Ideen in der Betreuung von desorientierten Pat. im AkutKH

Elisabeth Dinse

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29.05.2002
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Beruf
Krankenschwester, Fachkrankenschwester A/I, Praxisbegleiter Basale Stimulation
Akt. Einsatzbereich
Intensivüberwachung
Aus der Diskussion: http://www.krankenschwester.de/foru...-rufe-dementen-patienten-intensivstation.html

Vielleicht wäre es eine Idee mal unkonventionelle Möglichkeiten für die Betreuung desorientierter Pat. zu sammeln. Ideen, die man auch im Alltag realistisch anwenden kann- also mit den vorhandenen Hilfsmitteln.

Elisabeth

...Vor kurzen hatte ich im Nachtdienst eine verwirrte ältere Dame die von "Hallo" und "Hilfe" rufen schon heiser war. Motorisch unruhig und nicht kontaktierbar. Neben ihr ein jüngerer wacher Patient (welcher es gottseidank mit einer Prise Humor nahm:))
Gutes zureden, Hände halten ect....hat alles nicht gefruchtet. Irgendwann hab ich alle Lagerungshilfsmittel aus den Bett entfernt und die Dame erstmal "rumwursteln" lassen. Sie lag dann völlig schief im Bett, ein Fuß hing durchs Bettgitter und die Elektroden mussten neu geklebt werden ABER: Sie schlief ein!
 
Pat. liegt ständig quer im Bett und "baut§ sie die Elektroden ab.

Bett an die Wand geschoben und Glück gehabt- zu Hause scheint es ähnlich zu stehen. Pat. lag von da an gerade im Bett.
Elektroden auf den Rücken geklebt- dadurch net mehr sichtbar und kein Versuch diese zu entfernen.

Pat. verweigert im Bett zu bleiben. "Schlafanzug" Hose (Personalwäsche) angezogen. Pat. bereit zu schlafen, da er jetzt bettfein gekleidet war.

Pat. versucht den DK zu ziehen. "Verstecken" des DK per Hose. Die Ableitung wurde unten aus dem Bein herausgeleitet. Gleiches möglich bei PEG-Nesteln- dann Kasack und Hose anziehen.

Pat. rutscht vom Bett auf den Fußboden. Sie suchte ihre Hausschuhe unter dem Bett. ...Darauf achten, dass Hausschuhe sichtbar abgestellt bleiben. Fußbodenbeleuchtung anlassen.


Wer hat weitere Ideen? Unsere unerfahreneren Kollegen dürften uns dankbar sein.

Elisabeth
 
Unsere unerfahreneren Kollegen dürften uns dankbar sein.

Elisabeth

Oh ja, her mit den Ideen.

Was ich auch schon gemacht habe mit einem unruhigen Pat:
-Singen :mrgreen: ("Hoch auf dem gelben Wagen", jetzt weiß ich, warum ich das in der Schule gelernt habe)... prima Atemtherapie, und der Pat. ist gleich ruhiger geworden. Weiß nicht mehr, wie ich darauf kam, und es diente sehr der Erheiterung meiner Kollegen, aber wenns hilft...
 
Hallo,

so manch Pat. wurde deutlich ruhiger, wenn man ihm/sie mit etwas "wichtigen" beschäftigt.
Ich jammere dann gern mal darüber, dass ich ja noch so viel Wäsche zusammenlegen muss und frage die Dame (oder auch den Herren) dann ob sie mir nicht etwas helfen kann dabei.
Dann gebe ich ihr ein paar Handtücher,MTS etc. und die meisten legen dann voller Eifer alles feinsäuberlich zusammen. Manche werden dadurch wirklich ruhiger, da sie sich gebraucht fühlen und eine Aufgabe haben.


Beten und Singen kann manchmal auf etwas helfen.

Ableitungen unterhalb des Bauchnabels verstecke ich auch mal gern unter einen extra Durchzug.

Gruß Mary
 
Dann mal meine mehr oder weniger gelungenen Versuche:


  • Nestchen bauen
  • Begrenzung spüren lassen
  • farbiger Baldachin über den Bettgalgen
  • kruschteln lassen
  • Patienten quer im Bett liegen lassen
  • gedimmtes Licht
  • Bett anders positionieren
  • entspannende Handmassage
  • ASE
  • Türe auf oder zu
  • Fenster auf oder zu
  • möglichst wenig Kabel - sofern möglich
  • Bilder von Angehörigen/Haustieren über dem Bett oder an der Trennwand zum Nachbarn anbringen
  • Lieblingsduft auf das Kopfkissen
  • Matratzenlager - sofern möglich, geht in den seltensten Fällen
  • Kuscheltier ins Bett
  • Schlafanzug statt Nachthemd und auch umgekehrt
  • häusliche Einschlafrituale ausprobiert - mal mit mal ohne Erfolg
  • leise Musik (eher Klassik)
 
IBF zum Thema von Ute Schmidt-Hackenberg

so ich werf jetzt mal das rein, was ich von einer internen Fortbildung "mitgenommen" hab, manches lässt sich umsetzen, manches nicht, versuchen könnt man fast alles bei akuten und chronischen Defiziten

IBF Demente Menschen in Akutkliniken, 2007

[FONT=&quot]Referentin: Frau Ute Schmidt - Hackenberg[/FONT]

[FONT=&quot]Der Demente versteht vom gehörten: 20%[/FONT]
[FONT=&quot]Der Demente begreift vom gehörten und gesehenen: 50%[/FONT]
[FONT=&quot]Der Demente nimmt auf vom gehörten, gesehenen und angefassten:80%[/FONT]
[FONT=&quot]Der Demente bewältigt vom gehörten, gesehenen, angefaßten [/FONT]
[FONT=&quot]und selbst getanem: 100%[/FONT]

[FONT=&quot]Das normale Gehirn[/FONT][FONT=&quot]------------------------------------------------------Das demente Gehirn[/FONT]
[FONT=&quot]Arbeitet logisch[/FONT][FONT=&quot]----------------------------------------------------------Arbeitet selten logisch[/FONT]
[FONT=&quot]reagiert [/FONT][FONT=&quot]folgerichtig[/FONT][FONT=&quot] ------------------------------------------------------häufig konfus und unplanmäßig[/FONT]
[FONT=&quot]Ist verantwortlich für jetzt und später[/FONT][FONT=&quot]-------------------------------------Kann nicht richtig beurteilen und einschätzen[/FONT]
[FONT=&quot]Denkt voraus[/FONT][FONT=&quot]------------------------------------------------------------Kann dies nicht oder nur verzerrt[/FONT]
[FONT=&quot]Denkt an mehr als eine Sache[/FONT][FONT=&quot] -------------------------------------------Mehr als 1 Sache kann nicht bewältigt werden[/FONT]
[FONT=&quot]Denkt an mehr als eine Zielperson[/FONT][FONT=&quot]---------------------------------------Überforderung bei mehr als 1 Person[/FONT]
[FONT=&quot]So gefaßte Pläne realisieren[/FONT][FONT=&quot] ---------------------------------------------Pläne enden häufig in Verwirrung oder werden nicht realisiert[/FONT]
[FONT=&quot]Kann zufrieden als „gelungen“ abbuchen[/FONT][FONT=&quot] ---------------------------------Aus Sorge oder Angst werden neue Aufgaben vermieden[/FONT]
[FONT=&quot]Sich ohne Nachgedanken „hätt ich doch...“[/FONT][FONT=&quot]neuen Aufgaben stellen[/FONT][FONT=&quot] -------Statt Zufriedenheit - Erschöpfung[/FONT]
[FONT=&quot]Kann sich länger konzentrieren ------------------------------------------maximal 10 Minuten Konzentration[/FONT]

Die Begrüßung eines neuen demenzkranken Patienten

· [FONT=&quot]den Dementen anfassen am Unterarm: zum aufnehmen und bewältigen[/FONT]
· [FONT=&quot]freundliches, lächelndes Gesicht[/FONT]
· [FONT=&quot]sich auf Augenhöhe nähern[/FONT]

Tipps und Tricks

· [FONT=&quot]es besteht kein Lehrauftrag, nicht streiten, nicht recht geben, nicht verbessern[/FONT]
· [FONT=&quot]immer nur 1 Aufgabe [/FONT]
· [FONT=&quot] Patient möglichst selbst 1 (Teil-) Aufgabe selbst machen lassen[/FONT]
· [FONT=&quot]beim Essen, ggf. Handbewegung mit Besteck vormachen und kauen[/FONT]
· [FONT=&quot]ggf. nur Vorspeise hinstellen, dann nur Hauptgericht, dann nur Nachtisch (1 Aufgabe..)[/FONT]
· [FONT=&quot]sich daneben setzen, beim Essen eingeben[/FONT]
· [FONT=&quot]keine Kleinkindsprache, „Bitte“ verwenden[/FONT]
· [FONT=&quot]langsam, kurz, eindeutig formulieren, tief sprechen[/FONT]
· [FONT=&quot]kurz zuvor Infos geben, z.B. bei Diagnostik[/FONT]
· [FONT=&quot]nicht von hinten ansprechen ( Mißtrauen, Ängste) beim warten seitliches hinstellen, im Blickfeld bleiben[/FONT]
· [FONT=&quot]häufig besteht Angst vor Aufzügen (Assoziation mit Schweinestall) [/FONT]
· [FONT=&quot]sowie Abstand halten zur Aufzugtür, mindestens 1 Meter[/FONT]
· [FONT=&quot]nicht sprachlos werden, wenn es zuviel wird, immer Kontakt aufnehmen, Ruhe bewahren, Nähe zeigen und geben[/FONT]
· [FONT=&quot]als Versuch: bei Maßnahmen singen, z.B. Volkslieder[/FONT]
· [FONT=&quot]bei schreien, rufen: Mitmachen! Den Patienten spiegeln[/FONT]
· [FONT=&quot]etwas zum befühlen mitbringen lassen, nicht zwangsläufig ein Stofftier, z.B. Halstuch, besticktes Taschentuch, Nähkissen, Schlüsselbund, ein Foto......[/FONT]
· [FONT=&quot]die Zimmertür immer zu machen[/FONT]
· [FONT=&quot]beim beruhigen über die Hand streichen[/FONT]
· [FONT=&quot]der Ellenbogen ist das Aggressionsgelenk, nicht am Ellenbogen fassen[/FONT]


Was das Gangbild zeigt

· [FONT=&quot]gehen mit dem ganzen Fuß – ich bin da, zufrieden[/FONT]
· [FONT=&quot]den Körper/ Fuß wippen, Hände „waschen“, verschränken – nicht wissen wohin[/FONT]
· [FONT=&quot]gehen auf der Außenkante – nicht wissen was los ist[/FONT]
· [FONT=&quot]beim Gehen Fuß komplett abrollen – Flucht! [/FONT]
[FONT=&quot]Bei flüchtenden Dementen neben ihnen gehen, am Ellenbogen fassen, versuchen langsam umzudrehen, kann dauern, evtl. nur passiv Richtung vorgeben[/FONT]

[FONT=&quot]Eine basale Stimulation, die der Patient selbst durchführen kann:[/FONT]
[FONT=&quot]1. [/FONT][FONT=&quot]Gerade sitzen[/FONT]
[FONT=&quot]2. [/FONT][FONT=&quot]Den Rücken anlehnen[/FONT]
[FONT=&quot]3. [/FONT][FONT=&quot]Knie-Hüfte bilden eine Gerade, Füße gerade hinstellen[/FONT]
[FONT=&quot]4. [/FONT][FONT=&quot]Finger weit spreizen[/FONT]
[FONT=&quot]5. [/FONT][FONT=&quot]Kreisende Bewegungen vom Oberschenkel bis Waden vorne, seitlich außen (soweit wie der Patient kommt)[/FONT]
[FONT=&quot]6. [/FONT][FONT=&quot]Hochwärts an den Innenseiten der Oberschenkel kreisen[/FONT]
[FONT=&quot]7. [/FONT][FONT=&quot]Insbesondere die Knie (tut gut bei Arthose)[/FONT]
[FONT=&quot]8. [/FONT][FONT=&quot]Nachspüren an den Fingern, den Beinen....[/FONT]

[FONT=&quot]Eine basale Stimulation beim Rücken waschen:[/FONT]
[FONT=&quot]Im Waschlappen Zeige- und Mittelfinger spreizen und rechts und links entlang der Wirbelsäule von oben nach unten streichen[/FONT]

[FONT=&quot]Eine basale Stimulation bei Problemen den Intimbereich zu waschen:[/FONT]
[FONT=&quot]2 Waschlappen, kreisende Bewegungen von den Fußrücken hoch bis zu den Knien.[/FONT]


[FONT=&quot]
[/FONT]
 
-Biografie kennenlernen, somit Vorlieben und besonders Abneigungen
-dementsprechend kleine Aufgaben anbieten: wie z.B.:

Blumenliebhaber:Blumen,Steckmasse,Schalen hinstellen zum dekorieren
Kreative frühere Hobbies anbieten wie malen, mit Salztteig arbeiten
an einfachen hauswirtschaftl.Tätigkeiten teilhaben lassen wie Tisch decken, Wäsche falten, Bücherregal abstauben/umräumen lassen

-Nähe zulassen, Demente ertasten auch gerne mal ein Gesicht
-stets offen, freundlich und vor allem ruhig auf Demente zugehen
-Tag/Nacht-Rhytmus aus dem früheren eigenständigen Leben berücksichtigen;ein Bäcker steht nun mal mitten in der Nacht auf
- Phasen des Dementen auch mitspielen, wenn die Puppe im Arm das Baby ist,dieses Baby auch berücksichtigen,einfach mal mittanzen oder laut mitsingen Volkslieder von früher
-zuhören und ernst nehmen, das Problem,das wir "normale" nicht sehen scheint dem Dementen oft lebensbedrohlich zu sein.

Einer meiner Dozenten sagte mal zu uns:
Wo der Verstand weggeht,da kochen die Gefühle über.
 
@Zappeline
Deine Vorschläge gelten aber mehr für´s Seniorenheim und nicht für das Akutkrankenhaus oder? Zum Basteln, tanzen und mich soooo intensiv um jemanden Einzelnen zu kümmern, bleibt mir in der Schicht wirklich keine Zeit, sorry. Ich weiß nicht, wieviele Patienten du wie intensiv zu betreuen hast, aber in einem AkutKH halte ich diese Vorschläge für utopisch. Jemandem freundlich und ruhig gegenüber zu treten ist selbstverständlich, ob dement oder nicht.
 
Mobile demente Patienten haben wir oft auch bei uns im Dienstzimmer sitzen und beschäftigen sie mit z.B. Papier falten. Wir nehmen sie mit beim Essen asuteilen/einsammeln und lassen sie die Wagen schieben.
Bei schreienden/rufenden bettlägerige Patienten frage ich manchmal die gesamte Biographie ab. Und singen, von Volksliedern bis hin zu Kirchenliedern, unterbricht das Schreien/Rufen oftmals und die Patienten sind meist textsicherer als ich.
Der Aspekt bei der Körperpflege liegt meist mehr darauf, mit ruhigen, streichelnden Bewegungen ein Wohlfühlen herzustellen und manches Körperteil wird länger eingecremt als gewaschen.
 

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