Tempur: gleichzeitig Lagerungshilfsmittel nötig?

tanni

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Kinderchirurgie
hallo!

wenn ich bei einem schwerst mehrfach behinderten kind, das auf einer tempur-matratze liegt, gleichzeitig die spitzfußprophylaxe durchführen will, brauche ich dann weitere lagerungshilfsmittel? normalerweise müsste ich ja die fersen frei lagern (zur spitzfußprophylaxe auf normalen matratzen), aber auch bei tempur? ich bin ja der ansicht, man kann die fersen auf tempur einfach aufliegen lassen, dafür nehme ich die doch, oder? meine kursleitung meinte jetzt aber, eine zusätzliche fersenfreilagerung wäre trotzdem nötig. wer hat recht???


danke und liebe grüße,
tanni
 
Ferse frei lagern: kommt drauf an, wie du es machst. Hängt der Fuß arbeitest du pro Entstehung (Zug und Druck auf die Achillessehne). Hat der Fuß noch Kontakt mit der normalen Matratze, dann ist die Gefahr geringer. Einfaches Kissen an die Füße, oder Füße in Bettdecke einschlagen hilft auch. Den Fuß nicht konsequent in 90° Stellung bringen.

Die Lage des Pat. muss auch auf Temour regelmäßig verändert werden. Bei diesen Lageveränderungen stets mit Bewegungsübungen verbinden. Und man allerbesten hilft gegen Kontrakturen die Mob. in den Rollstuhl oder das Aufstehen.

Elisabeth
 
ferse frei

erstmal danke für deine antwort. also, ich habe es so gemacht: ein gefaltetes handtuch ans bettende, davor die füße 90°. die lehnten quasi gegen das handtuch. die fersen lagen dabei auf der tempur matratze auf. fand ich nicht schlimm. außerdem wird der pat ja ohnehin alle 2h umgelagert, auch mit tempur. meine lehrerin aber meinte, ich hätte ein kissen (oder ähnliches) unter die waden legen sollen, damit die fersen trotzdem nicht aufliegen.

danke für die tipps

liebe grüße,
tanni
 
Tempur ersetzt nicht das Lagern!

Hallo,

eine wichtige Frage, die tanni gestellt hat! Denn da herrscht leider immer noch eine weit verbreitete Unwissenheit bezüglich der Fersenfreilagerung ob nötig oder nicht.

Generell gilt immer: Lagerungshilfsmitel sind - wie der Name eigentlich schon sagt!- Hilfsmittel. Wie kann man also davon ausgehen, dass Hilfsmittel plötzlich Ersatz für die Lagerung sein sollen? Auf Wechseldruckmatratzen muss gelagert werden genauso wie auf Tempur-Matratzen. Jemanden einfach (auf-) liegen zu lassen wäre hinsichtlich dessen ein Pflegefehler!

Zur Fersenfreilagerung:
Hier herrscht weit verbreitete Unwissenheit, sogar unter den "Profis". Ich spreche da ganz besonders die Sanitätshäuser an, die weiterhin Fellschuhe verkaufen zur "Dekubitusprophylaxe".

Bereits in den 30er Jahren (kann auch etwas später gewesen sein, aber nicht viel...) wurde dazu eine wissenschaftliche Studie durchgeführt, die sich bei uns in D immer noch nicht durchgesetzt hat.
Bevor es hierzu Äusserungen gibt: "Eisen und Fönen" wurde bereits 1980 untersucht und hat sich erst Ende der Achtziger durchgesetzt. Hydrokolloide gibt es schon seit 1960 und so manche wissen heute noch nicht was das ist (oder wollen es nicht wissen z.B. Ärzte...). Dass feuchte Wunden besser und atraumatischer heilen als trockene wurde auch um diese Zeit untersucht (Evidenzklasse A!!!) und trotzdem haben wir zahlreiche Fans von Fixomull und Jod. Ich könnte noch so einiges aufzählen - ich möchte hiermit nur sagen, dass dies meistens international durchgeführte Studien sind und sich im unseren ach so modernen Land nicht durchsetzen, in anderen Ländern aber sofort, mit Erfolg, umgesetzt wurden.

Ein Medizin - Professor hatte an seinen eigenen Studenten eine wissenschaftliche Studie durchgeführt (warum auch immer die so etwas mitgemacht haben, steht jetzt hier außer Frage).
Er hat mittels Kanüle untersucht, umso weiter er mit der Kanüle ins Gewebe vordrang, wurde der Druck im tiefen Gewebe (das Gewebe stand unter äusserem Auflagedruck) höher - und zwar um das 3-5 fache des äußeren Drucks!

Was bedeutet dies für die Praxis?
Selbst wenn ich Fersen "weich" lagere und somit den äußeren Druck reduziere, ist der Druck im Gewebe nach wie vor um das drei-fünffache erhöht und die Dekubitusgefahr nach wie vor nicht gebannt. Das heißt für die Praxis, eine Fersenfreilagerung ist zur Dekubitusprophylaxe immer ein Muss.

LG
Trisha
 
Bei der Fersenfreilagerung sollte die Kontrakturprophylaxe nicht vergessen werden!!! Das Freilagern sieht häufig so aus, dass der Fuß frei schwebt. Das begünstigt die Entstehung des Spitzfußes. Dann wird häufig versucht, dieses auszugleichen mit eine Fixierung des Fußes in 90° Position. Dies führt aber zu einer Übereizung der Achilliessehne mit dem Erfolg, dass fördert die Bewegung in Richtung Spitzfuß.

Also beim einen nie das andere vergessen. *fg* Ich unterlagere den Unterschenkel inclusive Kniekehle mit Kissen. Ferse berührt gerade so die Matratze. Am Fußende liegt ein Kissen zur Wahrnehmungsförderung der Fußsohlen: Dekubitus-, Kontraktur-, Thromboseprophylaxe.

Übrigens nicht vergessen: Beine unterlagern bringt Gewicht in Richtung Sacralregion. Tja, das Pflegehandwerk ist nicht einfach.

Elisabeth
 
Hierzu würde ich dann gern noch ergänzen, dass leider aus dem Beitrag von Tine nicht hervorgeht um was für Behinderungen es sich handelt. Denn sollte eine spastische Lähmung vorliegen ist das abstützen der Fusssohle u.U. auch kontraindiziert. Es ist also schwierig ohne den Patienten zu kennen die richtigen Tips zu geben. Nichts desto trotz finde ich den Austausch sehr interessant und lehrreich.

Elisabeth: womit wird denn der Fuss fixiert? Hab ich Gott sei dank noch nicht erlebt (in 20 Jahren)
 
eiseule schrieb:
Elisabeth: womit wird denn der Fuss fixiert? Hab ich Gott sei dank noch nicht erlebt (in 20 Jahren)

Mit dem guten alten Fußbrett/ Bettkasten*fg*.. noch nie gesehen? Fuß in 90° Position und Fußbrett dagegen, damit Fuß in dieser Position bleibt. Weitere Fixierungen waren ehedem die beliebten Turnschuhe bzw. spezielle Schienen.

Kissen sind auch bei Spastikern erlaubt, sofern sie keinen Druck auf die Fußsohle ausüben.

Elisabeth
 
danke, ihr habt mir wirklich sehr geholfen. hätte nicht gedacht, dass diese frage einen solchen wirbel auslöst. scheint ja wirklich ein weiter verbreitetes problem zu sein. nichtmal die firma tempur, der ich ein e-mail schrieb, hat mir diese beantwortet, und die müssten es doch eigentlich am besten wissen!

die behinderungen, die ich meinte, waren egal für meine frage, ging einfach nur darum, dass die pat komplett immobil sind. dass man die prophylaxe derart nicht durchführen kann, wenn man schon nen spitzfuß hat, ist mir auch klar. auch dass holzbretter oder ähnliches kontraindiziert sind, weil sie eine spastik auslösen, weiß ich. wusste nur nicht, ob die fersen auf der tempur- matratze aufliegen dürfen.

eure beiträge haben mir jedoch sehr geholfen.

danke und liebe grüße,
tanni
 
Hallo,

die Beiträge waren auch für mich sehr interessant, da ich grad zum Thema Spitzfußprophylaxe auf der Suche war.

Leider gibt es auch einige Pflegekräfte( exam.!!!), die bei bestehendem Spitzfuß eine angebliche Spitzfußprophylaxe durchführen, und das dann auch noch dokumentieren.
Manchmal stellen sich mir echt die Nackenhaare hoch.:knockin:

Bsp.: vollständig immobile Bewohnerin, Wechseldruckmatratze, darauf eingespanntes Bettuch und Moltex, zur Rückenlagerung werden bei bestehender Kontraktur der Fußgelenke die Beine und Füße mit 6!!!! Kissen gelagert:motzen:

Ich weiß nicht, dazufällt mir nix mehr ein.

Doch, gleiche Bewohnerin, 30' Lagerung, auch hier wird die Spitzfußprophylaxe durchgeführt und beide!!! Fersen werden freigelagert.:(

Leider wird das auch von meiner WBL so durchgeführt, aber meine PDL plant jetzt noch mal ne interne Fortbildung zum Thema Lagerungswechsel ( ich bin da wirklich sehr dankbar, finde es aber zugleich furchtbar peinlich!)

Was meint ihr denn dazu?
LG Manu
 
ich winde es auch peinlich und kann nicht verstehen, wie sowas immer noch vor sich gehen kann...

habe mich bei tempur persönlich erkundigt: man muss die fersen generell NICHT freilagern, wenn man ne tempur- matratze hat, allerdings ist es abhängig von der art der tempur- matratze und dem gewicht des patienten.


weitere fragen können per email (www.tempur.de) gestellt werden und werden auch wirklich beantwortet, wie ich selbst erfahren durfte!


liebe grüße,
tanni
 
Hallo tanni,

vielen Dank für Deine Rückmeldung.

Aber um nochmal auf meinen obigen Beitrag zurück zu kommen, die Aussage von der Firma Tempur kann man auf keinen Fall stehen lassen.
Auch wenn Tempur® für die Raumfahrt entwickelt wurde, es bringt den Patienten nicht zum Schweben. Wenn die Fersen aufliegen, egal auf welchem Material, besteht die Gefahr, dass ein Dekubitus entsteht.

Ich frage Dich mal: was ist an Tempur® so besonders und einmalig, dass kein Dekubitus entstehen kann? Garantiert diese Firma für diese Aussage? Steht sie gerade dafür, wenn ein Dekubitus entstanden ist? Man müsste es wirklich drauf ankommen lassen. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Wäre auf Tempur® keine Freilagerung notwendig, dann wäre es das ultimative Hilfsmittel. Nie wieder Dekubitalgeschwüre dank Tempur®.

Ich hoffe, Du weißt auf was ich hinaus will. Bei dieser Firma arbeiten vorwiegend Menschen mit kaufmännischem Know-How ohne pflegerische Grundausbildung. Wenn Du einen Mitarbeiter mal genauer ausfragst, z.B. Pathophysiologie eines Dekubitalgeschwürs, wirst Du wahrscheinlich merken, dass diese Leute darüber nur grob informiert sind. Die Firma bietet seinen Mitarbeitern Schulungen an. Meist eintägig.

Der Slogan dieser Firma lautet: Druckentlastung.
Die beiden Begriffe Druckentlastung und Druckreduzierung sind international festgelegt, doch bei uns werden sie für Werbezwecke durcheinander gewirbelt.
Druckentlastung: absolute Druckfreiheit, keinerlei Auflagedruck, nur durch Freilagerung erreichbar
Druckreduzierung: Pat. liegt noch mit ein oder mehreren Körperstellen auf

Tempur® kann maximal eine Druckreduzierung gewährleisten, wie Du siehst. Kennst Du dieses Material? Es reagiert auf Wärme, umso wärmer der viskoelastische Schaumstoff an einer Stelle wird, desto mehr gibt er nach. Ein Patient also sinkt regelrecht ein.
Ich bin selbst Besitzer von Tempur® - Lagerungshilfsmitteln und Kissen. Ich finde die Produkte absolut prima und hochqualitativ.

Aber einen Dekubitus vermeiden sie mit Sicherheit nicht, dann hätten wir ein Allheilmittel.
Frage doch einmal noch präziser nach. Verlasse Dich nicht auf Aussagen einer Firma, sondern betrachte diese kritisch. Verknüpfe solche Aussagen mit dem was Du gelernt hast und was Du über Dekubitusentstehung weisst.

LG
Trisha

 
spezieller fall

hi trisha!

ich weiß, was du meinst und habe auch nicht behauptet, dass das gegenteil der wahrheit entspricht, aber in meinem speziellen fall bei einem kachektischen patienten hätte man eher einen dekubitus durch unterlagerung der unterschenkel hervorgerufen, als wenn man es nicht tut, sondern die fersen einfach aufliegen. und selbstverständlich weiß ich auch, dass tempurmatratzen das umlagern nicht ersetzen. tut mir leid, falls das anders aufgefasst wurde, oder ich das falsch dargestellt habe. es muss, wie alles andere in der pflege auch, eben individuell entschieden werden! danke und

liebe grüße, tanni
 
ich würde dem Patienten Einen Watteverband drunter anlegen(z.B. Rolta)
Ich nicht, weil wirkungslos (lt. Expertenstandard und evidence.de)

Außerdem ist Merbromin Lsg. bei Dekubiti absolut contra meines Wissens nach
<ironie>Hm, aber doch erst seit den 80er Jahren, das dauert eben, bis sich sowas rumspricht...</ironie>

Und sie verstecken sich immer hinter dem Kostenfaktor, dabei geht diese Rechnung nie auf, weil unqualifizierte Behandlung auf Dauer viel höhere Kosten verursacht.
Aber nicht dem Hausarzt sein Budget, sondern das Budget vom Spezialisten der dann zu rate gezogen wird, weil sich nichts tut, wird belastet
SCNR

Ulrich
 
Wechseldruckmatratze ist hier kontraindiziert.


Elisabeth
 
Unsere Erfahrungen zeigen, dass gerade Pat. mit verbliebener Restaktivität versuchen der "Matratzenbewegung" gegenzusteuern- Sicherheit zu erwerben- indem sie versuchen die festen Punkte anzufixieren. Meint: die Ferse wird wahrscheinlich keine Entlastung erlben, da sie immer wieder fest abgelegt wird. Ergo: das Risiko eines Fersendekubitus steigt.

Elisabeth
 
Unsere Erfahrungen zeigen, dass gerade Pat. mit verbliebener Restaktivität versuchen der "Matratzenbewegung" gegenzusteuern- Sicherheit zu erwerben- indem sie versuchen die festen Punkte anzufixieren. Meint: die Ferse wird wahrscheinlich keine Entlastung erlben, da sie immer wieder fest abgelegt wird. Ergo: das Risiko eines Fersendekubitus steigt.
Danke, der Erklärung! Also macht es in der Tat Sinn die Fersen auf einer Wechseldruckmatratze (wenn sie denn nötig ist) frei zu lagern.

Ulrich
 
Hallo,

kann mich nur den vorherigen Beiträgen von Ulrich und Elisabeth anschließen und die Vorschläge für gut heißen:

  • keine Wechseldruck für noch mobile Patienten (schränkt Mobilität ein)
  • Fersenentlastungsschuh tagsüber, nachts Fersenfreilagerung, z.B. leicht aufgeblasener Schwimmflügel um den Knöchelbereich



LG
 
...nachts Fersenfreilagerung, z.B. leicht aufgeblasener Schwimmflügel um den Knöchelbereich

Kontraproduktiv, da es zu einer Reduzierung der Durchblutung kommen kann: begrenzte Auflagefläche mit hohem Druck durch das Körpereigengewicht.

Besser Unterlagerung des Beines mit Kissen.

Elisabeth
 
Hallo Elisabeth,

einem Pat., der aktiv und mobil ist, kann ich kein Kissen drunter schieben. Das ist nämlich gleich weg geschoben und finde es über all - nur nicht mehr da, wo es hin soll.
Schwimmflügel haben sich bei solchen Pat. eher bewährt.










LG
 

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