Verantwortung bei Medikamentengabe

sergow

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Guten Abend! Ich bin noch ganz neu hier, die seite finde ich sehr gut, es gibt so viele nützliche Tipps und Informationen, einfach sehr gut!
Meine Frage: der Arzt verordnet Medikamente (Tabletten, Spritzen oder Infusionen usw.), die Pflegekraft verabreicht die verordneten Medikamente sachgerecht, der Patient verträgt die Medikamente nicht wegen falscher Dosierung, starker Wechselwirkungen oder sowas, sagen wir mal, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat. Trägt die Pflegekraft rechtlich gesehen eine Mitschuld? Hätte der Pflegekraft was auffallen sollen? Kann mir bitte jemand mit Sicherheit antworten? Vielen Dank im Voraus!
 
Ich glaube(!), dass es da keine KLARE Aussage geben wird...

Prinzipiell hat der anordnende Arzt auch die Anordnungsverantwortung. Wenn dir jedoch aufgrund deines Wissens ersichtlich sein müsste, dass die Anordnung gefährlich ist, würdest du mit in die Verantwortung gezogen.

Doch das kann ja schlecht bewiesen werden.

OK, wenn der Arzt aus Versehen Concor 100 1-0-0 schreibt, statt 10mg und du gibst das dem Pat für eine Woche so in den Dispenser, dann dürfte es deutlich sein. Aber bei diffusen Sachen, die du nicht wissen kannst oder musst, ists halt schwieriger...
Einzelfallentscheidung; Rechtsprechung
 
Danke für die Antwort! Muss ich denn wirklich als Krankenpfleger Verantwortung für eine falsche ärztliche Anordnung übernehmen (Kunstfehler), wenn diese trotz meinem Fachwissen (sagen wir mal Allgemeinwissen in der Krankenpflege) mir nicht als falsche vorkommt? Muss ich oder darf ich überhaupt eine, auf den ersten Blick richtige, ärztliche Anordnung in Frage stellen? Bei mir auf der Arbeit haben wir mit einer Kollegin darüber diskutiert, ich finde, dass es nicht meine Aufgabe ist, eine Anordnung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ich muss sie nur richtig ausführen, ausgenommen natürlich krasse Fehler wie z.B. dein Beispiel mit Concor 100mg. Aber so genau weiss ich das auch nicht. Muss nicht immer der Arzt Verantwortung für seine Anordnung tragen???
 
Hallo Sergow,

du trägst immer die Durchführungsverantwortung. Wenn ein Arzt etwas anordnet das in der Dosierung eindeutig zu hoch ist und dies ist auch dir bekannt, so darfst du es auch nicht verabreichen.

Das Beispiel mit den Concor 100 ist hierfür gut geeigenet.

Ich hatte vor einer Weile ein ähnliches Problem da ordnete der Arzt 1000 ml Ergenylsaft über die Magensonde an und das 3 mal täglich.
Ich habe ihm gesagt, dass das ein bisschen zu viel ist, was zu einer Diskussion führte, er eine andere Kollegin der Pflege gefragt hatte, die ihm aber bestätigt hat, dass es auf der Station doch üblich wäre diese Dosierung zu geben.
Ich sah mich im Geist schon am Samstag durch das Haus laufen und Ergenylsaftflaschen zusammentragen.
Mein Entsetzen äusserte sich dadurch, dass (es war gerade Oktoberfest) ich ihn total verwirrt anschaute und nur sagte: Eine MASS Ergenylsaft - das kann nicht dein Ernst sein :schraube::dudu: Da kann ich dir doch auch gleich die Nummer vom Giftnotruf dazu legen.
Wir konnten uns dann durch die Vermittlung des Oberarztes darauf einigen, dass er doch nur mg statt ml gemeint hat.

Hätte er sich auf seine Therapiefreiheit berufen, hätte ich ihm zwar die Flaschen an Saft besorgt, aber er hätte sie selbst verabreichen müssen - ich hätte diese nicht gegeben.
 
Hallo sergow,

du bist in dem Falle nicht verantwortlich für die Anordnung, sollte die Dosierung dir aber echt merkwürdig vorkommen aufgrund einer sagen wir mal unüblichen Dosierung, ist es schon gut den Arzt durch Nachfragen darauf hin zu weisen.
Ich tu das schon, weil ich verabreiche es und bin im zweifelsfall tatsächlich mit dran, da vorausgesetzt wird, dass ein gewisses Wissen und Erfahrung in der Pflege vorherrscht.
Reagiert der Patient auf die veränderte Medikation musst du das dokumentieren und den Arzt informieren, da gibt es gar keine andere Handlungsweise. Es kann zu hoch dosiert sein oder eine Wechselwirkung geben.
LG joe
inzwischen hat narde gepostet....gutes Beispiel.Danke :-)
 
Hallo joe,

du bist in dem Falle nicht verantwortlich für die Anordnung
Wie soll ich das jetzt vertstehen, dafür bist du nie Verantwortlich sondern immer der Anordnende!

Es geht hier ausschließlich um die Übernahmeverantwortung.

Gruß
 
Hallo renje,

streich bitte "in dem Fall"......
Natürlich ist keine Pflegekraft verantwortlich für eine Anordnung.
Narde beschreibt es doch wunderbar.
"In dem Fall" meinte hier nicht für die Anordnung, dass nie, schon aber in der Durchführungsverantwortung, wenn dir etwas auffällt an der Dosierung bzw an dem Patienten in Folge der Dosierung.

Joe
 
Dir kann nur auffallen, wenn du davon Kenntnis hast. Es dürfte nicht im Auftragsbereich liegen, den Doc oder den Apotheker zu kontrollieren.

Doc setzt an, Apotheker gibt aus, Pflegekraft appliziert.

Elisabeth
 
Ganz so einfach ist es leider nicht, liebe Elisabeth. Narde hat ein gutes Beispiel genannt. Jeder Pflegekraft mit gesundem Menschenverstand musste auffallen, dass der Arzt hier einen Fehler gemacht hat. Hätte Narde wieder besseres Wissen 3 Liter Ergenylsaft pro Tag verabreicht, hätte sie vor Gericht wahrscheinlich eine Mitschuld erhalten.

Im Fall des Falles kommt es auf die medizinischen und pflegerischen Gutachter an, die vor Gericht befragt werden. Behauptet das Gutachten, dass eine Pflegekraft den Fehler hätte feststellen können, ist sie mit dran. Den Arzt trifft natürlich auch ein Teil der Schuld.
 
Ich finde wir als Pflegekräfte müssten u.a. erkennen wenn
ein Medikament beim Pat. Nebenwirkungen verursacht oder
auch wissen das bestimmte Medikamente mit anderen zusammen
Wechselwirkungen verursaachen können. Das lernt man doch
u.a. in der 3jährigen Ausbildung!
Aber es ist, wie ich finde schwer das immer zu erkennen,
da müsste man alle NW und Wechselwirkungen aller Medis
kennen und das können viell. sehr erfahrene Mitarbeiter oder
welche die sich sehr für Pharmazeutika interessieren sein.
 
Du kannst nur zur Verantwortung gezogen werden, wenn du informiert bist. Dosierung nachschauen = einfach, weil steht auf Beipackzettel... der übrigens viel zu selten gelesen wird.
Von einer Pflegekraft aber verlangen sich die Rote Liste zu besorgen um überprüfen zu können, ob der Doc auch das richtige Medikament verordnet hat, dürfte wohl den Aufgabenbereich von Pflegekräften bei weitem überschreiten. Irgendwo muss es auch eine Vertrauensbasis geben.

Das Beispiel von narde hinkt übrigens für den ambulanten Bereich. Hier hätte der Apotheker schon beim Doc nachgefragt, wenn er nicht selbst die Dosierungangabe korrigiert hätte.
Wenn die Medis immer beim selben Apotheker geholt werden hat Fachkraft ev. sogar das Glück, dass der Apotheker anhand seiner Kundenkartei mitteilen kann ob das neue Medikament mit den bereits verordneten kompatibel ist. Das wird von Pflegekräften eh kaum beachtet. warum auch? Dafür gibst andere Berufsgruppen.

Elisabeth
 
Das Beispiel von narde hinkt übrigens für den ambulanten Bereich. Hier hätte der Apotheker schon beim Doc nachgefragt, wenn er nicht selbst die Dosierungangabe korrigiert hätte.
Nicht unbedingt. Ich hatte bei meinem Schülereinsatz in der ambulanten Pflege eine Patientin, bei der der Arzt einen Alpha-Blocker in einer bestimmten Dosis (sagen wir: 2mg) verordnet hatte. Es gab Tabletten mit 2 und 4mg. Einzig der Krankenpflegeschülerin (=mir) ist aufgefallen, dass die Tabletten für 2mg laut Aufschrift und Packungsbeilage nicht gegen Hypertonie, sondern gegen Prostatabeschwerden wirken sollten (und die Blutdrucksenkung unter Nebenwirkung lief).

Wäre nicht vor Gericht gegangen, da kein Schaden verursacht wurde (keinerlei Unterschied in der Zusammensetzung der beiden Tabletten, bis auf die Dosis), aber ich schätze, kein Gutachter der Welt würde einer Krankenschwester bescheinigen, sie könne nicht über das Wissen verfügen, welches Geschlecht mit einer Prostata ausgestatten sei.
 
Wo ist jetzt das Problem? Hat Doc nicht das Recht Dosierungen anzupassen? Wenn 2 mg reichen, warum dann die 4 mg ansetzen? Jeder Körper reagiert anders. Nicht selten werden die Nebenwirkungen genutzt, wenn die Hauptwirkung den Pat. nicht schädigt. Warum auch nicht? Pharmakologie ist ja keine Einbahnstraße.
melden musst dich beim Doc, wenn seine Medis nicht wirken... und da dürfte es egal sein ob 2 oder 4 mg.

Und auch hier würde eigentlich der Apotheker greifen. Eigenerfahrung: Antibiotika laut Apotheker zu hoch dosiert beim Kind. Anruf beim Arzt. Es war korrekt. Die menge errechnet sich an Köpergewicht und nicht am Alter. Ich habe Riesenwuchskinder.

Wer sich also unsicher ist: Fragen sie ihren Arzt oder Apotheker.

Elisabeth
 
Wie auch immer. Einer (erfahrenen) PK ist es zuzumuten, dass sie offensichtliche Fehler oder Fehlentwicklungen erkennt, zumindest wenn es in ihrem sonstigen Erfahrungsbereich liegt. Mit einer evtl. FWB wirds noch deutlicher. Gibt wohl dieses Urteil gegen einen erfahrenen Anästhesiepfleger, der bei einem offensichtlichen Fehler der (unerfahrenen) Anästhesistin hätte eingreifen müssen. (Nein, hab keine Quelle und jetzt auch keine Zeit zu suchen).
Wer allerdings als PK die Rote Liste schnappt und selbständig ein Ersatzpräparat für das egtl. verordnete aussucht - und das dann auch noch verabreicht - der dürfte sich auf dünnem Eis bewegen.

Und Narde hat natürlich recht: Wenn sie 3 Liter Ergenyl in nen Patienten reinkippt, dann ist sie fällig. Egal was auf der Anordnung steht.

DS
 
Wenn du Kenntnis hats, bist dran- darum geht es hier aber nicht. Die Pflegekraft soll nachweisen, dass der richtige Wirkstoff im Generika enthalten ist. Und das geht meiner Meinung nach über das übliche Maß hinaus. Es kann wohl net angehen, dass man von einer Pflegekraft erwartet, dass sie sich die umfangreichen Kenntnisse eines Apothekers aneignet.
Im ambulanten dienst muss man wohl darauf vertrauen können, dass Doc und Apotheker das Richtige tun. Und wenn du nachweisen kannst, dass du nicht wider besseren Wissens gehandelt hast- dann bist auch net verantwortlich. Dosierungen u.ä. kann ich dem Beipackzettel entnehmen. Welche Alternativpräparate auf dem Markt sind, ist dort net vermerkt.

Beispiel: Bereichsunübliches Medi wird vom SpeziDoc angesetzt. Er setzt es nur als Einmalgabe an. Der Kollege kennt das Medi nicht und laut Beipackzettel ist auch diese Dosierungsvariante möglich. Für den Pat. ist die Dosierung aber viel zu gering. Wer haftet? Der Spezidoc? Der Stationsdoc? Oder die auf einem anderen Gebiet spezialisierte Pflegekraft?

Elisabeth
 
Wenn du Kenntnis hats, bist dran- darum geht es hier aber nicht. Die Pflegekraft soll nachweisen, dass der richtige Wirkstoff im Generika enthalten ist. Und das geht meiner Meinung nach über das übliche Maß hinaus. Es kann wohl net angehen, dass man von einer Pflegekraft erwartet, dass sie sich die umfangreichen Kenntnisse eines Apothekers aneignet.
? Entschuldige, aber darum geht es hier eben überhaupt nicht!
Es geht darum, dass der Doc ein falsches Med angesetzt hat - eben eine falsche Dosierung oder eine WW nicht bedacht...
Nicht darum, ob der Apotheker ein falsches med heraus gegeben hat.
Es wurden ja auch bereits ein paar Beispiele genannt.
Beispiel: Bereichsunübliches Medi wird vom SpeziDoc angesetzt. Er setzt es nur als Einmalgabe an. Der Kollege kennt das Medi nicht und laut Beipackzettel ist auch diese Dosierungsvariante möglich. Für den Pat. ist die Dosierung aber viel zu gering. Wer haftet? Der Spezidoc? Der Stationsdoc? Oder die auf einem anderen Gebiet spezialisierte Pflegekraft?

Elisabeth
Das ist doch auch völlig klar: Der Spezidoc (was auch imemr das ist, nie gehört ;)
Wenn ein Pat zu einem Neurologen gescgickt wird und der empiehlt halt Risperdal 2 1-0-1, dann ist das so. Wenn der StatArzt jetzt direkt meint ich geb nur 0,5 1-0-0 dann soll er das machen, aber dann hätte er ihn nicht dorthin schicken müssen.

Die Dosis ist ja erstmal so erlaubt und gängig, also warum "fachfremdem" Personal einen Vorwurf machen?
Hier ging es doch darum, wenn auf den 1. Blick ersichtlich ist, dass es eben nicht gängig, erlaubt oder zu verantworten ist...


Noch ein anderes Beispiel was mir gerade einfällt: Bei uns setzen ständig Hausärzte Moxonidin auf über das erlaubte Maß hinaus. Der hersteller gibt als max Dosis 06/d an, junge Assistenten und viele Hausärzte gehen regelmäßig auf 0,8 hoch...

Ich MUSS das nicht wissen, aber wenn ich es weiß, dann habe ich das anzumerken. Auch wenns hier nicht gleich tödlich ist...

Ist wie bei 1. Hilfe. Ich muss nicht helfen, wenn ich es nicht kann (bzw dann nur in meinem Rahmen), aber wenn ich es kann, dann muss ich auch...
 
Vielen Dank an alle für die Antworten, ist auf jeden Fall eine spannende Disskusion. Ich denke, jeder hatte damit schon irgendwie zu tun und als Pflegekraft stehen wir schon oft "mit einem Bein Im Knast".
Natürlich gibt es klare Beispiel, wie mit einer 10-fachen Dosierung oder literweise Saft, wo jedem der Fehler sofort auffallen sollte (müsste), aber mir persönlich geht es ehe um nicht sofort sichtbare Beispiele, denn, ich finde, mann kann von einer Pflegekraft nicht verlangen, dass wir jede ärztliche Anordnung auf ihre Richtigkeit überprüfen, bevor wir diese ausführen (wie gesagt, ist nur meine Meinung). Und, ich denke, es gibt genug Beispiele, wo eine Pflegekraft, auch wenn sie kompetent ist, nicht sofort alles weisst, und manchmal fehlt es auch einfach an Erfahrung.
Eine Kollegin von mir musste einem Patienten mit einer Kokainüberdosierung Metoprolol als Tablette geben. Sollte sie wirklich erstmal entsprechende Literatur lesen, um zu erfahren, dass ß-Blocker bei sowas kontraindieziert sind (weiss nicht, ob das mit dem Kokain auf dem Beipackzettel steht)? War nur ein Beispiel und es gibt bestimmt noch mehr. Es gibt auch Notfälle (nicht nur auf der ITS), wo man schnell handeln muss und keine Zeit zum Diskutieren hat. Sollte die Pflegekraft im solchen Fall sich nicht auf den Arzt verlassen? Schliesslich verordnet der Arzt.
Nochmal vielen Dank an alle!
 
Du hast im ambulanten Dienst keine Möglichkeit mal schnell die Wirkstoffgleichheit zu überprüfen. Darum geht es ja beim Einsatz des Generikums. Wenn der Doc oder der Apotheker hier einen Fehler machen, dann bist du nicht dafür verantwortlich, weil diese Kenntnisse außerhalb deines Bereiches liegen. Kreuzt der Doc auf dem Rezept aut idem an, dann muss der Apotheker genau dieses Medi ausgeben und darf nicht auf ein anderes Medi ausweichen. Die Klärung liegt also beim doc. Er kann bei der Rezeptierung bereits beachten, dass nicht ständig zwischen den Generika gewechslet wird und somit gar nicht der Bedarf besteht zu überprüfen obs das passende Medi ist.

MedizInfo®: Rezeptformulare verstehen

Elisabeth

PS Hast Spezidoc doch gut verstanden. *ggg*
 
Keine Pflegekraft prüft jede Anordnung genau nach, und kein Richter der Welt wird dieses verlangen. Aber wenn eine Anordnung erkennbar falsch ist - und ob eine Pflegekraft dieses erkennen sollte oder nicht, darüber entscheidet im schlimmsten Fall der Gutachter - dann muss die Pflegekraft einschreiten. Wenn nicht, hat sie im Schadensfall eine Mitschuld.

Und wenn eine Pflegekraft wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht steht, hat sie ja auch nichts davon, dass der Arzt, der sich in der Anordnung vertan hat, ebenfalls angeklagt ist.
 

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