Sinnvolle oder sinneentleerte Flächendesinfektion

Elisabeth Dinse

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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
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Angeregt durch eine Diskussion zum Thema "Schulisch vs Alltag" kamen wir auf die Sinnhaftigkeit so mancher Flächendesinfektion.

Beispiel: Pat. wird im Bett gewaschen und Schussel steht währenddessen auf dem Nachtkästchen. Nun dürfte es wohl den wenigsten gelingen, hier komplett tropfenfrei zu arbeiten.
Ich habe noch gelernt, dass man zum Abschluss das Nachtkästchen desinfiziere. Warum? Ich finde es net so flott, wenn da auch die Keime aus den unteren Regionen über das Nachtkästchen verteilt werden.

Wie handhabt ihr das und warum?

UND- wie steht ihr insgesamt der Flächendesinfektion gegenüber? Sinnvoll und zeitgemäß? Oder eher sinnentleert und überholt?

Elisabeth
 
Das RKI hat ja schon einiges dazu gesagt.

http://www.rki.de/cln_153/nn_201414...property=publicationFile.pdf/Flaeche_Rili.pdf

Abgesehen davon, dass die Desinfektionsrituale teilweise recht fragwürdig sind - insbesondere die Nichteinhaltung der Einwirkungszeit:

Mich interessiert vor allem, warum ausgerechnet der Nachttisch nach dem Waschen desinfiziert werden muss. Desinfiziert jemand das Waschbecken, nachdem er das kontaminierte Waschwasser da rein gekippt hat? Desinfiziert man einen Nachtstuhl nach jeder Benutzung, sofern er beim Patienten verbleibt? Was ist mit der Körperpflege am Waschbecken - muss ich das nicht anschließend ebenfalls desinfizieren? Und die Türklinken sind nicht nur in Krankenhäuser ein Eldorado für Keime - wie oft wische ich da drüber?

Die tägliche, routinemäßige Desinfektion der Flächen übernehmen in meinem Haus die Reinigungskräfte. Inwiefern sind weitere Flächendesinfektionen wirklich sinnvoll? Noch gibt's laut RKI keine Studie, die überhaupt nachgewiesen hat, dass sich Flächendesinfektion erkennbar auf die Rate nosokomialer Infektionen auswirkt.
 
Ich setz jetzt mal voraus, dass wir hier nicht über Pat. mit irgendwelchen Infektionskrankheiten reden.

Die Keime aus der unteren Region:rocken: hat der Pat. doch auch zuhause und eigentlich sowieso an sich dran. Er kann sich nach dem Waschen die restlichen 23,5 h des Tages dahin fassen und sich überall damit "kontaminieren" (ich setz das absichtlich in Anführungsstriche, denn wenn da keine pathologischen Keime sind, ists doch eigentlich auch keine Kontamination).

Da ist für mich nix krankheitserregendes, und Tropfen kann ich auch mit mit einem trockenen Tuch aufwischen.
 
Ich finde die Griffe von Einkaufswagen im Supermarkt übrigens hygienisch viel fragwürdiger als Waschbecken oder Nachtschränke im Krankenhaus. Da sollte das RKI mal eine vergleichende Studie machen.:zunge:
 
@Claudia: Ich desinfizier das Waschbecken schon, nachdem ich das Waschwasser weggekippt habe - weil ich dann in dem Waschbecken die Waschschüssel für den anderen Patienen fülle...
 
Vielleicht liegt es an meiner Art zu waschen, aber ich persönlich möchte dann meinen Frühstückskaffee nicht im Seifenwasser schwimmend trinken müssen.

Damit ich spare nehme ich dann ggf. auch noch das bereits benutzte Handtuch, sind ja nur die Keime des Patienten.

Wir haben Desinfektionsmittel für "kleine" Flächen die eine kurze EWZ haben, somit ist das kein Problem.
 
Deutschland war im Vergleich zum Rest der Welt bis ca. (wann war das als der berühmte Prof. D. aus F. die Gemeinde damit aufmischte) etwa 1996 Desinfektionsmittverbrauchsweltmeister. Seitdem wurde so manches Wässerchen und Wischerchen überdacht und eingespart, ohne dass es mehr Infektionen in D gegeben hätte. Würde es auch endlich von der Spitze bis an die Basis (auch unserer akademischen Kollegen in Kitteln) ankommen, dass über 90% der Krankenhausinfektionen immernoch durch die Hände des Personals (über 150 Jahre nach Semmelweis) übertragen werden! Ja dann hätten wir einen wirklich großen Schritt in die richtige Richtung gemacht.
Dann noch die Verordnungspraxis für Antibiotika in trockene Tücher, dann wären auch Resistenzen kein Problem mehr....

...ach ja von was träume ich heute Nacht
 
Vielleicht liegt es an meiner Art zu waschen, aber ich persönlich möchte dann meinen Frühstückskaffee nicht im Seifenwasser schwimmend trinken müssen.

Damit ich spare nehme ich dann ggf. auch noch das bereits benutzte Handtuch, sind ja nur die Keime des Patienten.

Wir haben Desinfektionsmittel für "kleine" Flächen die eine kurze EWZ haben, somit ist das kein Problem.

So sehe ich das auch!
 
Dafür gibt es hier bei uns in den Superkaerkten direkt bei Einkaufswagen Desinfektionstücher, womit du die abwischen kannst und an der Fleischtheke ebenfalls.
 
Aber zuhause wasche ich mich net im Bett. und der Waschlappen der erst im Genitalbereich war und dann auf meinem Waschschränkchen liegt und dann jemand einfach nur noch mit nem benutzten Handtuch ( wo er vorher meine Füße ( und meine sind noch schick:) wenn ich da an so machen älteren Pat. denke) den Tisch abwischt, und ne halbe Stunde später mir mein Essenstablett draufsteht, finde ich es nicht lecker.
Wir haben auch in jedem Zimmer Eimerchen zur Wischdesinfektion ( kurze Einwirkzeit) die jeden Tag gewechselt werden und ich benutze sie hauefig. Ich könnte mich evtl. auch auf eine normale Reinigung des Tisches einlassen:).
Aber Krankenhaus ist halt nicht zuhause!

Ganz gruselig finde ich auch wenn der Intimwaschlappen nicht jedes mal gewechselt wird....
 
Wie matras liegt auch mir vor allem die Händedesinfektion am Herzen, da aber auf Nachttische auch Eßbares ohne Teller drunter abgelegt wird, z.B. ein Apfel, bin ich da pingelig, wenn ein benutzter Waschlappen, Handtuch o. ä. draufgelegen hat, und benutze dann Einweg-Tücher mit "schnellem" Desinfektionsmittel. Denn auch die eigenen Darmkeime gehören nicht in den Mund, oder?

Unter der Verschlussabdeckung von Infusionsflaschen ist es nicht in jedem Fall steril, das ist wohl abhängig vom Hersteller, und da ich das nicht von jedem auswendig weiß und nicht unbedingt Zeit zum Nachlesen habe, desinfiziere ich auch die Verschlussstopfen vor dem Einstich.
Das aber vor jedem Richten von "Handwerkszeug" die Arbeitsfläche desinfiziert werden muss, wie so mancher Standard vorsieht, halte ich für übertrieben. Obwohl da sicher auch mit unhygienischen Händen draufgepatscht wird, deshalb: Bei Unsicherheit bzgl. des Hygienestatus eines Gegenstandes oder einer Fläche desinfiziere ich lieber einmal zu viel als zu wenig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich recht informiert bin, sind im KH doch nicht die "patienteneigenen" Keime das Problem, sondern die Verschleppung fremder Keime durch das Personal.
Wirklich wichtig ist mir die Händedesinfektion und der sterile Umgang mit Materialien, die auf offene Wunden oder mittels irgendwelcher Eingriffe in den Körper gelangen.
Und einen Nachtschrank nach Kontakt mit einem benutzten Waschlappen oder einigen Waschwasserspritzern nicht zu desinfizieren, macht sicher im Normalfall keine Infektionen.
Und zu diesem ständigem Waschlappen- und Wasserwechsel: Badet ihr selbst oder eure Patienten nur in desinfizierenden Lösungen? Oder verteilt sich dabei das Wasser und alle "Keime" auch tatsächlich vom Intimbereich und den Füßen bis zum Rücken??????? Ich denke solange keine Infektionen vorliegen, ist man seine eigenen Keime durchaus gewohnt und es passiert NIX!
 
.......Wir haben auch in jedem Zimmer Eimerchen zur Wischdesinfektion ( kurze Einwirkzeit) die jeden Tag gewechselt werden und ich benutze sie hauefig. Ich könnte mich evtl. auch auf eine normale Reinigung des Tisches einlassen:).
Aber Krankenhaus ist halt nicht zuhause!

Ganz gruselig finde ich auch wenn der Intimwaschlappen nicht jedes mal gewechselt wird....


Wird auch der Lappen nach jeder Benutzung gewechselt? Sonst - Grusel!!! Es ist leider immer noch usus den Desinfektionsmittel eine quasi Omnipotenz zuzuschreiben, das bedeutet in der Praxis der Lappen fliegt nach der Benutzung (dreckig) in den Eimer zurück und die gute Lösung macht alles wieder gut....aaaaarghh!!!
 
Es gibt doch so schicke Eimerchen mit Einmaltüchern, die brauchst dann auch nicht bei jedem Desi täglich wechseln, sondern hast Standzeiten bis zu 4 Wochen. Ich will jetzt nicht Werbung für eine Firma machen. Vorteil der Tücher die wir verwenden, sie sind für alle Desinfektionsmittel geeignet und geben auch noch das Desinfektionsmittel korrekt wieder ab.

Wie erklärte mir vor kurzem eine Pflegekraft (3 jährig ausgebildet) eigentlich bräuchte man die Flächendesis und Tücher nicht wechseln, das wäre nur ein Werbegag des Herstellers, weil die sich ja selber desinfzieren - also Matras, wo siehst du das Problem wenn der Lappen immer wieder ins Eimerchen kommt, die Lösung nur knapp den Boden bedeckt und einen Farbwechsel nach dunkelgrau vollzogen hat, sich praktisch der Farbe des Lappens angepasst hat *duckundweg*
 
Ich könnte mich evtl. auch auf eine normale Reinigung des Tisches einlassen:).
Es scheint, als müsse ich dazu sagen, dass ich durchaus eine normale Reinigung (mit Wasser) des Nachttischchens vornehme. Sicher nicht mit dem bereits benutzten Handtuch, sondern mit einem Einmallappen. Und das mache ich nicht nur, nachdem drei Wassertropfen dort gelandet sind, sondern häufiger (wenn der Kaffee getrielt hat oder die Hälfte vom Zucker daneben ging u.ä.).

Die benutzten Waschlappen und Handtücher liegen bei mir auch nicht auf der Tischfläche.
 
Huhu^^

Also:
es gab einmal einen Lehrer, der bestand darauf, dass wir nach dem Ausleeren des Waschwassers desinfizieren.
Ich habe bei meiner Prüfungsvorbereitung gefragt und da hieß es, dass man das in einem 3 Bettzimmer in Erwägung ziehen sollte.
Da würden ja noch andere ans Waschbecken gehen und evtl. mit den Intimkeimen kontamienieren würden.

Ich wische nach mit Desinfektionsmittel. Aber auch nur, nachdem ich einmal sehr sehr eklige Dinge in einem Waschbecken gefunden habe *schüttel*

Den Nachttisch wische ich auch am Ende der Waschung ab - eben stand da noch das dreckige Waschwasser drauf und 2 Minuten später das Frühstück...

Einziger Unterschied zur Prüfung wird sein, dass ich vermutlich einen Eimer mit Teraline haben werde und keine Einmaltücher.
Die Lehrerin die mich prüft findet das unökologisch - und ich punkte mit dem Mischen ;)
 
......

Wie erklärte mir vor kurzem eine Pflegekraft (3 jährig ausgebildet) eigentlich bräuchte man die Flächendesis und Tücher nicht wechseln, das wäre nur ein Werbegag des Herstellers, weil die sich ja selber desinfzieren - also Matras, wo siehst du das Problem wenn der Lappen immer wieder ins Eimerchen kommt, die Lösung nur knapp den Boden bedeckt und einen Farbwechsel nach dunkelgrau vollzogen hat, sich praktisch der Farbe des Lappens angepasst hat *duckundweg*

Das Grauen nimmt kein Ende!!!

Mir kommt da spontan der Begriff "Autosteril" in den Sinn!

( - Wobei sich mir der Zusammenhang zwischen Fortbewegungsmittel und Fortpflanzung nicht erkennen läßt! Vielleicht kann das an meiner Stelle jemand fortsetzten. Daher mach ich mich fort.....)
 
Den Nachttisch wische ich auch am Ende der Waschung ab - eben stand da noch das dreckige Waschwasser drauf und 2 Minuten später das Frühstück...

Einziger Unterschied zur Prüfung wird sein, dass ich vermutlich einen Eimer mit Teraline haben werde und keine Einmaltücher.
Die Lehrerin die mich prüft findet das unökologisch - und ich punkte mit dem Mischen ;)

Teralin 0,5% (die gebräuchlichste Mischung) hat eine Einwirkzeit von 60 Minuten. Wenn Du zwei Minuten nach Desinfektion das Frühstück hinstellst, sind die (angeblichen) Keime immer noch da.

Das meine ich mit sinnentleert. Machen wir halt mal. Denken wir nicht drüber nach, ob die Handlung einen Sinn hat. :angry:
 
Einwirkzeit. Mit dem TerralinLiquid hast du z.B. eine angemessene Einwirkzeit. Beim Eimerchen verlängert die sich je nach Konzentration. Vielleicht hat sich auch deshalb mein Haus weitestgehend gegen die Eimerchen entschieden. Diese kommen nur bei speziellen Keimen zur anwendung- z.B. Norovirus.

Waschlappenwechsel- den möchte ich sehen, der sich mit dem Waschlappen, mit dem er sich gestern das Gesäß gewaschen hat, heute damit im Gesicht rumfeudelt. Alle Menschlein, die schon zuzeiten lebten als das tgl. Duschen eher als Luxus galt, kennen die 2-Lappen/Handtuch-Methode.

Baden vs. Waschschüssel. Ich denke, wir gehen konform, wenn ich die Konzentration an Keimen im Wasser bie der 5-l-Schüssel höher ansetze als bei dem 50-l-Bad.

Entleeren des Waschwassers erfolgt in meiner Einrichtung in die Steckbeckenspüle oder, wenn net anders möglich, in die Toilette.

Das ich in der Nasszelle die Waschbecken bzw. den Duschstuhl zwischen zwei Pat. desinfiziere halte ich für selbstverständlich. Es sei denn, die Pat. tun dies nach Anleitung selbst. Mir ist noch kein Pat. begegnet, der sich willentlich mit dem Gesäßhandtuch des Mitpatienten die Hände, geschweige denn das Gesicht abgetrocknet hat. Pat. achten in der Regel sehr pingelig darauf, dass diese Utensilien keinen Kontakt bekommen.

Hygiene im Zusammenhang mit den Ausscheidungen- das ist ein Thema für sich. Schon der Allerkleinste lernt: Händewaschen nach der Toilette und vor dem Essen. Nur im KH- da wird dieses komplett vergessen. Sobald du bettlägrig und auf die entsprechenden Hilfsmittel angewiesen bist, musst eine relativ hohe Ekelgrenze entwickeln. Noch schlimmer wird es, wenn das nur den Nachbarn betrifft und der dir seine Zeitung rüberreichen will zum Lesen. *würg*

Ansonsten: kontrolliert euch mal selber, wie oft ihr was auf patientennahen Flächen ablegt. Keime kommen net nur via Hand von A nach B- leider.

Die ausschließliche Focussierung auf die Händehygiene scheint sich kontraproduktiv zu entwickeln. Das finde ich erschreckend. Offensichtlich sind viele Pflegekräfte nur in der Lage, sich eins zu merken: entweder Hände oder Flächen. Beides scheint net möglich zu sein.

Elisabeth
 

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