Was ist Laienkompetenz... ab wann ist's professionelle Pflege?

Elisabeth Dinse

Poweruser
Registriert
29.05.2002
Beiträge
19.809
Beruf
Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
Akt. Einsatzbereich
Intensivüberwachung
Hallo @all
in der Diskussion http://www.krankenschwester.de/forum/fachliches-pflegetaetigkeiten/8496-professionelle-pflege-zukunft-fehlgeschlagener-versuch.html tauchte der Begriff der Laienkompetenz auf.
Müller-Kohlenberg (1988 )
Wenn insbesondere soziale Berufe ein Monopol für menschliche Beziehungen anmelden und ausschließliche Kompetenz dafür beanspruchen, ruft das bei den sich selbst für kompetent haltenden Laien die Forderung nach
Deprofessionalisierung auf den Plan, oder schärfer noch nach Entprofessionalisierung.

Was würdet ihr darunter verstehen? Ab wann ist waschen nicht mehr waschen? Ab wann ist Essen anreichen nicht mehr füttern? Ab wann ist Hilfe bei den Ausscheidungen nicht mehr trocken legen? Ab wann ist Krankenbeobachtung professionell?

Der Azubi kommt das allererste mal auf die Station. Er hat noch nie im Krankenhaus gearbeitet und soll einen Patienten mit körperlichen Einschränkungen waschen. Der Ablauf wird ihm kurz erklärt. Unser Azubi geht zum Patienten... und fragt ihn bei jeder Handlung obs so recht ist. Ist das Laienkompetenz?

Derselbe Azubi ein Jahr später bei derselben Klientel: er bereitet sich alles zum waschen vor und übernimmt die Körperpflege. Dies erfolgt zügig und in einem vorgegebenen Ritual, welches der Azubi in der Ausbildung gelernt hat. Ist das professionelle Pflege?

Ein Zivi wird angeleitet für das Erheben der Werte: BZ, Puls, RR. Er führt dieses danach eigenständig durch. Laienkompetenz oder professionelle Pflege?

Ein Azubi im zweiten Lehrjahr erhebt eine Pflegeanamnese. Er ist die erste Woche auf der Station. Die Pflegeplanung wird erstellt. Laienkompetenz oder professionelle Pflege?

usw., usw., usw.

Elisabeth
 
Eine schwierige, aber durchaus interessante Frage.
Was ist der Unterschied zwischen dem Angehörigen, der seine Mutter tagtäglich wäscht und pflegt, und der Schwester im Krankenhaus?

Ich denke, es ist das Sich-bewusst-machen des Handelns. Das, was man über diese Tätigkeit gelernt hat, verantwortungsvoll umzusetzen mit dem Wissen darüber, welche Folgen das für den Patienten hat oder haben könnte.

Das würde mir jetzt spontan dazu einfallen.
 
Was ist der Unterschied zwischen dem Angehörigen, der seine Mutter tagtäglich wäscht und pflegt, und der Schwester im Krankenhaus?

Er handelt bewusst und zielorientiert: Wohlbefinden, Hygiene. Er beachtet die Biographie desjenigen... ergo m.E. Laienkompetenz.

Das, was man über diese Tätigkeit gelernt hat, verantwortungsvoll umzusetzen mit dem Wissen darüber, welche Folgen das für den Patienten hat oder haben könnte.
Was hat man gelernt, was man vorher nicht schon gemacht hätte ohne diese Ausbildung?

Elisabeth
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Was würdet ihr darunter verstehen? Ab wann ist waschen nicht mehr waschen? Ab wann ist Essen anreichen nicht mehr füttern? Ab wann ist Hilfe bei den Ausscheidungen nicht mehr trocken legen? Ab wann ist Krankenbeobachtung professionell?

Der Azubi kommt das allererste mal auf die Station. Er hat noch nie im Krankenhaus gearbeitet und soll einen Patienten mit körperlichen Einschränkungen waschen. Der Ablauf wird ihm kurz erklärt. Unser Azubi geht zum Patienten... und fragt ihn bei jeder Handlung obs so recht ist. Ist das Laienkompetenz?
Fängt professionelle Pflege vielleicht dort an, wo ich zwar noch nachfrage, aber Alternativen aufzeigen kann, Bewegungsabläufe reinbringe, die ihm erlauben sich hier und da selbst zu waschen, wo ich motiviere, dass er sich darauf einlässt? Wo ich auch pflegenden Angehörigen Arbeitserleichterungen näher bringen/erläutern kann? Wo ich erkenne, dass da durch verschiedene Maßnahmen ein Mehr an Selbständigkeit erhalten/wieder erreichen kann?
Elisabeth Dinse schrieb:
Derselbe Azubi ein Jahr später bei derselben Klientel: er bereitet sich alles zum waschen vor und übernimmt die Körperpflege. Dies erfolgt zügig und in einem vorgegebenen Ritual, welches der Azubi in der Ausbildung gelernt hat. Ist das professionelle Pflege?
Nein, das ist Ausführen einer erlernten Tätigkeit ohne Reflexion für mich.

Elisabeth Dinse schrieb:
Ein Zivi wird angeleitet für das Erheben der Werte: BZ, Puls, RR. Er führt dieses danach eigenständig durch. Laienkompetenz oder professionelle Pflege?
Auch das sind erlernte Tätigkeiten, die m.E. dann professionell werden wenn ich pathologische Werte erkenne und Maßnahmen einleiten kann und auch einleite. Wenn ich den Zusammenhang erkenne zwischen den Blutdruckmedikamenten, die noch auf dem Nachttisch stehen und dem erhöhten Blutdruck.
Elisabeth Dinse schrieb:
Ein Azubi im zweiten Lehrjahr erhebt eine Pflegeanamnese. Er ist die erste Woche auf der Station. Die Pflegeplanung wird erstellt. Laienkompetenz oder professionelle Pflege?
Das Erstellen einer Pflegeanamnese und der daraus resultierenden Pflegeplanung fällt für mich unter professionelle Pflege.
...usw...
Ich versuche es mal grob zu formulieren. Wenn aus Pflegemaßnahmen Interventionen, Handlungen und dergleichen abgeleitet werden können, mein pflegerisches Wissen mich pathologische Werte erkennen lässt, ich in der Lage bin genau zu beobachten und Symptome zu erkennen, dann wird es professionell.
War jetzt zu erkennen was ich meine? Eine interessante Frage.
@ Elisabeth, bist Du auf der Suche nach Abgrenzung?
 
@ Elisabeth, bist Du auf der Suche nach Abgrenzung?
Könnte man so sagen... bloß ich wollte nicht beim: was machen wir nicht anfangen, sondern beim was gehört auf jeden Fall dazu.

sigjun schrieb:
Elisabeth Dinse schrieb:
Derselbe Azubi ein Jahr später bei derselben Klientel: er bereitet sich alles zum waschen vor und übernimmt die Körperpflege. Dies erfolgt zügig und in einem vorgegebenen Ritual, welches der Azubi in der Ausbildung gelernt hat. Ist das professionelle Pflege?
Nein, das ist Ausführen einer erlernten Tätigkeit ohne Reflexion für mich.
Dann haben wir ein echtes Problem mit den Ausbildungsinhalten *g* und eine Pflegekammer dringender denn je nötig. *ggg*

Elisabeth
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Dann haben wir ein echtes Problem mit den Ausbildungsinhalten *g* und eine Pflegekammer dringender denn je nötig. *ggg*

Ah jah, und ein engagierter Befürworter der Pflegekammer....:lol1:

Wir haben vielleicht zusätzlich ein Problem mit dem Vermitteln von Ausbildungsinhalten?
 
Ah jah, und ein engagierter Befürworter der Pflegekammer....

Wir haben vielleicht zusätzlich ein Problem mit dem Vermitteln von Ausbildungsinhalten?
Hab ich was falsches gesagt? *grübel*

Ich sollte nicht mehr jammern. Ergo hab ich mich umgetan, was man tun könnte. Die Idee einer Pflegekammer hat mich am meisten beeindruckt. Und dadurch bin ich nochmal wieder auf das Problem professionelle Pflege gestoßen. Und dann komme ich nicht weiter... . Vielleicht doch der falsche Weg????

Elisabeth
 
Die Idee einer Pflegekammer hat mich am meisten beeindruckt. Und dadurch bin ich nochmal wieder auf das Problem professionelle Pflege gestoßen. Und dann komme ich nicht weiter... . Vielleicht doch der falsche Weg????
Der falsche Weg würde ich nicht sagen. Ich habe schon oft hier gesessen und mir Gedanken über professionelle Pflege gemacht. Ich kann mich aber zu keiner klaren Aussage durchringen.

Grund ist aber sicher nicht meine Unfähigkeit, professionelle Pflege aus meiner Sicht zu definieren, sondern das Wissen, dass ich mit meiner eigenen Definition meine Pflegearbeit teilweise gezwungenermassen für unprofessionell erklären muß.

Was soll ich also dazu schreiben?
 
Grund ist aber sicher nicht meine Unfähigkeit, professionelle Pflege aus meiner Sicht zu definieren, sondern das Wissen, dass ich mit meiner eigenen Definition meine Pflegearbeit teilweise gezwungenermassen für unprofessionell erklären muß.
Vielleicht liegt genau da das Problem. Wer "entwertet" seine Tätigkeit schon gerne selbst. Aber wenn wir nicht ehrlich zu uns selbst sein können, dann tun es andere für uns. Herr Blüm hats bereits öffentlich ausgesprochen und viele andere Politiker haben diese Worte wiederholt. Es dütfte uns schwer fallen, diese Worte zu widerlegen... tausendfach findet eine solche Pflege jeden Tag statt - und die meisten Patienten/Bewohner sehen darin kein Problem.

Und nun? Wenn ich ein Produkt verkaufen will, dann muss ich es auch bewerben können. Dafür muss ich es beschreiben. Keiner kauft die Katze im Sack. Und wir wollen gutes Geld sehen für die professionelle Pflege.

Elisabeth
 
Elisabeth Dinse schrieb:
Hab ich was falsches gesagt? *grübel*

Ich sollte nicht mehr jammern. Ergo hab ich mich umgetan, was man tun könnte. Die Idee einer Pflegekammer hat mich am meisten beeindruckt. Und dadurch bin ich nochmal wieder auf das Problem professionelle Pflege gestoßen. Und dann komme ich nicht weiter... . Vielleicht doch der falsche Weg????

Elisabeth
Hey,ganz ruhig, das war schmunzelnd gemeint und ganz und gar nicht böse. Wir liegen da nicht auseinander und Deine Idee der Abgrenzung mal von der anderen Seite her anzufassen finde ich gut und weitaus besser als immer diese Negativabgrenzungen.
 
*uff* Erleichtert. *g*

Elisabeth
 
Ich hab ja erst vor 2 Jahren Examen gemacht. Danach war ich erst mal mit der Einarbeitung ins Arbeitsfeld Intensivstation beschäftigt.

In meiner Ausbildung ist das Thema im Rahmen der Berufspolitik und berufliches Selbstverständnis entwickeln natürlich unterrichtet worden. Fand ich damals totlangweilig. Jetzt, nach 2 Jahren im Beruf, wird mir klar, was für ein unglaublich wichtiges Thema es eigentlich ist!

Viele meiner erfahrenen Kollegen haben noch so Rituale (ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll) drauf, z.B. Pat werden 2 mal am Tag gewaschen. Vielleicht kennen das andere Kollegen von ITS auch.

Professionell ist in diesem Zusammenhang für mich: Gibt es hier überhaupt einen Bedarf? (will sagen: hat der Pat. sich "dreckig" gemacht? Fühlt er sich dreckig?) Denn eigentlich ist doch professionelle Pflege, dass man einen Bedarf erkennt, daraufhin seine Maßnahmen plant, und dann evaluiert, ob sie zum Ziel geführt haben und sinnvoll waren. (dafür war waschen jetzt vielleicht nicht das beste Beispiel, sorry) Versteh ich das richtig?

Wenn ich so etwas auf der Arbeit sage, werde ich schief angesehen und warscheinlich von manchen als "faul" betitelt. Ist waschen ein Arbeitsnachweis für die Pflege? Auf jeden Fall ist es die heilige Kuh der Pflege, die niemals geschlachtet werden darf..

Aber was ich an meinem Beispiel oft merke: Pflegehandlungen werden überhaupt nicht nach Sinn und Zweck hinterfragt. Alle Patienten bekommen die gleiche Pflegehandlung, es wird nicht angeleitet und beraten... das ist für mich Laienkompetenz.
 
Hallo zusammen,

vielleicht kann ich ein bisschen helfen. Laut C.Bienstein ist eine Profession ( und damit ist die professionelle Pflege gemeint) gekennzeichnet durch:
  1. Hohe Fachkompetenz
  2. Fachspezifisches und wissenschaftliches Arbeiten
  3. Kreative Problemlösung
  4. Kooperationsfähigkeit im Behandlungsteam
Jedoch ist es auch richtig, wie bereits schon erwähnt, dass man diese Kompetenzen nicht sofort erhält wenn man in der Pflege arbeitet. Sondern sich vom Anfänger zum Experte entwickelt.
s. auch Kompetenzstufenmodell nach Prof. Patricia Benner Kompetenzstufen ? Wikipedia

Liebe Grüße Henning
 
Na dann sind wir noch weit von der Profession entfernt.

Die beiden Links zeigen es noch mal deutlicher:
http://www.germansoldier.de/HT2003sozialisation8.pdf
http://alfachschaft.al.funpic.de/berufswahl/arbeit-beruf-profession.pdf

Und dann stellt sich die Frage: Wollen wir überhaupt eine Profession werden?

Zum Thema Professionelle Pflege gabs auch schon einen Thread:
http://www.krankenschwester.de/foru...-pflege-zukunft-fehlgeschlagener-versuch.html

Der Begriff Professionelle Pflege scheint aktuell von dem Begriff Pflegequalität abgelöst worden zu sein. Hat man vielleicht erkannt, dass die Profession Pflege in D keine Interessenten hat, von wenigen Ausnahmen an den pflegewissenschaftlichen Instituten mal abgesehn?

Elisabeth (mal wieder gewohnt provokant)
 

Ähnliche Themen