Leider ändert das nichts daran, dass eine Intensivstation schon für normale Menschen beängstigend und verunsichernd ist. Menschen, die in einer völlig anderen Realität leben und dazu noch aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen sind, haben eigentlich nur die Möglichkeit sich durch herausforderndes Verhalten, Luft zu verschaffen. Das ist für alle anderen kaum auszuhalten. Ich glaube, dass man sich das als Pflege in der Situation klarmachen muss, um einigermaßen gelassen reagieren zu können. Manchmal kann man durch Validation die Situation entschärfen, weil man die Realität des Patienten erfasst und daraum reagieren kann. Wenn nicht, sollte man mit Angehörigen und Arzt Hilfemaßnahmen besprechen, um die Lage erträglich zu gestalten.
 
Der demente Patient wird sediert????
Uihh das finde ich aber erschreckend,daß das so gehandhabt wird!!!!8O8O

Es gibt so viele Möglichkeiten mit Dementen umzugehen, man muss sich nur mal in deren Lage versetzen,dann kommt man mit Validation echt weit.
Es ist sicher anstrengend und nicht immer einfach,sich auf dieses "Spiel" einzulassen,aber es hilft beim Umgang und schafft mehr Vertrauen,so daß der zu Pflegende dann auch ruhiger wird.
Ich weiss auch,daß die Zeit im KH knapp ist,jedoch kann Sedierung auch nicht die Lösung sein.
 
Ich habe auch eine Fortbildung in Validation die von Naomi Feil selbst durchgeführt wurde.
Allerdings muss ich sagen, dass ich in der Praxis leider oft nicht die nötige Zeit habe um die Validation so ausführlich zu betreiben wie der kontinuierlich nach Hilfe schreiende Pat. benötigen würde.
Des weiteren ist das ein Prozess der bei diesem Pat. Wochen bis Monate dauern würde bis der Pat. sich beruhigt.
Der Pat. den ich vor einigen Wochen betreut habe wird sein Verhaltensmuster lt. psychologischen und neurologischen Gutachten wohl nie wieder ändern.
Also was soll man sonst unternehmen? Am Tag geht es ja aber nachts ist eine Sedierung leider manchmal der einzige Weg.
 
Ich weiss auch,daß die Zeit im KH knapp ist,jedoch kann Sedierung auch nicht die Lösung sein.

Welche Lösung bietest du an für die KH-Situation, speziell die hier angeführte Intensivstation.

Elisabeth
 
Ganz ehrlich, wenn ich neben so einem Patienten schlafen müsste, würde ich auch durchdrehen. Verständnis hin oder her, nach einer Stunde wird es anstrengend, nach zwei Stunden raubt es einem den letzen Nerv.
sehe ich genauso! wir haben zurzeit eine pat. bei uns liegen, die ist auch nicht mehr so ganz klar im kopf und ist dazu noch italienerin, und sie ruft und schreit und wenn ich 10 min im zimmer bin bin ich schon total genervt.
 
Hallo,

Meist ist es so, das bei dementen Patienten alte Traumata (zb. Kriegserlebnisse) aufbrechen. So eine Retraumatisierung kann durch die verschiedensten Ursachen ausgelöst werden. Gerüche, Lichtverhältnisse, Geräusche usw. Da muss viel probiert werden um das Auszuschalten, was den Patienten ängstigt und zu Hilfe rufen veranlasst.
Aber dazu hat im Krankenhaus und leider auch in anderen Einrichtungen kaum jemand die Zeit und oft auch nicht die Geduld

Es ist gar nicht so, dass wir tagsüber nicht die Zeit hätten, es sei denn, es ist durch Notfälle und OP`s viel los. Es scheitert mehr daran, dass die Leute nur ca. 1 bis 2 Tage bei uns liegen... deshalb hatte ich ja auch auf Tips aus der AP oder HP gehofft!


Dabei sind es oft nur Kleinigkeiten ( ein flatternder Vorhang, ein Schatten, ein Kleidungsstück das am Schrank hängt, der Geruch eines Parfüms oder Rasierwassers, usw.) die diese Ängste auslösen.

Besten Dank! Das sind mal gute Tips, und auch welche, die man gut ausprobieren kann! Bitte mehr davon!:wink:
 
sehe ich genauso! wir haben zurzeit eine pat. bei uns liegen, die ist auch nicht mehr so ganz klar im kopf und ist dazu noch italienerin, und sie ruft und schreit und wenn ich 10 min im zimmer bin bin ich schon total genervt.

Es ist ja vor allem deshalb schwierig, weil es manchmal unmöglich ist herauszufinden, was das Problem ist, so dass man auch keine Lösung dafür anbieten kann. Und wenn andere Patienten genervt sind, sind wir auch noch der Blitzableiter...
 
Zum Standard einer guten stationären Behandlung Demenzkranker gehört die Möglichkeit einer Begleitung des Patienten durch seine Angehörigen oder andere nahe Bezugspersonen. Dass die intensiven sozialen Kontakte auf die Kranken beruhigend wirken und das Ausmaß von Verhaltensstörungen deutlich vermindern, zeigen viele Beobachtungen. Eine angemessene, den Patienten nicht überfordernde „Dosierung“ der Aktivitäten ist wichtig. Reizüberflutung provoziert auch bei einer engen Betreuung eine zunehmende psychomotorische Unruhe und unerwünschtes, störendes Verhalten. Die pflegenden Angehörigen sind meistens mit dieser Problematik gut vertraut und im Stande, den Kranken von den beunruhigenden Einflüssen einer Krankenhausstation abzuschirmen. Sie können auch bei Bettlägerigkeit für eine ausreichende Aktivierung am Tage sorgen und damit zu einer Normalisierung des Schlaf­Wach­Rhythmus beitragen. In den meisten Fällen ist dann eine 24­stündige Anwesenheit des Betreuers nicht notwendig.
Da der Kranke meist selbst keine genauen Auskünfte erteilen kann und die Tragweite der therapeutischen Maßnahmen nicht überblickt, muss seine Bezugsperson (gesetzlicher Betreuer) entsprechend aufgeklärt und in alle Entscheidungen einbezogen werden.
Eine schnellstmögliche Entlassung aus der Klinik ist anzustreben. Dies kann nur bei einer rechtzeitigen Vorbereitung der Nachsorge gelingen. Wichtig ist dabei die ausführliche Information für den behandelnden Hausarzt und eine gute Unterrichtung der pflegenden Angehörigen, der ambulanten Dienste oder des Heimpersonals über die Besonderheiten der notwendigen pflegerischen Maßnahmen. Neben erheblichen Ersparnissen könnte diese Form der Unterstützung die Bereitschaft der Pflegenden zu einer weiteren Fortsetzung der häuslichen Pflege erhöhen.

Also bitte versteht mich nicht falsch, ich möchte hier keinem Pfleger einen Vorwurf machen.Aber wie weiter oben schon jmd. schrieb,Demenz wird von unserer Gesellschaft verdrängt so nach dem Motto: Gibt es zwar,aber bitte bloss nicht in meiner Nähe....

Dabei muss sich unsere Gesellschaft klar machen,daß jetzt schon rund 1,2 Mio.Menschen mit Demenz in Deutschland leben,Tendenz steigend!!!!
 
Hallo
Was Zappeline da schreibt klingt wunderbar. Hier meine Realität.
Es ist 21:00 Uhr, alter dementer Patient wird auf meine Station gebracht, die Angehörigen haben sich schon in der Notaufnahme ,nachdem sie die Krankenkassenkarte, Kleidung und (bestenfalls) eine Telefonnummer (aber bloß nicht Nachts) hinterlassen haben, vom Acker gemacht. Dementer Patient ist zeitlich, örtlich und zur Person nicht orientiert, das einzige was er weiß ist, daß das hier nicht sein zu Hause ist, und daß er wieder heim möchte.
Mit diesem Wunsch ist er hier auf meiner Station nicht alleine, wir haben im Durchschnitt 5-6 Patienten dieser Art. Neben der Aufnahme des dementen P., fange ich Frau Huber ein, die sich heimlich über die Treppe davonmachen will, setzte Herrn Müller auf den Nachtstuhl, arbeite die diversen Glocken ab.
Mein dementer P. wird also in sein Zimmer geschoben, kaum ist er drin will er auch schon wieder weg, leider ist er gehfähig wenn auch nicht sehr sicher. Ein Gespräch ist nicht möglich da sein einziges Bestreben nach Hause ist. Der demente P. steht also alleine auf. stürzt, Kopfplatzwunde, also bekommt er Bettgitter. Pat. Meier, Müller, Huber, Schmidt haben auch bereits Bettgitter da sie Nachts Bettflüchtig sind, gangunsicher und hoch Sturzgefährdet. Patient Müller hat es sogar bis 2 Querstrassen vom Krankenhaus entfernt geschafft, und wurde von der Polizei wieder zurückgebracht. Neben den 25 Kranken die auf meiner Station liegen und Überwachung, Medikamente,Pflege etc. brauchen habe ich dann auch noch 5-6 Demente von denen in den allerseltensten Fällen irgendwelche Angehörige oder Bezugspersonen erreichbar sind. Da unsere Patienten im Schnitt nach 6 Tagen wieder entlassen werden, ist es auch nicht möglich irgend eine Beziehung zu ihnen aufzubauen.Intensive Zuwendung ? Illusorisch. Angehörige die sich kümmern, eine Seltenheit.
Es geht weniger um die Verdrängung von Demenz, es geht mehr darum daß eine Normalstation weder räumlich noch personell auf diese Patienten eingestellt sind. Auch in unserem Altenheim auf der Pflegestation ist das Personal nicht ausreichend um sich richtig um demente Bewohner zu kümmern.
Unsere Gesellschaft kümmert sich weder um Kinder noch um Alte und schon gar nicht wenn es ihnen an den Geldbeutel geht. Da gehen doch so ein paar Dement eben auch unter. Wer nicht produktiv tätig ist hat keine Lobby.
Alesig
 
Mir ist bewusst,daß die Realität auf Station eine andere ist,Alesig. Es ist auch absolut nicht mein Bestreben hier irgendeinem Pfleger einen Vorwurf zu machen.
Ich finde es erschreckend und beschämend,daß der Umgang mit Dementen immer noch durch Sedieren auf ein Nötigstes beschränkt wird-das ist ja leider nicht nur im KH sondern auch in vielen Altenheimen noch üblich.
Es gibt Pflegeheime für Demenzkranke,in denen die Lebensumstände den zu Pflegenden angepasst werden, d.h. es gibt einen Garten mit Bushaltestelle und die Menschen werden dort abgeholt wo sie sich gerade befinden etc.- ohne Heimatmosphäre und "Pflegezwang".
Stationen in dieser Art müsste es auch in jedem grösseren KH geben mit angepasstem Personalschlüssel natürlich.
 

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