Überstunden- Mangelsituation- Personaldecke

Elisabeth Dinse

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Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
Akt. Einsatzbereich
Intensivüberwachung
VG Stuttgart Urteil vom 21.6.2012, 4 K 2370/11

Leitsätze
1. Die Anordnung von Überstunden ist für vorübergehende Mangelsituationen gedacht und daher nicht geeignet, eine dauernde Personalunterdeckung auszugleichen. Überstunden können daher nicht bei der Berechnung der Einhaltung des Personalschlüssels herangezogen werden.

2. Die einem Heim zur Ausbildung zugewiesenen Studierenden der Dualen Hochschule bedürfen der Anleitung, so dass ihre Arbeitsleistung nur mit einer Quote von 0,2 auf die Beschäftigtenzahl anrechenbar ist.

Tenor
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin
Urteil der 4. Kammer vom 21.6.2012 - 4 K 2370/11 -

34. Was die von der Klägerin benannte Praxis anbelangt, personelle Unterdeckungen durch die Anordnung von Mehrarbeit auszugleichen, stellt dies kein Instrumentarium dafür da, einen Dauerzustand zu regeln. Denn davon abgesehen, dass Überstunden nur angeordnet werden dürfen, wenn ein dringendes dienstliches Bedürfnis besteht, sind sie primär durch entsprechende Arbeitsbefreiung auszugleichen. Zuzüglich ist ein Zeitzuschlag zu bezahlen (vgl. z.B. RL für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes, Anl. 6 §§ 1 und 3). Daraus ergibt sich aber, dass es sich lediglich um ein Instrument handelt, das in vorübergehenden Mangelsituationen anzuwenden ist. Es ist jedoch nicht geeignet, eine dauernde Personalunterdeckung auszugleichen, zumal eine generelle Berücksichtigung auch dazu führt, dass in Ausnahmezeiten dieser mögliche Puffer nicht mehr zur Verfügung steht. Bereits dieser strittige Gesichtspunkt genügt, um die Anordnung des Beklagten zu rechtfertigen. Im Übrigen regelt der vereinbarte Personalschlüssel die Zahl der (Vollzeit-) Arbeitskräfte. Hierzu zählt jede Pflegekraft mit ihrer vertraglichen Arbeitszeit, ohne dass bei der Berechnung die Berücksichtigung von Mehrarbeit möglich oder zulässig wäre.

Urteil der 4. Kammer vom 21.6.2012 - 4 K 2370/11 -
Man kann seinen AG also von der AO von Überstunden abhalten indem man auf die Überstundenvergütung besteht. Ohne jetzt nachgeschalgen zu haben- denke ich, dass das auch auf die beliebten Arbeitszeitkonten zutrifft. Da wird per Gesetz genau definiert, wie groß das Zeitguthaben sein darf- 40 h. Jede Stunde darüber müsste m.E. Überstundenprozente geben.

Und nun ist es an den betroffenen Kollegen dies auch einzufordern. Müsste kallpen- es geht ja ums Geld. Und damit ist Pflege ja motivierbar.

Elisabeth
 
Das Urteil ist sehr interessant und ich finde es gut, dass sich ein Verwaltungsgericht endlich mal traut einem Heim zu zeigen, wo der Hase lang läuft.

Was Deinen Einwand angeht, Elisabeth, das war doch schon vorher klar. Aber auch hier bitte genau gucken, die Rede ist von Überstundenzuschlägen, nicht Mehrarbeit.
Trotzdem ist auch dieser Punkt wahnsinnig interessant, da hier dem Heim klar verboten wird, eine Personalunterbesetzung durch dauerhafte Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden auszugleichen und vor allem diese Stunden noch in die Stellenplanberechnung mit einzurechnen.
 
Es dürfet egal sein, wie der TVöD es definiert: mehr als 40 Stunden auf dem Guthabenkonto geht net, weil hier die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zugrunde liegt. Es wäre interessant, ob die Klausel in den Arbeistverträgen bezüglich der Bereitschaft zu Leistung von Überstunden/Mehrarbeit damit unwirksam wird.

Elisabeth
 
Abgesehen davon, dass hier das Thema doch Einhaltung des Stellenschlüssels ist, wo steht denn das mit den 40 Stunden? Ich kanns trotz 2maligem Lesen/Überfliegen nicht finden :-(
 
Findest du z.B. im TVöD und im AVR unter dem Aspekt Arbeitszeitkonto.

Elisabeth
 
Schuster bleib bei deinen Leisten, fällt mir da nur ein.
Das gericht weist lediglich in Absatz 34 darauf hin, dass der gültige tarifvertrag schon einen Zeitzuschlag vorsieht.
Man muss also auf nichts bestehen, sondern der Zuschalg steht einem zu.
In der Altenpflege ändern sich die Personalschlüssel praktisch täglich, da sie an die Pflegestufen gebunden sind. Kein Heim kann das punktgenau darstellen.
Ist hier auch nicht die Frage.
Grundproblem war, wie man bestimmte Mitarbeitern beim Personalschlüssel berechnet. Da bestätigt das Urteil nur, was bislang schon Standard sein sollte.
Wie die Einrichtung mit soch einem Quatsch vor Gericht gehen kann, ist mit ein Rätsel. Allerdings kann ich nichts zukunftsweisendes in diesem Urteil erkennen.
Da hier aber gar keine Altenpfleger mitdiskutieren, kann man sich wohl weitere Dikussionen sparen.
Unwirksam wird da mit Sicherheit nicht.
 
Es dürfet egal sein, wie der TVöD es definiert: mehr als 40 Stunden auf dem Guthabenkonto geht net, weil hier die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zugrunde liegt.

Nuja... im Schichtdienst geht man immer von "durchschnittlichen" Zeiten aus. Man kann dienstplanmäßig durchaus mehr geplant sein und auch 48 Std. in der Woche arbeiten, ohne einen Cent Überstundenzuschlag kriegen.

Was als Überstunden vergütet werden muß, richtet sich zu allererst an dem geplanten Dienst, nicht am vertraglichen Soll. Überschreite ich in einem Monat meine geplanten Stunden (die ja auch weniger als das vertragliche Soll sein können), dann gibt´s den Zuschlag (für Vollzeitkräfte). Gut, irgendwo gibt´s noch die Klausel über den Ausgleichszeitraum.. kann mich da jetzt nicht festlegen, nach wieviel Monaten die "Überplanung" ausgeglichen sein muß.

D.h. - springe ich einen Tag ein und feiere die Stunden im selben Monat nicht wieder ab, dann gibt´s nen Überstundenzuschlag im TvöD.

Ausnahme bilden Arbeitszeiten mit Gleitzeitrahmen o.ä...
Zeiten, die man durch Gleitzeit aufbaut, sind vom Überstundenzuschlag ausgeschlossen. Gibt´s aber in der Pflege nur vereinzelt, bzw. meist nur bei Leitungspersonen....

So viel zum TvöD. Und der Überstundenaufschlag ist noch nicht hoch genug, um das für Arbeitgeber attraktiver zu machen, Aushilfen o.ä. vorzuhalten.
 
Findest du z.B. im TVöD und im AVR unter dem Aspekt Arbeitszeitkonto.

Elisabeth
Wenn denn ein Arbeitsverhältniss vorliegt, was unter tarifrecht fällt. Zumindest im östlichen Teil dieses Landes trifft dies aber auf 80% der Arbeitsverhältnisse im Pflegebereich nicht zu. Somit auch nichts mit Zeitzuschlägen oder Anspruch auf Vergütung der Überstunden.
 
In der Altenpflege ändern sich die Personalschlüssel praktisch täglich, da sie an die Pflegestufen gebunden sind. Kein Heim kann das punktgenau darstellen.
Ist hier auch nicht die Frage.
Grundproblem war, wie man bestimmte Mitarbeitern beim Personalschlüssel berechnet. Da bestätigt das Urteil nur, was bislang schon Standard sein sollte.
Wie die Einrichtung mit soch einem Quatsch vor Gericht gehen kann, ist mit ein Rätsel. Allerdings kann ich nichts zukunftsweisendes in diesem Urteil erkennen.
Da hier aber gar keine Altenpfleger mitdiskutieren, kann man sich wohl weitere Dikussionen sparen.
Unwirksam wird da mit Sicherheit nicht.

1. hat die Heimaufsicht über mehrere Jahre den Mangel an Personal festgestellt, das ist eines der Probleme
"...Die Personalausstattung habe aber über Jahre hindurch größtenteils unter dem vereinbarten Schlüssel gelegen und bei einer Prüfung im Februar 2009 sei der Verdacht auf gefährliche Pflege ausgesprochen worden... Aufnahmestopp....Aufnahmestopp zum 01.12.2009 aufgehoben. Ab Oktober 2009.. schon wieder die Tendenz zur stetigen Unterschreitung der notwendigen Personalausstattung gezeigt... im Sommer 2009 wieder Mängel...am 10.06. und 21.10.2010.. Mängel..
...Die Berechnung der Personalausstattung sei nicht stichtagsbezogen, sondern über einen Zeitraum von ca. drei Jahren monatlich vorgenommen worden. Es könne somit über einen langen Zeitraum schlüssig nachgewiesen werden, dass die Personalausstattung zu knapp bemessen sei und nicht mit den Anforderungen der Leistungsträger übereinstimme
." (22)
"...Die der (erledigten) Verfügung zugrunde liegenden Diskrepanzen in der Berechnung der Personalausstattung bestehen weiterhin.." (27)
es ist anzunehmen, dass ALLE Beweise schriftlich vorlagen, a Berg dürft's geworden sein
die festgelegte Fachkraftquote wurde unterschritten - egal ob mit der einen oder der anderen Berechnung (22)
2. ist es zwar schön, dass es eigentlich zig Standards und Verfahren gibt, wie was zu berechnen ist - deutlich wird doch bei dem Urteil, dass es vielfach nicht gelang die Einrichtung davon zu überzeugen. Auch aktuell gibt es - Diskrepanzen.
Insofern - gut dass es das Urteil gibt. Mögen weitere, berechtigte folgen.

Einen kleinen Ordnen von mir für eine hartnäckige Heimaufsichtsbehörde
Die Einrichtung beklagt vor Gericht:".....Der Schutz der Pflegekräfte sei nicht Aufgabe der Heimaufsichtsbehörden.... (13)
weil - völlig selbstverständlich und alltäglich geworden
der Einrichtung (Klinik könnt da genauso gut passen) ja eine Vielzahl von Teilzeitkräften zur Verfügung stehen, welchen im gesetzlich erlaubten Rahmen Mehrarbeit zuzumuten sei (13)
um die permanenten Lücken, gerne auch Löcher in jedem Dienstplan aufzufüllen.
Bleibt das leidige - zumutbar, was ja Auslegungssache ist, je nach dem ob man AG oder AN ist.
Sowie der Freizeitausgleich für das zumutbare, der gerne auf den St. Nimmerleinstag verlegt wird.
 
Wenn denn ein Arbeitsverhältniss vorliegt, was unter tarifrecht fällt. Zumindest im östlichen Teil dieses Landes trifft dies aber auf 80% der Arbeitsverhältnisse im Pflegebereich nicht zu. Somit auch nichts mit Zeitzuschlägen oder Anspruch auf Vergütung der Überstunden.
Dann wird es Zeit, darauf zu achten, dass dies im Arbeitsvertrag verankert wird. Die meisten Verträge segeln übrigens unter der Flagge: angelehnt an TVöD oder AVR. Da wird dann der Gesetzestext nicht aber die Entgelttabelle übernommen.

Und wie das Urteil zeigt: es lohnt sich auch als einfache Pflegekraft nicht alles mit sich machen zu lassen. Rechtsberatungen von Verbänden oder Gewerkschaft mit ins Boot holen und höhere Instanzen wie die Heimaufsichtsbehörde mit einspannen.

Elisabeth
 

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